Bei manchen Leuten mit einem materialistischen oder kirchenchristlichen Weltbild rufen einige praktische Aspekte der These von Karma und Reinkarnation helle Empörung hervor. Etwa die, dass die eigenen Kinder, die – zumindest im Kleinkindzustand – doch so zweifelsfrei „unschuldig“ wirken, früher Mörder oder Peiniger gewesen sein könnten, noch dazu zu den eigenen Geschwistern.
Weg in die oder aus der Hölle? (Foto: PixelQuelle.de)
Aber alle Mörder und Peiniger, obwohl einst auch „süße“ Babies, konnten dennoch nicht gehindert werden, eine Plage für die Menschheit zu werden.
Im Roman DER ROTE LÖWE von Maria Szepes findet sich im Kapitel „Der Marburger Professor“ Nachdenkenswertes dazu:
So trat ich also in die Dienste von Rochards Freund, als sein Schüler und Diener, ich, der ich Rochards Mörder war. Das hört sich entsetzlich an, nicht wahr? Er teilte mit mir seine Malzeiten, ich schlief neben seinem Zimmer, und obwohl seine Ablehnung gelegentlich aufgrund meiner merkwürdigen altklugen Äußerungen wieder wach wurde, tat ich ihm irgendwie leid, und er gewann mich lieb mit dem Überfluss seines einsamen Lebens, obwohl die Merkwürdigkeit dieser Situation nur darin lag, dass ich WUSSTE, wer ich war, und dass ich mich ERINNERTE. Ansonsten begegnen sich Millionen von Menschen ohne Wissen und ohne Erinnerung, in einem neuen Körper, die sich in ihrem früheren Leben gegenseitig gequält, beraubt, zu Tode gehetzt, verflucht und umgebracht haben. Mütter bringen ihren größten Feind zur Welt und legen ihn ins gleiche Bett wie Bruder und Schwester, der oder die vielleicht des anderen Henker gewesen. Was mich betraf, war ich bereits ein weniger gefährlicher Zeitgenosse als irgendein Amokläufer dieser Art, in dem die Rache der Vergeltung gelähmt schlummerte und gelegentlich unerwartet aus ihm hervorbrach und auf denjenigen niedersauste, der ihm etwas schuldig war. Ich war jetzt unfähig zu töten durch jenes entsetzliche Ereignis, das die Wahrheit in mir keimen ließ, nämlich dass ich mich selbst richtete, wenn ich jemanden umbrachte. Ich hätte es nicht fertig gebracht, zu stehlen und zu rauben, weil ich überzeugt war, dass ich mich durch Diebstahl nur selbst der sanften Geschenke beraubte, die mir der ordnungsgemäße Ablauf der Entwicklung bot. Ich wollte nichts mehr als frei sein und jene Formel finden, die mir dazu verhalf, mich von der Hölle zu erlösen.
(Zitat mit freundlicher Genehmigung der Autorin.)
Das Zitat vermittelt auch eine mögliche Erklärung, warum wir uns nicht an frühere Inkarnationen erinnern können. Der sanfte Schleier des Vergessens ist ein heilsamer Schutz. Ist es doch oft schwer, die Komplexität des JETZIGEN Daseins zu verkraften. Das Wissen um die Last früherer Ereignisse könnte da leicht erdrückend wirken, zumal wenn sie schuldhaften Charakter haben. Zudem hat das Wissen um karmische Ursachen allein KEINE lösende Wirkung. Ein Herumstochern und Manuipulieren in dieser Richtung ist also nicht sinnvoll. Und wer sich nicht erinnern KANN, sollte vielleicht froh darum sein.
Zuletzt aktualisiert: 04.02.2007 von Heinz Knotek