Eine Ode an das SELBST. (Redaktion)
Hölderlinturm in Tübingen
(Foto: PixelQuelle.de)
Kennst du sie, die selig, wie die Sterne,
Von des Lebens dunkler Wolke ferne
Wandellos in stiller Schöne lebt,
Die des Herzens löwenkühne Siege
Des Gedankens fesselfreie Flüge,
Wie der Tag den Adler überschwebt?
Die uns trifft mit ihren Mittagsstrahlen
Uns entflammt mit ihren Idealen,
Wie vom Himmel, uns Gebote schickt
Die die Weisen nach dem Wege fragen,
Stumm und ernst, wie von dem Sturm verschlagen
Nach dem Orient der Schiffer blickt?
Die das Beste gibt aus schöner Fülle
Wenn aus ihr die Riesenkraft der Wille
Und der Geist sein stilles Urteil nimmt,
Die dem Lebensliede seine Weise,
Die das Maß der Ruhe, wie dem Fleiße
Durch den Mittler unsern Geist bestimmt?
Die, wenn uns des Lebens Leere tötet
Magisch uns die welken Schläfe rötet.
Uns mit der Hoffnung das Herz verjüngt,
Die dem Dulder, den der Sturm zertrümmert,
Den sein fernes Ithaka bekümmert,
In Alcinous Gefilde bringt?
Kennst du sie, die uns mit Lorbeerkronen
Mit der Freude beßrer Regionen
Ehe wir zu Grabe gehen, vergilt
Die der Liebe göttlichstes Verlangen,
Die das schönste, was wir anfangen,
Mühelos im Augenblick erfüllt?
Die der Kindheit Wiederkehr beschleunigt,
Die den Halbgott, unsern Geist, vereinigt
Mit den Göttern, die er kühn verstößt,
Die des Schicksals eh’rne Schlüsse mildert,
Und im Kampf, wenn das herz verwildert,
Uns besänftigend den Harnisch löst?
Die das Eine, das im Raum der Sterne,
Das du suchst in aller Zeiten Ferne
Unter Stürmen, auf verwegner Fahrt,
Das kein sterblicher Verstand ersonnen,
Keine, keine Tugend noch gewonnen,
Die des Friedens goldne Frucht bewahrt?
Zuletzt aktualisiert: 02.04.2007 von Heinz Knotek