Mohrenkopf und Muselmann zu sagen oder zu schreiben, ja aus älteren Märchenausgaben vorzulesen, gilt als rassistisch. Man ist schließlich strikt aufgeschlossen und offen für alle möglichen Ideen.
Doch das weltweite Spionieren, Säbelrasseln und Kriegführen im Namen von Demokratie und Freiheit nach den Vorstellungen des westlichen Kulturkreises entlarvt diese Aufgeschlossenheit als verkappten Neo-Kolonialismus 2.0.
Der alte Umgang „von oben herab“ ist geblieben
Als es noch Kolonialmächte gab – bis Mitte des 20. Jahrhunderts – wurden die Einwohner der Kolonien von oben herab als zweitklassige Menschen behandelt und zumeist als billige Arbeitssklaven benutzt. Hinzu kamen rassistische Ressentiments, wonach Farbige intellektuell und kulturell als „primitiv“ galten. Nachdem sich die Völker ihrer Kolonialherren entledigt hatten und aus den Kolonien souveräne Staaten wurden, galten parlamentarische Demokratie und freie Marktwirtschaft – im Stile der ehemaligen Kolonialmächte – als alternativlose Blaupausen für die eigene gesellschaftliche Entwicklung. Die ehemaligen „Untertanen“ versuchten also in Politik und Wirtschaft so zu werden wie ihre ehemaligen „Herren“. Das schien der schnellste Weg zu sein, um in den eigenen Ländern ähnliche Lebensumstände erreichen zu können. Und musste doch häufig naturgesetzlich scheitern.
Tradition, Kultur und Religion kollidierten oft mit einer den Hedonismus predigenden Wirtschaftsform und eines den Wettstreit der Ideen favorisierenden politischen Systems. Etwa in einer seit archaischen Zeiten vom Patriarchat geprägten Stammeskultur, die von einem starken Oberhaupt mit harter aber als gerecht erlebte Hand regiert wird, führt das Oktroyieren einer parlamentarischen Demokratie und die Einführung eines auf ungezügelten Konsum basierenden Wirtschaftssystems unvermeidlich erst zur Auflösung der alten Strukturen und, nach anfänglicher Begeisterung ob der gewonnenen Freiheit, zu einem fortschreitenden Versinken der Gesellschaft in vorzeitliche Barbarei nach dem Prinzip JEDER GEGEN JEDEN.
Statt zu anzuerkennen, dass das Demokratiemodell nur auf einer einigermaßen soliden Wirtschaft verbunden mit einem hohen Maß an gelebter Toleranz als gesellschaftlichen Konsens funktionieren kann, es also beim Fehlen dieser Voraussetzungen es den Völkern überlassen bleiben muss ANDERE Herrschaftsformen zuzulassen, wird mit allen Mitteln versucht, lebensunfähige Regimes am Leben zu erhalten, wenn diese nur überzeugend genug bekennen sich für Demokratie einsetzen zu wollen und – wenn es den politischen, militärischen und wirtschaftlichen Interessen der „erfahrenen“ Demokratien ins Konzept passt. Der alte Umgang „von oben herab“ ist also geblieben wie er war, jedoch versehen mit geschickter Instrumentalisierung von hehren Motiven, wie den Einsatz für Menschenrechte und Freiheit.
Chance auf würdevolle Selbstverwirklichung
In einem Kulturkreis, in dem es gesellschaftlicher Konsens ist, dass derjenige, der sich um Toleranz und Ausgleich bemüht als Schwächling zu verachten ist und dafür bestraft werden kann, ist eine Forderung nach Demokratie und Freiheit schlicht Ausdruck von Ignoranz, wenn nicht Arroganz. Wer es dennoch versucht, wird mit dieser anmaßenden Haltung das Land nur in die Barbarei zurückschleudern. Wenn wir es mit unserem „Mohrenkopfverbot“ ernst meinen würden, dann müssten wir zuerst aufhören unsere Vorstellungen von Demokratie und Freiheit anderen Völkern aufzudrängen. Stattdessen sollten wir dem Einzelnen, der glaubhaft machen kann, dass er sein Leben gemäß unserer gesellschaftlicher Normen von Freiheit, Toleranz und Gemeinsinn führen will, was ihm in seiner Heimat aber verwehrt wird, eine Chance auf würdevolle Selbstverwirklichung geben. HEINZ KNOTEK
Zuletzt aktualisiert: 07.09.2013 von Heinz Knotek