Am Ende hielt es der Zuschauer nicht länger auf seinem Sitz aus. Alle Hemmungen fallen lassend stürzte er auf die Bühne und begann gestikulierend in das Geschehen einzugreifen. Die Schauspieler auf der Bühne hielten den Eingriff für eine spontane Idee der Dramaturgie und dachten, der Eindringling wäre ein Schauspielerkollege. Sie versuchten daher, den eingespielten Ablauf mit möglichst allen Mitteln beizubehalten, denn andere Regieanweisungen gab es nicht. Wieder hatte es eine Seele erwischt, war Opfer des von ihr selbst auf der Bühne des Lebens inszenierten Dramas geworden, war Versuchung des Mitmachens erlegen. Womöglich wird es Äonen dauern, bis sie benommen erwacht um zu erkennen, sich mit einem Bühnenspiel identifiziert zu haben.
Man kann nicht einfach ruhig sitzen und zusehen, oder?
Auch der Sucher auf dem Pfad, der weiß, dass sich sein Lebensweg entlang der von ihm selbst erzeugten astralen Phänomene bewegt, kann vom großen Drama des Lebens innerlich mitgerissen werden, wenn sich die Ereignisse auf der Bühne nur dramatisch genug zuspitzen. Wenn etwa ein seelentoter kalter Dämon in Gestalt eines despotischen Autokraten das Land mit seiner Zivilgesellschaft in dem er dieses Mal geboren wurde in die Selbstzerstörung treibt und das Bewusstsein der Menschen dabei mit suggestiven Durchhalteparolen wie „wollt ihr den totalen Krieg“ oder „wollt ihr die totale Grenzenlosigkeit“ vernebelt, um damit dem Volk erst ein schlechtes Gewissen zu suggerieren und es dann in den Mühlen der Zerstörung sich selbst zu überlassen, dann kann man nicht einfach ruhig sitzen und zusehen. Oder?
Wenn sich die Seele wenigstens entfernt an ihre unsterbliche Herkunft jenseits von Zeit und Raum erinnern kann, dann wird sie dem inneren Drängen, den Zuschauerraum zu verlassen und sich ergreifend und gestaltend auf der Bühne einzumischen tapfer widerstehen. Was JETZT passiert, passiert ja nicht weil es JETZT entstanden ist. Es passiert, weil sich über lange Zeiten die karmischen Samen zu astralen Energien verdichtet haben, die sich am Ende als materielles Phänomen auswirken müssen. Wie wenn man einen Stein in einen ruhigen See wirft. Einmal geworfen kann man NICHTS tun, um den ausgelösten Wellengang aufzuhalten. Im Gegenteil. Versucht man es wird das Wasser noch mehr aufgewühlt.
Also nichts tun? Was aber wenn etwa ein Feuerwerk auf der Bühne zu einer Feuersbrunst führt, die das ganze Theater und die darin befindlichen Menschen zu vernichten droht? Dann – ohne Frage – hat man die Pflicht einzugreifen. Rette die Menschen und rette dich selbst. Doch vergiss nie, auch das jetzt ist nur eine dramatische Zuspitzung auf der Bühne des Lebens – nicht das wahre Leben selbst. HEINZ KNOTEK
Zuletzt aktualisiert: 29.02.2016 von Heinz Knotek