Die 9/11-Terroranschläge auf die maroden Zwillingstürme versetzten die Zivilgesellschaft der USA in Schockstarre.
Das Agieren der psychopathischen Anhänger des IS, das einen in Form von Horrormeldungen und schockierenden Bildern und Videos neuerdings aus allen Medienkanälen anspringt, scheint nun die Welt erstarren zu lassen – vor Entsetzen und Erschütterung. Und plötzlich liebäugeln selbst linke Pazifisten mit dem Einsatz von Bodentruppen. 13 Jahre nach 9/11 ist nun auch im libertären Europäer der autoritäre Krieger erwacht – und ist zunehmend befehlsbereit.
Dazu braucht es erst einmal richtigen Terror
Nach endlosem Mühen, viel Not und mit unvorstellbaren Opfern hat sich im Europa des ausgehenden 20. Jahrhunderts und zunehmend auch in der globalen Welt eine auf einem humanistischen Menschenbild gründende Zivilgesellschaft scheinbar unerschütterlich und vorbildhaft für die Welt etablieren können. Als die klapprig gewordenen Sozialismusexperimente begannen in sich zusammenzufallen kam Hoffnung auf, dass nun auch die existenzielle Bedrohung durch waffenstarrende Militärblöcke auf ewig überwunden sei. Beides ein Irrtum.
Tatsächlich war lediglich dem einen waffenstarrenden Militärblock sein „vertrauter“ Gegenspieler abhanden gekommen. Im ewigen „Fingerhakeln“ der Falken aus Ost und West war der Ost-Falke vor Erschöpfung erschlafft und implodiert. Der West-Falke stand zu seiner eigenen Überraschung ohne großes eigenes Dazutun plötzlich als Sieger da. Damit war eine neue Art Gefahr für die „nationale Sicherheit“ entstanden: das Fragen und Infrage-Stellen.
Wozu, fragten sich zunehmend US-Bürger, wozu nun noch Militär und Militärausgaben? Schluss mit den hässlichen verdeckten Kriegen im Namen der Freiheit im Ausland – wie in Vietnam, Chile, Nikaragua. Ja, was geht uns das Ausland an? Möge doch jeder nach seiner Façon selig werden! Damit höchste Zeit für 9/11. Wer immer den 9/11-Terror auf dem Gewissen hat, er hat die Wehrbereitschaft der Amerikaner erfolgreich und fürs Erste nachhaltig reaktiviert. Im Kampf gegen die Gefahr des Selbstmordattentäters im eigenen Vorgarten ist man gern bereit seine Wohnungsschlüssel dem „Schutzmann“ auszuhändigen, auf dass er komme und gehe wie es ihm gefällt und mithöre und mitlese – wenn es denn der nationalen und damit der eigenen Sicherheit dient.
Auch die Europäer saßen damals geschockt vor dem Fernseher. Doch der nahende Euro und die wachsende Dominanz der EU absorbierten die Zivilgesellschaften des alten West- und neuen Osteuropas bald. Man schickte ein paar Soldaten für die vom großen Bruder angezettelten Kriege und bastelte ansonsten nicht ohne Erfolg an der Euro-Einheit Europas. Nach einem Jahrzehnt des Bastelns zeigten sich zwar Risse in der Euro-Einheit Europas, im Inneren regte sich zunehmend Widerstand gegen die demokratisch kaum legitimierte Bevormundung durch eine Euro-Elite. Im Außen eröffneten sich aber ungeahnte Handelsoptionen mit den Mächten im Osten – Russland und China.
Die selbsterklärte Weltführerschaft der USA zeigte sich lediglich im Drohnenkrieg über fernen Ländern. Zeit sich ins Spiel zu drängen. Und auf eine Art und Weise, die man gut beherrscht – Terrorabwehr. Dazu braucht es natürlich erst einmal richtigen Terror. Verwerfliche Übergriffe lokaler syrischer Sicherheitsbehörden lieferten den Anlass, über die NATO-Grenze der Türkei islamisch verblendete Terroristen nach Syrien einströmen zu lassen – als „Rebellen“. Erklärtes Ziel: Zerstörung des souveränen Staatswesen mit seiner völkerrechtlich anerkannten Regierung. Von Anfang an waren IS-Fanatiker dabei, die schließlich mit 600 Euro Sold und eine Sklavin zur Frau für solche Angebote empfängliche Männer für die Barbarei im Namen Gottes rekrutierten. Seit 2012 kämpft die syrische Regierung gegen diesen Wahn, der im Westen bislang unter „Kampf gemäßigter und islamistischer Rebellen gegen das Assad-Regime“ lief.
Seit 2012 hat sich keine Öffentlichkeit über Enthauptungen und Kreuzigungen großartig empört. Auf zynische Weise konnte eine Reporterin der Süddeutschen Zeitung aus Nahost, Sonja Zekri, sogar die Polemik abdrucken, „Ist Enthaupten wirklich so viel schlimmer als Gas?“. Soweit bekannt, hat kein Presserat diese widerwärtige Entgleisung abgemahnt1. Die Frau darf weiterhin aus Nahost berichten und für diese Zeitung MEINUNGBILDEN – nach ihrem Sinne und dem ihrere Auftraggeber. Langsam ist alles vorbereitet und Zeit für öffentlichkeitswirksames Aufmarschieren in weißen Jeeps und schwarzen Flaggen.
Wenn bislang syrische Soldaten bei der Verteidigung ihres Landes den IS-Barbaren in die Hände fielen, erfuhr die Welt von deren grausigem Tod nur über exotische Twitterkanäle. Wenn aber ein westlicher Sensationsjournalist auf der riskanten Jagd nach lohnenden Storys mutmaßlich geköpft wird, ist plötzlich die Welt empört dabei und nach einiger Zeit auch bereit, sich im guten christlichen Sinne „Auge um Auge“ dem Terror zu stellen, also zur Not auch mit Bodentruppen. So geht das. HEINZ KNOTEK
- Nicht nur eine stilistische Entgleisung, sondern auch subtiles Verdrehen von Tatsachen. Der syrischen Armee konnte nie der Giftgasangriff bei Damaskus nachgewiesen werden. Chemische Analysen ergaben sogar Indizien, dass das benutzte Gift von den Terroristen stammen könnte. Das ficht die Dame aber nicht an, daraus andere, ihr genehme, Tatsachen zu erschaffen. ↩
Zuletzt aktualisiert: 07.12.2014 von Heinz Knotek