Dient es ihrer persönlichen Profilierung oder handfesten wirtschaftlichen Vorteilen oder beidem, dann drücken Politiker des westlichen Kulturkreises jeden – wirklich jeden – brüderlich an ihre von freiheitlich-demokratischer Selbstgerechtigkeit geschwollene Brust. Da werden in der Ukraine binnen Tagen erst mit der – immerhin landesweit einigermaßen demokratisch gewählten – Regierung Janukowitsch Verträge unterzeichnet. Stunden später verjagt ein gewalttätiger Mob – angeblich mit Milliarden aus dem Westen finanziert – diese Regierung, um eine von faschistoiden und antisemitischen Elementen durchsetzte „Übergangsregierung“ – jetzt gänzlich ohne jede demokratische Legitimation – zu installieren. Der Mob, der sich daraufhin „im Namen von Freiheit und Demokratie“ gegen die Putschisten in Bewegung setzt erfährt überraschend KEINE Sympathie. Er wird – anders als der Mob zuvor – arrogant abgemahnt, nicht Europa zu spalten. Dabei ist es die Heuchelei dieser westlichen Politiker die Europa und die Welt zu spalten droht.
„Schwere diplomatische Fehler der EU“
Den 20. März sollten politisch wache Zeitgenossen sich merken. An dem Tag bot die ZDF-Nachrichtensendung Heute-Journal eine Sternstunde objektiver und umfassender Berichterstattung zum Ukraine-Konflikt. Üblicher Weise wird in der Berichterstattung über Ukraine-Konflikt und Krimkrise tendenziös das Bild vom völkerrechtbrechenden Russland bedient. Die verdeckte Unterstützung Russlands für prorussische Aktionen in der Ukraine wird empört als Brechung des Völkerrechts gegeißelt. Den Russen wird skrupelloser aggressiver Land- und Machthunger unterstellt. Die Demonstranten werden als von Moskau ferngelenkte Marionetten diskreditiert1. Ähnliche Motive wie die der friedlichen Maidan-Demonstranten in Kiew, also Verwirklichung IHRER Vorstellungen von politischer Allianz, wird ihnen nicht ansatzweise zugestanden. Dass auch die Maidan-Aktivisten von fern unterstützt wurden, angeblich mit fünf Milliarden Dollar, wird dabei zumeist schlicht ausgebelendet.
Kai Niklasch vom ZDF-Studio Brüssel getraut sich an diesem Abend den bleiernen Mantel des etablierten embedded journalism zu lüften. Klar, sachlich und objektiv verweist er auf…
„… schwere diplomatische Fehler der EU. Denn ohne Not hat sie sich aktiv in die Politik der Ukraine eingemischt, statt dem Land einfach nur die Tür offen zu halten für den Moment in dem es den EU-Vorstellungen von Demokratie entspricht.“
Die EU-Expertin Anna Van Densky lässt Niklasch konkretisieren:
„Es hat so viele EU-Politiker gegeben, die zum Ende ihrer Amtszeit etwas vorzeigen wollten, einen erfolgreichen Abschluss sozusagen. Auch deshalb haben sie die Ukraine zu diesem Abkommen mit der EU so vehement gedrängt. Dabei hätte es dort im nächsten Jahr sowieso Präsidentschaftswahlen gegeben, vermutlich mit einem Gewinner, der Europa zugeneigt gewesen wäre.“
Schließlich sein Fazit:
„So ist die verfahrene Situation auch das Ergebnis schwerer politischer Fehler“
Warum kommen solche klaren Worte und entsprechend daraus resultierende Korrekturen im außenpolitischen Handeln nicht von unseren Politikern? Und wie steht es überhaupt mit deren „EU-Vorstellungen von Demokratie“? Der Schulterschluss mit dem smarten, redegewandten Aushängeschild der „Übergangsregierung“, Arseni Jazenjuk, mit dem der Öffentlichkeit daheim der falsche Eindruck vermittelt wird, man würde hier Milliarden an Finanzhilfen und weitreichende Assoziierungsabkommen mit einem demokratisch legitimierten Volksvertreter verhandeln, deutet auf eine bemerkenswert pragmatische Auslegung dieser „EU-Vorstellungen von Demokratie“ hin. Und spätestens jetzt sind wir Wähler betroffen und gefragt.
Denn hinter dem im Zuge eines gewaltsamen Mobs ins Amt gehievten Jazenjuk steht eine hinter vorgehaltener Hand auch von EU-Vertretern als „unappetitlich“ bezeichnete Nomenklatura. Dazu gehört ein Abgeordneter, der den TV-Chef – bislang ungestraft – verprügeln darf. Dazu gehört die Besetzung hoher Verwaltungsposten durch bekannte Oligarchen. Dazu gehört immer auch ein wenig das Zündeln mit Kriegsdrohungen. Dazu gehört das enttäuschte Beschimpfen der eigenen Soldaten, wenn diese von der Krim abrücken statt sich in aussichtslose Scharmützel mit russischen Truppen einzulassen. Und es gehören auch die zahlreich belegten faschistoiden und antisemitischen Tendenzen der Übergangsadministration dazu, über die wenn überhaupt beschwichtigend berichtet wird.
Wenn der Frieden in Europa von der Last-Minute-Pofilierungssucht einzelner EU- und Außenpolitiker abhängen kann, dann geht die eigentliche Gefahr für Europa und die Welt weniger von Ukraine-Konflikt und Krimkrise aus, sondern vom riskanten politischen Pokerspiel dieser Politiker – das so wenig demokratisch legitim(iert) ist wie deren gegenwärtig in Kiew herrschenden neuen alten Freunde. HEINZ KNOTEK
- Bedenklich ist dabei nicht die Berichterstattung über die illegitime Annexion der Krim durch Russland, sondern das fast völlige Ausblenden ursächlicher Zusammenhänge mit dem vorausgegangenen Putsch in Kiew. Bedenklich ist ebenfalls der Umgang der deutschen Leitmedien damit, dass der Außenminister eine völlig illegitime Administration, die zudem immer wieder auf eine militärische Konfrontation anspielt, ostentativ den Rücken stärkt – warum eigentlich -, da wo er doch baldige Wahlen und vor allem die Beachtung der EU-Vorstellungen von Demokratie reklamieren müsste. ↩
Zuletzt aktualisiert: 21.05.2014 von Heinz Knotek