Wenn das Wahlvolk die Wahllokale meidet, etwa wie den Bäcker, wenn der eines Tages statt frischer Baguettes Kochtöpfe anbieten sollte, kann theoretisch einer ansonsten unbedeutenden politisch extremen – zum Beispiel rechtsradikalen – Randgruppe aufgrund geringer Wahlbeteiligung plötzlich die Regierungsgewalt zufallen.
Deutschland würde sich dann unvermittelt in ägyptischen Verhältnissen wiederfinden. Die Mehrheit der Menschen würde die Regierung vehement ablehnen. Was nun, wenn diese Regierung sofort damit beginnt, die parlamentarische Mehrheit für den Umbau der Demokratie zu nutzen, hin zu einem Ein-Parteien-System, IHREM Ein-Parteien-System? Was dann tun?
Eine Schwachstelle des Demokratie-Konzeptes
Es mutet makaber an, wenn sich der Westen oberlehrerhaft als Hüter der reinen Demokratie gibt und sich für eine „demokratisch gewählte“ Gruppierung stark macht, den organisierten Salafisten, die hierzulande als terrorverdächtig eingestuft und von den Sicherheitsbehörden gesetzeskonform verstärkt „beobachtet“ werden. In Ägypten hat diese Gruppierung das eher oberflächliche Demokratieverständnis der Massen nutzend sich mehrheitlich wählen lassen, um sogleich eben diese säkulare Ordnung, die eine solche Wahl erst ermöglicht hat, abzuschaffen und eine religiös motivierte Diktatur zu errichten.
Die Entwicklung in Ägypten offenbart eine Schwachstelle des Demokratie-Konzeptes, die auch in Deutschland wirksam werden könnte, wenn sich die Mehrheit von den immer weniger unterscheidbaren Parteien abwendet und den Wahllokalen fern bleibt. Fehlendes Demokratieverständnis (Ägypten) und Parteienverdruss (hierzulande) können dann zu gleichen Resultaten führen – eine Demontage der Demokratie.
In Ägypten wird nun über einen – wesenhaft undemokratischen – Militärputsch versucht, wieder eine demokratische Ordnung herbeizuführen. Zumindest wird das von den Aktivisten so propagiert. Wie aber sollte ein Land reagieren, wenn eine aus Politikverdruss an die Macht gekommene Gruppierung sich an die Zerschlagung der Demokratie macht – im Namen eben dieser Demokratie? Sollen wir dann darauf hoffen, dass der nach Hygieneartikelwerbung klingende Slogan „Wir. Dienen. Deutschland.“ Praktisch umgesetzt wird, die Bundeswehr einen Militärputsch durchführt, die demokratisch gewählte Gruppierung per Dekret verboten wird und die dann aufgerüttelten Massen eine zweite Wahlchance bekommen?
In einem „Wort zum Sonntag“ hat eine Pfarrerin angesichts der Tatsache, dass in Ägypten alle gesellschaftlichen Gruppen, also nicht nur die Salafisten, sich an Gewaltexzessen beteiligt haben, festgestellt, dass einem nichts anderes übrig bleibt als für Frieden und Gewaltlosigkeit kraftvoll zu beten. Beten sei, so die Pfarrerin, keineswegs Ausdruck von Schwäche und Resignation, wenn – sinngemäß – man es nur inbrünstig genug tun würde. Damit reflektiert die TV-Predigerin in christlicher Terminologie einen philosophischen Aspekt der Weisheitslehren, demzufolge ALLE Phänomene der materiellen Daseinsebene ihren Ausgangspunkt auf der mental-astralen Daseinsebene haben, also in unserem eigenen Denken und Fühlen.
„Thy mind creates the world“
Alles – wirklich alles – was wir in der Welt materieller Phänomene wahrnehmen, hat seinen Ausgangspunkt auch in UNSEREM Denken und Fühlen. Die Konflikte und das Leiden der Welt sind zu einem gewissen Grad auch Produkte unseres Denkvermögens. Wenn dem – hypothetisch – so ist, dann sollten wir – jeder auf seine spirituelle Art und Weise – die Krise in Ägypten und alles Leid dieser Welt immer wieder zum Anlass nehmen, das eigene Fühlen und Denken einer radikalen „Pazifizierung“ zu unterziehen. Nicht ohne Grund sagt Buddha Shakyamuni: Thy mind creates the world. Und vielleicht gibt es dann beim „Bäcker“ bald wieder weniger Kochtöpfe und mehr Brötchen im Angebot. HEINZ KNOTEK
Zuletzt aktualisiert: 18.08.2013 von Heinz Knotek