Ob den 10.000 entlassenen, vornehmlich weiblichen und schlecht bezahlten, ehemaligen Schlecker-Mitarbeitern noch die selbstgerechte Gutsherren-Rhetorik von Bundespräsident Gauck anlässlich seiner Amtseinführung in den Ohren klingt? Die Worthülse „voller Stolz auf die Demokratie zu sein, Mut für die Zukunft und Vertrauen in sich selbst haben“ dürfte dann ihre Verbitterung eher noch verstärken. Zu Schlecker fällt Gauck gerade keine neue Wortgewaltigkeit ein. Dafür dem Kopf vom politischen Wesen, dessen machtpolitischen Wurmfortsatz Gauck verzückt in seinem neuen Amt repräsentiert. Bundeskanzlerin Merkel findet es gut, den 10.000 Schlecker-Mitarbeitern eine Übergangsregelung zu verweigern: „Eine Transfergesellschaft ist ein Mittel aus einer anderen beschäftigungspolitischen Zeit1“. Gauck und Merkel erweisen sich damit als die neuen Mauerbauer der Gesellschaft.
Im gesamtgesellschaftlichen Kontext schreiendes Unrecht
Viele der Frauen haben verhärmte Gesichter. Das karge Einkommen als Verkäuferin bei der Drogeriemarktkette Schlecker diente nicht selten dazu, schwierige wirtschaftliche Verhältnisse der Familie irgendwie zu meistern. Jetzt ist auch diese Einnahmequelle am Versiegen. Solche Frauen stehen jetzt vor den Kameras, verzweifelt, und leise, fast zaghaft anklagend: wir sind so enttäuscht. Da helfen keine Gauck-Rhetorik und kein Merkel-Lavieren. Diese Menschenmassen werden kaltschnäuzig sich selbst überlassen. Vor ihnen wird eine sozialpolitische Mauer hochgezogen, die sie trennt von denen in der Gesellschaft, die Arbeit und damit die Chance auf ein menschenwürdiges Dasein haben.
Obwohl – ordnungspolitisch ist es in der Tat eigentlich ein alltägliches Phänomen einer Marktwirtschaft, dass Firmen pleite gehen, Menschen ihren Job verlieren und sie in der Folge Sozialleistungen beantragen und sich um einen neuen Job kümmern müssen. Doch in einer Wirtschaftsordnung, in der Arbeitslosenzahlen damit geschönt werden, dass Millionen Menschen sich mit Minijobs am Rande des Existenzminimums über Wasser halten müssen, haben Massen gering qualifizierter Verkaufshilfen wenig zu erhoffen. Aus Sicht der Betroffenen kann das als Schicksal oder „schlechtes Karma“ durchgehen. Doch im gesamtgesellschaftlichen Kontext ist es schreiendes Unrecht. Für eine Transfergesellschaft für 10.000 ehemalige Schlecker-Mitarbeiter gibt es also kein Geld. ABER…
- … ein moralisch gestürzter Bundespräsident bekommt lebenslang drei Büros, Sekretärin und einen dicken Dienstwagen bezahlt.
- … für einen verfassungsrechtlich umstrittenen Kriegseinsatz von ein paar tausend Bundeswehrsoldaten in Afghanistan wird jährlich über eine Milliarde Euro ausgegeben.
- … für die wegen mehrere Wirtschaftsvergehen angeklagte ehemalige Ministerpräsidentin der Ukraine werden Mittel zum Freikauf bereitgehalten – schließlich leidet die Frau unter starken Rückenschmerzen.
- … für marode Banken und korrupte europäische Volkswirtschaften werden Rettungsschirme in Billionen-Höhe aufgespannt.
Diese „aber“ stehen den ehemaligen Schlecker-Frauen vor Augen. Sie fühlen sich deswegen ungerecht behandelt – aufgegeben, verlassen, abgeschoben. Von wem? Von demokratisch gewählten Herrschaften – und damit auf subtile Weise auch von dieser Demokratie selbst. Gaucks autistoide Belehrungen und Merkels lavierende Sachlichkeit gehen weit an der gesellschaftlichen Realität vorbei. Die neue Mauer die dadurch entsteht, die Land und Leute scheinbar zu Objekten machtpolitischen Kalküls macht, öffnet dem politischen Extremismus Tür und Tor. Wenn 10.000 enttäuschte Arbeitslose den Wahlen fern bleiben erhöht sich automatisch der Stimmanteil der Extremisten. Wehret den Anfängen, aber nicht duch eitle Worte, sondern durch Taten – gern auch geprägt von christlicher Barmherzigkeit. HEINZ KNOTEK
- Ob sich Merkel dabei auf die SOZIALE MARKTWIRTSCHAFT der Vorwendezeit bezieht, die sie aus eigenem Erleben nicht kennt, da sie zu der Zeit dem SED-Regime als Propaganda-Funtionärin diente? ↩
Zuletzt aktualisiert: 26.08.2015 von Heinz Knotek