Alte „DDR-Tugend“ treibt Politikverdrossenheit weiter voran
Lavieren – das war ein prägendes Element der Sozialisierung junger Menschen unter den Bedingungen der sozialistischen DDR-Diktatur. Lavieren zwischen einem äußerlichen so tun als ob und dem gleichzeitigen inneren Verweigern und Ganzanderssein. Merkel ist geborene Meisterin im Lavieren. Schon als Studentin konnte sie sich so als verlängerten Arm der SED-Leitung ihres Studentenwohnheimes etablieren, obwohl sie kein SED-Mitglied war und keinen Hehl aus ihrer evangelischen Herkunft machte. Bis zum Untergang der DDR ist sie damit gut gefahren. Gründe zum Protest, Widerstand oder Gehen sah sie offenbar nicht.
Gründe zum Protest, Widerstand oder Gehen
sah Merkel offenbar nicht
Funktionärsgehilfen wie Merkel dienten dem Unrechtssystem als pseudodemokratisches Deckmäntelchen, nach dem Motto: Schaut nur, selbst Andersdenkende können bei uns zu Amt und Würden kommen1. Kein Wunder – ausgeprägtes Lavieren ohne sich zu sehr festzulegen gilt als prägendes Element der Merkeladministration. Inzwischen laviert Merkel zwischen dem eigenen Machterhalt und Wirtschaftsinteressen. Das treibt eine verbreitete Politikverdrossenheit weiter voran.
Wenn etwa ein privater Rechtsstreit ewig nicht zur Entscheidung kommt mag es am Ende selbst den Verlierer erleichtern wenn es schließlich vorbei ist. Ein ständiger Schwebezustand zehrt aus, ermüdet, erschöpft. Der begabte Lavierer weiß davon und setzt diesen Mechanismus gezielt ein. Dazu braucht es Nerven wie Stahl und wenig oder gar keine Gefühle. Stahlharte Nerven gepaart mit kristallisierter Gefühlskälte machen den sich äußerlich gern unscheinbar gebenden Lavierer scheinbar unüberwindlich.
Kaum stürzt die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen, schon bescheinigen die Medien Merkel das abrupte Umschalten in den Wahlkampfmodus. Gerade erst das zehrende Lavieren um ihre Bundespräsidenten, zuvor das unvermittelte Lavieren in den überstürzten Atomsausstieg. Jetzt Lavieren in den Wahlkampf. Lavieren als Programm und roter Faden. Inhalte? Visionen? Nachhaltige Pogramme? Fehlanzeige. Aus gutem Grund war die Politikverdrossenheit nie so verbreitet wie jetzt.
In der DDR diente die gesellschaftliche Schizophrenie des alltäglichen Lavierens der Selbsterhaltung und des einigermaßen bequemen Einrichtens in einer gefährlichen von Schießbefehl und Überwachung geprägten Umwelt. Womöglich ist aber gerade daran die DDR mit zerbrochen. Denn das Lavieren zwischen Schein und Sein gepaart mit selbsterfüllendem Gehorsam unter Androhung roher Gewalt führte in Politik, Wirtschaft und Verwaltung zu einem fatalen Realitätsverlust. Am Ende blieb nur die Implosion des Systems.
Ständiges Lavieren führt zur
Abstumpfung der Wahrnehmungsfähigkeit
In einer demokratischen Marktwirtschaft kann das persönliche Lavieren der Regierenden zwar schon mal den einen oder anderen Industriezweig ins Wanken bringen, wie etwa jüngst die Energiewirtschaft durch die populistische „Energiewende“ der Bundesregierung. Doch ansonsten beschränken sich die Einflussmöglichkeiten systemisch bedingt auf mehr oder weniger wirksame Regulierungsmaßnahmen. Doch wie in der Diktatur führt auch in der Demokratie ständiges politisches Lavieren bei den Menschen zu einer Abstumpfung der Wahrnehmungsfähigkeit und Aufnahmebereitschaft. Die Folge ist Politikverdrossenheit, was unterschwellig zugleich einer Demokratiemüdigkeit gleichkommt. Beispiel Finanzkrise: Der xyz-te Aufguss des Rituals erleichtert lächelnder Politikergesichter über eine „mühsam“ ausgehandelte „Rettung im letzten Moment“ aus denen oft nur Stunden später betroffene Minen werden die plötzlich wieder vor der noch nicht gebannten Gefahr des Euro-Untergangs warnen, kann nur eines bewirken, kopfschüttelndes Abwenden.
Aber genau dieses erschöpfte Resignieren will der Lavierer erreichen. Das ist sein Programm. Gegenkräfte frühzeitig abstumpfen. Widersacher ins Leere laufen lassen, bis es ihnen zu viel wird. Es ist das Märchen vom ewigen Machterhalt. Dumm nur, dass in die Leere die vernünftig denkende, sich abwendende Wähler hinterlassen, der politische Extremismus Einzug hält. Das unglaubwürdige Lavieren der Politiker der Weimarer Republik schuf den Nährboden für die braune Diktatur. Damals zumindest führte das Lavieren direkt in den Abgrund. HEINZ KNOTEK
- Um das Unrechtsregime nach außen mit einem pseudodemokratischen Anstrich zu präsentieren unterhielt die SED ein System so genannter Blockparteien, im Volksmund als „Blockflöten“ bezeichnet. Eine Anspielung auf die Tatsache, dass die Blockparteien nach der SED-Pfeife zu tanzen hatten. Unter den „Blockflöten“ gab es auch eine CDU, die jedoch trotz suggestiver Namensgleichheit nichts mit der demokratischen Volkspartei in Westdeutschland zu tun hatte. ↩
Zuletzt aktualisiert: 01.08.2014 von Heinz Knotek