Der kirchenchristliche Ursprung der Ostereiersitte ist unbekannt. Dennoch erfährt der dekorationsintensive Brauch erwartungsgemäß auch Ostern 2011 eine erneute Steigerung. Kaum ein Baum im öffentlichen Raum ist sicher vor einem wollüstig bunten „Gehänge“ aus grellbunten Kunststoffeiern. Es ist kein Zufall, dass das Kirchenchristentum die materielle Auferstehung seines Gottes genau auf die Zeit gelegt hat, an der die vormals „heidnischen“ Völker die zum frühlingshaften Leben wiedererwachte Natur mit Austreibungsritualen (gegen den tödlichen Winter) und Fruchtbarkeitskulten lustvoll feierten.
Osterdekoration im öffentlichen Raum – kindlich verspielt und spirituell sinnfrei. (*)
Die Mystiker, Weisen und Sucher auf dem Pfad aller Zeiten brauchten für die Auferstehung Gottes kein sinnliches Spektakel einmal im Jahr. Gott ist für sie nichts Anthropomorphes, kann daher mit den Sinnen auch nicht wahrgenommen werden, ist deshalb weder „sterblich“ noch in der Not, (wieder)auferstehen zu müssen. Gott ist wie eine Widerspiegelung, meint treffend Anna Kingsford1 in ihrem mystischen Lebenswerk: The Perfect Way or, The Finding of Christ.
All reflect God. All is every dew-drop.
We are, let us suppose, in a meadow covered with grass and flowers. It is early morning, and everything is bespangeled with dew. And in each dew-drop is everything reflected, from the sun itself down to the minutest object. All reflect God. All is every dew-drop. And God is in each individual according to his capacity for reflecting God. Each in his degree reflects God’s image. And the capacity of each, and the degree of each, depend upon the development and purity of his soul. The soul that fully reflects the sun, becomes itself a sun, the brightness of Divine glory and the express image of the Divine person. (THE PERFECT WAY, chap. The Substance of Existence)
Jeder Tropfen spiegelt Gott wieder
Angenommen wir wären eine Wiese voller Blumen. Es ist früh am Morgen und alles ist mit Tau überzogen. In jedem Tautropfen wird alles um ihn herum widergespiegelt, von der Sonne bis hin zum kleinsten Gegenstand. Jeder Tropfen spiegelt Gott wieder und so ist in jedem Tautropfen alles andere enthalten. Und so ist entsprechend Gott in jedem Einzelnen gemäß seiner Fähigkeit Gott widerzuspiegeln. Jeder spiegelt auf seine Weise ein Abbild Gottes wider. Die Fähigkeit dazu hängt von der jeweiligen Entwicklung und Reinheit der Seele ab. Eine Seele die vollständig die Sonne widerspiegelt wird selbst zu einer Sonne, zu göttlicher Herrlichkeit und eine Manifestation einer himmlischen Person.
Öffentliche Osterdekoration (*)
Die wenigen Worte haben Potenzial. Gott ist demnach als Prinzip (prinzipiell) allgegenwärtig in und um uns präsent. Aber nur in dem Maße, wie wir selbst eine geeignete „Spiegelfläche“ für sein Licht sind. Ob und wie wir das Licht Gottes reflektieren hängt von unserem „Seelenspiegel“ ab. Wem es gelungen ist, seine Seele zu einem makellosen Reflektor der göttlichen Sonne zu machen, hat Gott – oder Jesus Christus – zur Auferstehung gebracht. Er ist dann ein Mensch, der zu seinem göttlichen Ursprung auferstanden ist. Buddhisten sagen dann Buddha und Taoisten Unsterblicher zu ihm.
(*) Bild/Text/Übersetzung: Heinz Knotek
- Anna Bonus Kingsford, 1846-1888, englische Mystikerin und Theosophin ↩
Zuletzt aktualisiert: 23.04.2011 von Heinz Knotek