Manchmal lässt sich etwas besser dadurch erklären, dass man beschreibt, was diese Sache NICHT ist. Seit je her war Spiritualität mit Äußerlichkeiten verbunden, zum Beispiel dem Tragen einer gelben Robe und dem Abhalten von Ritualen. Eine Person gilt als fromm, wenn sie Fastenzeiten einhält und regelmäßig einen Tempel, eine Moschee oder Kirche besucht. Ein solches Verhalten steht für wahre Spiritualität.
Nicht der Wohlstand ist wahrer Spiritualität abträglich, sondern die falsche Haltung dazu. Bild: Kô-Sen
Doch Spiritualität im Sinne der Weisheitslehren ist weder Fasten, asketisches Zähmen des Körpers, Keuschheit und äußerlicher Verzicht auf Bequemlichkeit noch der Rückzug in einen abgelegenen Ashram oder ein Kloster. Wirkliche Spiritualität ist das, was uns der Erlangung der Einheit mit dem GÖTTLICHEN einen Schritt näher bringt.
Wahre Spiritualität lässt uns INNEN nach Hilfe suchen
Heutzutage werden psychische Fähigkeiten gern fälschlicherweise mit Spiritualität gleichgesetzt. Menschen, die sich mit Feng Shui, Rückführungen, Astrologie, Geistheilen, Hypnose oder Yoga Techniken auskennen, gelten irrigerweise als spirituelle Lehrer oder Gurus. Dabei beschäftigen sich die meisten lediglich mit Symptomen und lassen die Ursachen unangetastet. Einige Anbieter dieser Techniken können durchaus sehr hilfreich sein. Etwa dass wir mit Stress besser umgehen können, unsere Ängste in den Griff bekommen oder sogar von Krankheiten geheilt werden. Doch so lange man nicht zu den Ursachen vordringt – Ehrgeiz, Feindseligkeit, Neid, Missgunst -, werden die Symptome früher oder später zurückkehren und sei es in einem anderen Gewand.
Wahre Spiritualität lässt uns INNEN nach Hilfe suchen. Spiritualität bedeutet zu lernen, für das eigene Denken und Handeln selbst verantwortlich zu sein und dann auf Missgeschick und Leid eher zu ANTWORTEN statt lediglich zu REAGIEREN. Wahre Spiritualität bedeutet, das Beste aus den jeweiligen Umständen zu machen und zu versuchen, in jeder Situation den dahinter wirksamen Lerneffekt zu erkennen.
Wahre Spiritualität bedeutet ein Leben in Selbstverleugnung zu führen. Das heißt nicht, auf Wohlstand und Bequemlichkeit zu verzichten. Vielmehr ist inmitten allen Wohlstandes eine Haltung der Besitzlosigkeit zu kultivieren und dass uns die Güter lediglich anvertraut sind. Dazu gehört aber auch die Fähigkeit, OHNE Komfort, Ruhm und im schlimmsten Fall sogar ohne menschliche Zuwendung leben zu können, wenn unser KARMA eine solche Prüfung vorsieht.
Selbstverständlich muss um Reinheit von Gedanken, Worten und Handlungen gerungen werden. Ein Akt reiner Spiritualität hat zugleich frei von Erwartungen zu sein, etwa Belohnungen. Auch darf es nicht zu Anhaftungen an das eigene Tun und geschaffene Werke kommen. Wer in Kategorien von ich habe getan denkt, ist nicht auf dem spirituellen Pfad. (Kô-Sen)1
- Freie Übertragung aus dem Englischen von Teilen eines Artikels des Magazins THE THEOSOPHICAL MOVEMENT, Vol. 78, October 2008 ↩
Zuletzt aktualisiert: 12.02.2009 von Heinz Knotek