Dem Grafen von Saint Germain zugeschrieben.
Ich lenkte meine Schritte seitwärts und bemerkte einen ausgedehnten pyramidenförmigen Palastbau, dessen Fundament auf Wolken ruhte und dessen Gemäuer aus Marmor bestand. Vier Säulenreihen erhoben sich eine über der anderen. Eine goldene Kugel krönte den Bau. Die Säulen der ersten Reihe waren von weißer, die der zweiten von schwarzer und die der dritten von grüner Farbe. Die Säulen der vierten Reihe waren von leuchtendem Rot.
Nachdem ich dieses Werk eines unsterblichen Künstlers bewundert hatte, wollte ich mich erneut jenem Altar mit dem Vogel und der Fackel zuwenden, denn es reizte mich, diese näher zu untersuchen. Doch sie waren plötzlich verschwunden und während ich mit den Augen nach ihnen suchte öffneten sich die Tore des Palastes.
Ein ehrwürdiger alter Mann kam heraus. Er trug das gleiche Gewand wie ich, außer, dass auf seiner Brust eine goldenen Sonne strahlte. Seine rechte Hand hielt einen grünen Zweig, die linke ein Weihrauchfass. Um den Hals trug er eine hölzerne Kette und sein schlohweißes Haar wurde von einer spitz zulaufenden Tiara, ähnlich der des Zoroaster, umhüllt.
Mit einem gütigen Lächeln auf den Lippen kam er auf mich zu. „Gott zum Gruße“ sprach er mich auf Persisch an. „ER ist es, der dir in deinen Prüfungen beistand und dessen Geist allzeit mit dir war. Mein Sohn, du hast eine einzigartige Gelegenheit verstreichen lassen. Du hättest unmittelbar den Vogel
die Fackel
und den Altar
ergreifen können. Du hättest auf der Stelle selbst Altar, Vogel und Fackel werden können. Damit du zum innersten Heiligtum im Palast der höchsten Wissenschaften zugelassen werden kannst, ist es nun erforderlich, dass du erst alle Nebenwege durchlaufen musst. Komm … ich muss dich als erstes meinen Brüdern vorstellen.“ Er nahm mich bei der Hand und führt mich in eine weite Halle.
Die Augen eines gewöhnlichen Sterblichen können von der Formenvielfalt und reichhaltigen Ausschmückung die sich mir drinnen darbot nicht die leiseste Vorstellung haben. Umschlossen wurde die Halle von 360 Säulen. Von der Decke hing an einem goldenen Ring ein Kreuz in den Farben rot, weiß, blau und schwarz herab. In der Mitte der Halle bildeten die vier Elemente einen dreieckigen Altar, an dessen drei Ecken der Vogel, der Altar und die Fackel platziert waren. „Ihre Namen sind nun andere,“ hier heißt der Vogel jetzt
der Altar
und die Fackel
Die Halle trägt den Namen
und der dreieckige Altar heißt
Um den zentralen Altar herum waren 81 Throne angeordnet, die jeweils über neun Stufen unterschiedlicher Höhe erklommen werden konnten. Die Stufen waren mit roten Teppichen belegt. Während ich die Throne näher betrachtete ertönte ein Trompete, worauf die Türen der Halle
sich in ihren Scharnieren drehten und 79 Personen eintraten, von denen alle das gleiche Gewand wie mein Anführer trugen. Langsam kamen sie näher, ließen sich auf den Thronen nieder, während mein Anführer neben mir verweilte. Ein alter Mann, der sich von den anderen dadurch unterschied, dass er einen purpurnen Umhang trug, dessen Saum mit gestickten Buchstaben bedeckt war, erhob sich anschließend von seinem Sitz.
Mein Anführer richtete daraufhin mit einer heiligen Sprache folgende Worte an ihn: „Siehe da! Eines unserer Kinder, es groß zu machen wie seine Väter, ist der Wille Gottes.“ „Möge der Wille des Herrn geschehen,“ antwortete der alte Mann und sich an mich wendend fügte er hinzu: „Mein Sohn, die Zeit deiner physischen Prüfungen ist nunmehr abgelaufen … Es steht nun die Bewältigung langer Reisen vor dir. Dein Name sei daher
Bevor du nun das Gebäude besuchst, möchte jeder meiner 80 Brüder und ich selbst dir ein Geschenk bereiten.“ Er trat auf mich zu und überreichte mir mit einem Friedenskuss einen Würfel aus grauer Erde, genannt
Der Zweite gab mir drei Zylinder aus schwarzem Stein, genannt
Der Dritte überreichte mir ein kleines abgerundetes Stück eines Kristalls, genannt
Vom Vierten erhielt ich eine Haube aus blauen Federn, genannt
Der Fünfte fügte eine silberne Vase hinzu, die den Namen
trug. Der Sechste händigte mir eine Weintraube aus, die den Weisen unter dem Namen
bekannt ist. Der Siebente beschenkte mich mit der Zeichnung eines Vogels, der dem Äußeren nach
glich, aber dessen Gefieder nicht so strahlend sondern von silberner Farbe war. „Er trägt denselben Namen,“ sagte er mir, „er ist für dich, damit du ihn mit den selben Tugenden versehen mögest.“ Der Achte gab mir einen kleinen Altar, der dem glich, der den Namen
trug. Schließlich gab mir mein Anführer eine Fackel in die Hand, die der Fackel mit dem Namen
ähnlich war, also aus leuchtenden Partikeln bestand, die allerdings noch nicht entzündet war. „Diese ist für dich,“ setzte er hinzu, „wie bei jenen, die dir vorausgegangen sind, um ihr dieselbe Tugend zu verleihen.“
La Très Sainte Trinosophie
Kapitel 6 – Ende
(verkleinert)
„Sinne über diese Geschenke nach,“ sagte schließlich der oberste Weise. „Sie führen alle gleichermaßen zur Vollendung, aber keines ist vollkommen in sich selbst. Nur durch die passende Verbindung untereinander kann das göttliche Ergebnis daraus hervorgehen. Wisse zudem, dass sie allesamt Null und nichtig sind, wenn du sie anders als in dem empfangenen Sinne anwenden solltest. Das Zweite – das zum Gebrauch des Ersten dient – verbleibt lediglich grobe Materie ohne Wärme und ohne Nutzen, wenn es nicht zugleich von dem was nach ihm kommt gefördert wird. Behüte sorgfältig die Präsente, die du erhalten hast. Nachdem du aus dem Becher des Lebens getrunken hast breche auf zu deinen Reisen.“
Daraufhin überreichte er mir in einem Kristallbecher eine leuchtende Flüssigkeit von safrangelber Farbe. Der Trunk hatte einen köstlichen Geschmack und verbreitete einen feinen Aromaduft. Nachdem ich mir damit kurz die Lippen benetzt hatte, wollte ich den Becher zurückreichen. Doch der alte Weise sprach: „Trinke alles aus! Es wird während deiner Reisen deine einzige Nahrung sein.“ Ich gehorchte und fühlte ein göttliches Feuer durch alle Fasern meines Körpers strömen. Ich wurde kraftvoller, standfester und selbst meine mentalen Energien schienen sich verdoppelt zu haben.
Kurz vor meinem Aufbruch entbot ich der erhabenen Versammlung noch das Grußzeichen der weisen Männer. Auf Anweisung meines Anführers trat ich sodann in eine rechterhand liegende Säulenhalle. ∆
Grafik zu Kapitel 6
Zuletzt aktualisiert: 30.11.2007 von Heinz Knotek
Kapitel 6 kann aufgrund seiner kompakten Symbolik als das zentrale Thema der Trinosophie gedeutet werden. Der Transformationsprozess ist erfolgreich gewesen. Der NEUE Mensch, eine Art göttliches Wesen, nimmt Gestalt an. Die verwendeten Symbole finden sich auch an anderer Stelle in der alchemischen Literatur.