„Gott ist ein Geist.“
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Das Magazin THE THESOSOPHICAL MOVEMENT ist dem eigenen Motto gemäß dem „Führen eines Höheren Lebens“ gewidmet (devoted to the living of the higher life). Die Artikel basieren zumeist auf überlieferte Weisheitslehren – von den Veden über die Bhagavad Gita bis zu den Schriften von H. P. Blavatsky und W. Q. Judge. Entgegen der Ansichten im esoterischen Mainstream, dass unsere angeblich neue Zeit auch immer neue Texte braucht, vertritt das Magazin die Auffassung, dass in den überlieferten Weisheitslehren alles enthalten ist, was der moderne Sucher braucht. Das Magazin erscheint monatlich in Mumbai (Indien). Obwohl der Name die Zugehörigkeit zu einer der diversen theosophischen Gesellschaften vermuten lässt, ist das Magazin „konfessionell“ ungebunden. Der Leitartikel der Juli-Ausgabe geht der immer aktuellen Frage nach: Kann der Mensch Gott kennen? CAN MAN KNOW GOD?
Kann der Mensch Gott kennen?
(Auszug)
Um die Frage beantworten zu können, müssen wir eine weitere Frage klären, „existiert Gott überhaupt?“ Die Menschheit war immer schon in zwei Lager geteilt, in Gläubige und Ungläubige … Der griechische Philosoph Epikur sagte: „Ist Gott gewillt, das Böse zu verhindern, kann es aber nicht? Dann ist ER nicht allmächtig. Ist er fähig, aber nicht gewillt, dann ist ER böswillig. Ist er beides – fähig und willig? Woher kommt dann das Böse? Ist er weder fähig noch willig? Wozu ihn GOTT nennen?
Juli-Ausgabe
Die Atheisten argumentieren wie der griechische Philosoph. Wenn ein allmächtiger und wohltätiger Gott existieren würde, wieso kann es dann auf der Welt so viel Leiden und Böses geben? „Warum lässt Gott – wenn er denn existiert – Tod und Vernichtung bringende Erdbeben, Überschwemmungen und Taifune zu?“ Die Gott-Gläubigen erklären den scheinbaren Widerspruch mit dem freien Willen des Menschen …
Jeder Mensch – außer Atheisten – hat eine ganz eigene Vorstellung von GOTT. Die Geschichte belegt, dass am Anfang, als die Menschen sich mit der Natur identifizierten, Tiergötter verehrt wurden. In dem Maße, wie sie sich selbst als Krönung der Schöpfung empfanden, gaben sie GOTT eine menschliche Gestalt und vermenschlichte Eigenschaften.
Die Theosophie betrachtet Gott als unpersönliches, ewiges, unbegrenztes, allgegenwärtiges und unwandelbares PRINZIP. Dem PRINZIP irgendwelche Merkmale oder Eigenschaften zuzuordnen, bedeutet es herabzuwürdigen. Es ist schwer, Gott als etwas, das alles umfasst, zu begreifen. Gott als universelles Prinzip ist absolutes Licht und absolute Dunkelheit, absolutes Bewusstsein und absolutes Nicht-Bewusstsein. Es ist SEIN.
Dazu ein Beispiel. Wir können jederzeit eine bestimmte Dreieck-Form begreifen. Etwa ein gleichseitiges oder ein gleichschenkliges Dreieck. Aber es wäre uns unmöglich, eine Art „Dreieckigkeit“ vorzustellen, die auf abstrakte umfassende Weise alle Typen von Dreiecken beinhaltet. Gott oder das Absolute sind wie „Dreieckigkeit.“
Das Absolute ist die ursachlose Ursache und die wurzellose Wurzel, ist selbst aber in der Kausalkette von Ursache und Wirkung nicht eingebunden und verstrickt. Es ist das Noumenon aller Noumena, das allen Erscheinungen zugrunde liegen muss und ihnen ihren spezifischen Schatten von Realität zuweist, den wir aber auf unserem Wahrnehmungsniveau nicht zu erkennen imstande sind.
Auch hierzu ein Beispiel. Die im goldhaltigen Quarz verteilte Goldatome sind für das bloße Auge des Bergmannes nicht erkennbar. Und doch weiß er präzise, dass sie im Muttergestein vorhanden sind und dem Rohgestein erst den entsprechenden Wert verleihen. Die Beziehung zwischen dem Noumenon und der Erscheinung ist ähnlich der von Gold und goldhaltigem Quarz. Während jedoch der Bergmann weiß, wie aus dem Muttergestein extrahiertes Gold aussieht, haben wir auf unserem gegenwärtigen Wahrnehmungsniveau keine Ahnung von der Realität der Dinge hinter dem alles verhüllenden Schleier der Maya. Wir sind nur imstande, einzelne manifestierte Aspekte dieser Realität zu erfassen. (Secret Doctrin, I, S. 45) …
Wir können Gott nicht wie die alltäglichen Dinge um uns herum wahrnehmen. Denn das göttliche Prinzip ist selbst der Wissende; und der Wissende kann nicht Gegenstand des eigenen Wissens sein. So kann zum Beispiel ein Finger sich nicht selbst anfassen und Feuer nicht aus sich selbst heraus brennen. „Gott ist selbst die Weisheit, der Gegenstand der Weisheit, etwas, das nicht durch Weisheit erlangt werden kann“ (Gita, XIII). Daher heißt es auch, dass man im Dhyana-Zustand der Meditation in das Licht eintritt ohne die Flamme zu berühren. Das entspricht der Erfahrung des EINS=SEINS mit allen Wesen. In Samadhi, „verliert der Asket jedes Gefühl von Individualität, seiner eigenen eingeschlossen. Er wird – ALLES.“ Der Wahrnehmende, die Wahrnehmung und der Gegenstand der Wahrnehmung werden EINS.
In der Stimme der Stille heißt es dazu: „Schau nach innen: Du bist Buddha.“ Das soll darauf verweisen, dass wir potenzielle oder werdende Götter sind. Spirituelle Entwicklung ist ohne enge Verbindung mit dem Gott in einem selbst unmöglich. Die Stimme des Gewissens ist die Stimme des Höheren Selbst. Je mehr wir ihr Aufmerksamkeit gewähren, um so deutlicher wird sie zu uns sprechen“ …
Mr. Judge gibt dazu folgenden Ratschlag (Letters that Have Helped Me):
Hier eine Empfehlung, wie sie von schon vielen Adepten gegeben wurde. Täglich und so oft wie es dir nur möglich ist, und vor dem Einschlafen und nach dem Aufwachen – DENKE, DENKE, DENKE über die Wahrheit nach, dass du nicht Körper, Gehirn oder der astrale Mensch bist, dass du vielmehr DAS bist, und dass „DAS“ die Erhabene Seele ist … Wenn du diese Art Betrachtung beibehältst, wenn du jeden Abend deine täglichen Gedanken vor den Richterstuhl deines Höheren Selbst stellst, wirst du schließlich das LICHT erlangen.
…
Kontakt zum Herausgeber: bomolt(at)vsnl(dot)com
Zuletzt aktualisiert: 03.10.2007 von Heinz Knotek