Schon beim ersten Morgenkaffee mit Blick in die Nachrichten-Feeds im neuen Jahr wird einem schlecht. Suggestive Wortspiele, Schüren von Feindschaft und Angst – Russlandkrise und die „Annexion der Krim“. Weiter also im Propagandastil und mit offen hemmungsloser Feinbildpropaganda? Und das von einst für ihren investigativen systemkritischen Journalismus geschätzten Medien. Zugleich lässt eine erschütternd maskenhafte Angela Merkel die „FDJ-Sekretärin für SED-Propaganda“ raus. Wie schon 1989 hat Merkel wenig mit Demonstrationen von Mitbürgern zu tun. Man mag mit der PEGIDA-Aktion nicht sympathisieren. Aber zu respektieren hat man die beteiligten Menschen, wenn man selbst politischen Respekt verdienen will. Wenigstens fielen in der Silvesternacht auf Donezk keine Granaten der zukünftig „stärksten Armee Europas“. Was aber trügerische Stille vor dem Sturm sein könnte. Trügerisch auch die mediale Stille um TTIP, TiSA & Co, wo doch Russlandkrise und TTIP zwei Seiten einer Medaille sind: EU zum willfährigen Werkzeug des globalen Weltführers machen.
Manipulative Pflege eines verheerenden Russlandbildes erinnert an die Praxis von Zeitungen und Fernsehen in der DDR im Umgang mit „Klassenfeind BRD“
Der konzertierte Neujahrsknaller der „Leitmedien“: Zum Jahreswechsel verhöhnten SZ, FAZ, FOCUS, SPON, ZEIT und WELT ihre Leser noch einmal mit einer im Chor vorgetragenen frechen Lüge, die symptomatisch für ein ganzes Jahr Propaganda und Desinformation steht. Mit keinem Wort hat Putin in seiner Neujahrsansprache von Annexion gesprochen. Tatsächlich bezog er sich auf die Sezessionsbestrebungen der Krim und die dort abgehaltene Volksabstimmung die schließlich zur Eingliederung der Halbinsel in russisches Staatsgebiet führte. Die Trennung von der Ukraine durch Volksentscheid bewerten Völkerrechtler zwiespältig, weitgehend Einigkeit besteht jedoch darin, dass es sich dabei so wenig um eine blanke Annexion handelt wie das referendumlose Lostrennen des Kosovo von Serbien, das durch militärische Angriffe der NATO auf Serbien orchestriert und katalysiert wurde.
ZDF-Satire über „Qualitätsjournalismus“ und „NATO-Pressestellen“1
© ZDF
Die stetige manipulative Pflege eines verheerenden Russlandbildes erinnert an die Praxis von Zeitungen und Fernsehen in der DDR im Umgang mit dem „Klassenfeind BRD“. Wurde von dort berichtet, dann grundsätzlich nur Schlechtes, Angstmachendes, Bedrückendes – in Grau- und Schwarztönen. Ausnahmen gab es nur dann, wenn auf die eine oder andere Weise ein DKP-Mitglied sich für geplagte Mitmenschen engagiert hatte. Kein Mensch mit klarem Verstand nahm das ernst. Kein Mensch las das, wenn er es nicht beruflich bedingt musste. Jeder versuchte stattdessen, sich – je nach Wohnlage – mit westdeutschen Radio- und TV-Sendungen zu versorgen. Was für ein paradiesischer medialer Zustand, mag man heute denken. Der Unterschied zu damals: Die tägliche Feinbildpropagierung wird nicht belächelt und ignoriert – sie funktioniert.
Meinungsbildung und Ukraine-Krise
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Obwohl zunehmend „Internet, Telefon und Fernsehen jetzt eins werden“, wie die Telekom für ihre IP-Telefonie wirbt, also die Informationen de facto auf dem Couchtisch mundgerecht serviert werden, wenn man sie nur anfordert, mangelt es dem zeitgenössischen Medienkonsumenten – anders als dem historischen DDR-Konsumenten – am skeptischen Unterscheidungsvermögen bei der Rezeption und an der geschickten Tatkraft, sich Alternativen zu realisieren. Es gibt Leute, die sehen auch dahinter eine Absicht. Mit Blödelinhalten überflutete Medienkonsumenten haben gerade noch die Kraft, in der Werbepause im Kühlschrank nach Essbarem zu suchen. Mehr nicht.
Faschistoider Fackelzug in Kiew –
keiner kritischen Würdigung in den Leitmedien würdig.
Fackelzug ukrainischer Nationalisten zum Geburtstag von Stepan #Bandera. #Ukraine pic.twitter.com/9D9uJQVRtU
— roman (@romanovic14) January 1, 2015
Wenn dem so wäre, dann ließe sich auch erklären, warum TTIP insgeheim verhandelt werden muss. Um jeden Preis muss verhindert werden, dass die Medienkonsumenten auch nur erahnen, dass es mit TTIP direkt zurück in die imperiale Vergangenheit geht – nicht des eigenen Landes oder der EU, sondern des Weltführers, der zu diesem Zweck mit allen psychologischen Mitteln eben diese Konsumenten für die „Entnationalisierung Europas sowie den Krieg gegen Familie und Polarität der Geschlechter2“ willig zu machen gedenkt.
Stetige manipulative Pflege eines verheerenden Russlandbildes
© ZDF 2014
Treiben wir also wie Korken hoffnunglos und verloren auf der bewegten, von kräftigen Wellenmachern aufgewühlten See der Weltpolitik? Es liegt an uns. Wir müssen lediglich die Informationskost suchen und uns via Internet zukommen lassen – solange sie noch geliefert wird. Keinen 10 Meter hoher Mast für die Westantenne müssen wir dabei riskant auf dem Dach installieren. Ein Knopfdruck genügt und man erhält etwa eine glaubürdige Informations-Alternative zu den orchestrierten Schmähberichten über ostukrainische Separatisten-Bösewichte, die sich den mit Hakenkreuzen geschmückten Kiewer Milizen bei ihrem „Kampf für EU-Werte“ widersetzen: Oliver Stone: “Putsch & Massaker 2014 in Kiew – CIA-Fingerabdrücke überall”. HEINZ KNOTEK
Zuletzt aktualisiert: 03.01.2015 von Heinz Knotek