Sucher nach dem Sinn hinter der Welt materieller Erscheinungen halten gern nach einer Tradition Ausschau. Das ist verständlich. Wer im Dunklen tappt, greift automatisch nach einem Halt. Ein solcher Halt kann die Gewissheit einer ideell unsterblichen Tradition sein, auf der man sich in einer zunehmend dissozialen Gesellschaft stützen kann.
Im westlichen Kulturkreis war das Suchen nach und Stützen auf Traditionen lange Zeit lebensgefährlich. Ein kulturfeindliches und dogmatisches Kirchenchristentum, das sich willig mit politischer Macht und irdischem Reichtum einließ, schickte Sucher dieser Art ohne zu fackeln auf den Scheiterhaufen. Eine Praxis, der sich sowohl Katholiken als auch Protestanten bedienten.
In diesem bedrohlichen Energiefeld erblühte dennoch und trotzig eine höchst lebendige Mystik. Prominenteste Vertreter waren u. a. Meister Eckehart (ca. 1260 – ca. 1327), Gerrit Grote (1340 – 1384), Thomas von Kempen (1379 – ca. 1471), Johannes Trithemius (1462 – 1516), Agrippa von Nettesheim (1486 – 1535), Paracelsus (1493 – 1541), Johannes vom Kreuz (1542 – 1591), Giordano Bruno (1548 – 1600), Francis Bacon (1561 – 16269, Jakob Böhme (1575 – 1624) und Valentin Andreae (1586 – 1654).
Predigerkirche zu Erfurt – Wirkstätte von Meister Eckehart
(Bild: Trinosophie-Blog)
Spätestens mit Jakob Böhme erhielt das Suchen ein symbolisches Motto: THEOSOPHIE. THEOS = Göttlich und SOPHIE = Weisheit.
Höhepunkt dieser Entwicklung war die THEOSOPHIE, wie sie von H. P. BLAVATSKY (HPB), 1831 – 1891, vermittelt wurde. Im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts war der Einfluss der Kirche stark am Schwinden. Das Industriezeitalter löste eine Entwicklung aus, die allgemein als „wissenschaftlich-technischer Fortschritt“ bezeichnet wird. Eine Folge war, dass die öffentliche Meinung vom dogmatischen Glauben allmählich ins gegenteilige Extrem umzuschlagen begann, hin zu einem ausufernden Materialismus. Mit der Infragestellung des Glaubens wurde tendenziell ALLES abgewiesen und in Frage gestellt, das NICHT materiell „beweisbar“ war. Dazu gehörten auch ethische und moralische Grundsätze. Die Glaubenssätze der Evolutionstheorie von Darwin ersetzten das Kirchen-Dogma durch das der Wissenschaft. Demnach stammt der Mensch vom Affen ab und menschliches Leben galt als eher zufälliges Resultat eines Ausleseprozesses, in dem der Stärkere den Schwächeren im übertragenen Sinne oder wörtlich „auffrisst.“
Und mit dem Tod der Persönlichkeit hört alles auf. MUSS alles aufhören, denn die Pathologen konnten in den Leichen Verstorbener nirgends auch nur die Spur einer unsterblichen Entität – also einer Seele – entdecken.
In diesem Glaubensvakuum trat die Theosophie von HPB in Erscheinung und prägte von 1875 an für mehr als 20 Jahre das kulturelle, wissenschaftliche und geistige Leben Europas und der USA. Mit Blavatsky wurden erstmalig spiritistische Phänomene in einen wissenschaftlichen Kontext gebracht. Das in Asien bekannte Naturgesetz-Doppel, Karma und Reinkarnation, fand nun auch im europäischen Geistesleben seinen seriösen Einzug. Leider wurde der Geist der THEOSOPHIE, der über Jahrhunderte das geistige Leben des Westens befruchtende, mit dem Weggang von Blavatsky und ihrem Mitstreiter W. Q. Judge gründlich ausgetrieben.
Auf internationaler Ebene ließ sich das Möchtegern-Medium Annie Besant, offizielle Nachfolgerin von HPB in der Theosophischen Gesellschaft (TG), im Namen der GÖTTLICHEN WEISHEIT zu phantasievollen Messias-Missionen verleiten, in enger Zusammenarbeit mit einem mutmaßlichen Kinderschänder, C. W. Leadbeater, übrigens. In Deutschland profilierte sich das Medium Rudolf Steiner zu einem Wolf im Schafspelz der Theosophie. Sein vor allem erdgewandtes Geistersehen (siehe etwa seinen LANDWIRTSCHAFTSKURS) ging eine teilweise reaktionäre Symbiose mit einer phantasievollen Kosmogonie ein. Am Ende veranlasste er die Aneignung des Vermögens der deutschen Theosophischen Gesellschaft durch seine Anhänger und deren Überführung in seine eigene Neugründung, die Anthroposophische Gesellschaft. Vermutlich nicht grundlos betrachteten die in den 1920er Jahren erstarkenden Nazis die Anthroposophische Gesellschaft Steiners zeitweise als Konkurrenten.
Es gab auch eine TRINOSOPHISCHE Bewegung. Im Roman DER ROTE LÖWE von Maria Szepes wird darauf im Kapitel LÖWENKRALLEN eingegangen. Es handelt sich dabei um eine Art asketischen Geheimbund, in dem unter der Anleitung des belgischen Mystikers Jean Maria Ragon nach einer Transformation (=Überwindung) der Persönlichkeit gestrebt wurde. Angeblich waren Ragon und Saint Germain geistig und auch freundschaftlich eng miteinander verbunden.
Die Daten der Ereignisse um Ragon im ROTEN LÖWEN widersprechen dessen tatsächlich überlieferten – eher fragmentarischen – Biographie. Das macht aber nichts. Umso mehr mag der Begriff TRINOSOPHIE geeignet sein, als neutraler begrifflicher Rahmen für ein zeitgemäßes Forum zu dienen, in dem es um genau dasselbe geht, wie in der vermeintlichen Loge des belgischen Mystikers und im Text der Trinosophie selbst: die Überwindung der Bindungen der irdischen Persönlichkeit.
Mit dem Buch der ROTE LÖWE, das erstmalig die Trinosophie als Werk überhaupt einer breiten Öffentlichkeit bekannt macht, und dem Gesamtwerk der Autorin und Mystikerin, Maria Szepes, ergibt sich der weite Bogen einer subtilen Tradition.
Der Trinosophie-Blog fühlt sich diesem Traditions-Bogen verpflichtet.