Syrien steht im Weg – also fällt es. Ägypten ist zu stark – also wird es schwach. Die Entwicklung im Nahen Osten ist geradezu klischeehaft ein Lehrbeispiel für eine Politik ganz im Stil von Niccolò Machiavelli. Die Grundlagen dazu wurden – ebenfalls im Machiavellischen Sinne – mit der Invasion westlicher Truppen in Afghanistan gelegt. Seitdem brennen die Südränder Russlands, die westliche Provinz Chinas und die Region um Pakistan sowieso. Wasser auf die Mühlen der Verschwörungstheoretiker? Doch es ist fraglich, ob es eine gezielte Operation „Niccolò“ zur langfristigen Destabilisierung des Nahen Ostens und der Welt gibt. Aber: gut 20 Jahre nach einer Welle von nationalen Unabhängigkeitserklärungen wird die nationale Unabhängigkeit souveräner Staaten mehr und mehr zum Spielball machtpolitischer Interessen.
Auslösen einer weitgehenden Destabilisierung in Syrien
Forschungsinstitute und der eine oder andere mutige Journalist der Mainstream-Medien weisen immer wieder leise darauf hin, dass die Eskalation im Nahen Osten letztlich die absehbare Folge der völkerrechtlich fragwürdigen Invasion Afghanistans (2001) und des nicht weniger fragwürdigen gewaltsamen Sturzes der irakischen Diktatur unter Vortäuschung der Gefahr eines tatsächlich rein fiktiven Chemiewaffen-Arsenals ist.
Seitdem Mitte der 1990er Jahre die US-Regierung vereinzelte bandenmäßig organisierte Gruppen im Kosovo erst mit Uniformen und Waffen versorgte und dann mit viel medialem Aufwand zu einer Armee von Freiheitskämpfern stilisierte, konnte in der Weltöffentlichkeit erfolgreich die Brechung eines bis dahin hehren Grundsatzes eingeleitet werden: die Unantastbarkeit der Souveränität eines Staates. Ausgerechnet die USA, die schon etwa in Nicaragua und Chile hemmungslos die staatliche Souveränität verletzten, um ihnen unliebsame Regierungen zu vernichten (Chile) oder zu vertreiben (Nicaragua), erhoben sich zum Fürsprecher von Separatisten aller Art. Wobei jeweils ganz unterschiedliche Motive erkannbar waren.
Und nun Syrien. Über syrisches Staatsgebiet verläuft der kürzeste Weg nach Iran. Wer Iran vom östlichen Mittelmeer aus mit Flugzeugen und Raketen angreifen will, möchte das am liebsten auf dem kürzesten Weg tun. Ein funktionierendes Staatswesen mit einer aktiven Luftverteidigung steht dem im Weg. Es sei denn, der Staat ist ein Freund und Verbündeter des potentiellen Angreifers, der im Ernstfall den Transit seines Luftraumes zulässt. Wenn der Staat aber eher als feindselig gilt, etwa weil man Teile seines Staatsgebietes bereits seit Jahrzehnten okkupiert, dann bleiben nur noch zwei Optionen. Erstens – einen Systemwechsel initiieren, der den Feind zum Freund macht. Diese Variante kommt aufgrund des ethnischen Charakters der Feindseligkeit nicht in Frage. Dann zweitens – Auslösen einer weitgehenden Destabilisierung. Letzteres wird gerade vollzogen.
Ausgerechnet Deutschland macht begierig mit
Binnen weniger Monate werden „friedliche Demonstranten“ mit ausländischem Geld mit Kriegswaffen ausgerüstet, was automatisch den Einsatz der Armee auslösen muss. Ein in bürgerkriegsähnliche Kämpfe zerriebenes Staatswesen aber, das seine Luftabwehr plötzlich gegen hochgerüstete bewaffnete Gruppen im Inneren einsetzen muss, kann seine Lufthoheit kaum effektiv überwachen und verteidigen.
Da der Gegenstand es verlangt, so will ich nicht unterlassen, die Fürsten, die einen Staat mit Hilfe eines Teiles der Einwohner erobert haben, daran zu erinnern, daß sie sich wohl überlegen, aus welchen Gründen jene ihre Partei ergriffen haben. Geschah dies nicht aus natürlicher Zuneigung, sondern nur aus Mißvergnügen mit dem früheren Zustand, so wird man sie bei aller Mühe schwerlich als Freunde behalten, weil es unmöglich ist, sie zufriedenzustellen1.
Marodierende Clans und Warlords von ausländischen Geldgebern finanziert, werden also wahrscheinlich nachhaltig für Chaos und Unruhe sorgen. Genau darum ging es. Mission accomplished. Sollten die subversiven Angriffe auf Syrien aber tatsächlich zu einem Verschwinden des bisherigen Staates führen, wird sich zeigen, wie wenig die als „Rebellen“ protegierten Kämpfer geneigt sind, sich als dankbare Freunde ihrer ehemaligen Geldgeber zu erweisen. Zur Erinnerung: Auch die TALIBAN, heute Erzfeind der USA und zersetzendes Krebsgeschwür im öffentlichen Leben von Pakistan, sind eine destruktive Gemeinschaftsschöpfung – von USA und Pakistan.
Bemerkenswert ist, dass sich ausgerechnet Deutschland immer wieder so bereitwillig zum Fürsprecher für die Verletzung der Souveränität von Staaten einsetzt. Waren die Deutschen doch selbst einst Täter und Opfer solcher Praktiken. Mit einem fingierten polnischen Überfall auf den Sender Gleiwitz lieferte Deutschland sich selbst den Grund für ein „Zurückschießen“, um den Zweiten Weltkrieg auslösen zu können. Und in den Jahrzehnten des Kalten Krieges mussten die Deutschen an ihrer von den Weltmächten oktroyierten staatlichen Teilung leiden.
Natürlich ist es Pflicht, Menschenrechtsverletzungen anzuprangern. Natürlich sollte es zum Moralcodex einer Regierung gehören den Austausch mit Staaten kritisch zu prüfen die unsere gewohnten demokratischen Standards mit Füßen treten. Aber alles auf der Basis der Unantastbarkeit der jeweiligen staatlichen Souveränität. Nicht-demokratische Regierungsformen nur dann zu dulden, wenn es machtpolitische oder wirtschaftliche Vorteile bringt ist ebenfalls maliziöse Praxis im Sinne von Machiavelli. Außerdem: eine demokratische Regierungsform ist nicht pauschal für alle Völker und Kulturen geeignet.
Auf der Zeitachse von Kosovo über Afghanistan, Irak nach Syrien hat das kostbare Gut „staatliche Souveränität“ seine allgemein akzeptierte Unantastbarkeit eingebüßt. Regierungen und Medien, die sich diesem Trend bereitwillig ergeben, sind damit mitverantwortlich für das weitere Entflammen ganzer Regionen – im wirtschaftlichen und machtpolitischen Interesse einiger weniger Staaten. HEINZ KNOTEK
- Quelle: Niccolò Machiavelli, DER FÜRST, Kapitel: XX., Ob Festungen und vieles andere, was Fürsten zu tun pflegen, nützlich oder schädlich sind? Übersetzung aus dem Italienischen von Friedrich von Oppeln-Bronikowski, Frankfurt am Main, 1990 ↩
Zuletzt aktualisiert: 16.12.2024 von Heinz Knotek
(Zensierter, also nicht veröffentlichter) Kommentar zum Bericht „Was jetzt in Syrien passieren muss“
• http://www.sueddeutsche.de/politik/gewalt-in-damaskus-was-jetzt-in-syrien-passieren-muss-1.1421383
Kommentar:
Quelle Zitat:
• http://www.spiegel.de/politik/ausland/gewalt-in-syrien-120-000-menschen-fluechten-vor-dem-buergerkrieg-a-846308.html
Kommentar zum Bericht „Arabische Liga bietet Assad ‚freies Geleit‘ an“
• http://www.tagesschau.de/ausland/syrien1824.html
auf tagesschau.de, den die Redaktion ohne Begründung zensiert (also nicht veröffentlicht hat. Am Ende war ein auf diesen Artikel weisender Link.
Kommentar:
Nehmen wir mal an, es gäbe in den USA wieder einmal Rassenunruhen mit brennenden Stadtteilen usw. Die Nationalgarde wird eingesetzt – wie üblich. Es gibt Tote, vor allem unter den „Aufständischen“. In der Situation beschließt die UNO Sanktionen gegen die US-Regierung und die Führungskräfte des Polizeieinsatzes… So grotesk gibt sich gerade die Berichterstattung der „seriösen Medien“ über Syrien. Wenn Assad vertrieben wurde und dann die Banden auf die Christen los gehen, die bisher auf für den Nahen Osten selten harmonische Weise im Staatsgebilde integriert und beteiligt waren, dann kann man gespannt sein, wie man das dann in der Berichterstattung plausibel verkauft. Ob dann der Papst und die Merkel-Administration und unser evangelischer Bundespräsident gegen die Terroristen protestieren, deren zerstörerisches Treiben sie gerade direkt und indirekt unterstützen. Bleibt die Frage. Wer ist eigentlich Nutznießer? (Link auf diesen Artikel).
Interessant in diesem Zusammenhang das Interview mit dem Top-Nah-Ost-Kenner, Peter Scholl-Latour, auf merkur-online:
• http://www.merkur-online.de/nachrichten/politik/assad-droht-gaddafis-schicksal-2425918.html