Wie funktioniert „Schicksal“ und was kann man selbst tun
Seines Glückes Schmied?
(Symbolbild1)
Im Volksmund heißt es jeder sei seines Glückes Schmied. Läuft es einmal nicht so gut, weil man etwa von einem Missgeschick oder Unglück heimgesucht wird, dann ist die Rede von Schicksal und Zufall. Fatalistische Interpreten der Karma-Theorie sind sich dann des „schlechten Karmas“ der betreffenden Person sicher.
„Schlechtes Karma“ impliziert, dass man – mehr oder weniger – an seinen Kalamitäten selbst Schuld ist. Wie man es auch interpretiert, scheinbar sind wir bei Glück und Unglück machtlos. Dem widersprechen aber die Weisheitslehren ausdrücklich. In der Dezember-Ausgabe 2012 untersucht die Zeitschrift THE THEOSOPHICAL MOVEMENT2, wie aus Sicht der Weisheitslehren schicksalhaftes Weben funktioniert und zeigt auf, dass man dabei keineswegs machtlos ist3.
Leserfrage: Es heißt, der Mensch sei Architekt seines Schicksals. Wieso?
Übertragung aus dem Englischen von Heinz Knotek
Wir benutzen Worte wie „Schicksal“ oder „Verhängnis“ in Ermangelung plausibler rationaler Erklärungen. Was ist Schicksal? Es gibt drei Klassen von Karma: Sanchita, Agami und Prarabdha. Sanchita Karma entspricht den angesammelte Ursachen die noch nicht zur Auswirkung kommen konnten, etwa weil die gegenwärtigen Umstände und Bedingungen dazu ungeeignet sind. Agami bezeichnet die karmischen Ursachen, die wir im gegenwärtigen Leben erzeugen und die in zukünftigen Inkarnationen auf uns zurückfallen werden. Jedes re-inkarnierende Ego bringt mit der Geburt einen bestimmten Teil angesammelten Karmas mit sich ins Leben. Prarabdha-Karma ist daher der karmische Aspekt, mit dem man geboren wird und für dessen Auswirkung Zeit und Umstände nunmehr reif sind. Die karmische Wirkung erfolgt über die Lebensumstände und die physische Konditionierung. Schicksal bezeichnet zur Auswirkung „gereiftes“ Karma, das weder vorhergesagt noch verhindert werden kann. Denn wir können zum Beispiel nicht die Familie oder das Land in dem wir geboren wurden ändern. Karma in einem unumkehrbaren und unausweichlichen Sinne kann als Schicksal oder (im negativen Erlebnisfall) als Verhängnis gesehen werden.
In Unkenntnis des Karma-Gesetzes sagen wir zu unvermeidlichen Geschehnissen, sie wären „schicksalhaft vorher bestimmt.“ Doch Schicksal ist lediglich ein Auswirken kraftvoller Ursachen, auf dessen Verlauf weder wir noch andere Einfluss nehmen können.
Wer aber webt nun das Schicksalsgewebe? Wir erzeugen unser Schicksal von Augenblick zu Augenblick.
Säe einen Gedanken, ernte eine Tat; säe ein Tun, ernte eine Gewohnheit; säe eine Gewohnheit, ernte ein Schicksal.
Die Art und Weise wie jemand zum Kettenraucher wird veranschaulicht diesen Prozess eindrucksvoll. Ein Gelegenheitsraucher der anfänglich auf seine Willenskraft vertraut wird schließlich zum Gewohnheitsraucher. Soweit wir Gewohnheiten absichtlich und bewusst herausbilden wird daraus VERMEIDBARES Schicksal. Denn durch das Vermeiden (ebenfalls absichtlich und bewusst) bestimmter Gedanken, Emotionen und Handlungen können wir das sich darin potentiell verbergende Verhängnis von uns abwenden. Wie eine Spinne Faden für Faden zu einem Sinnennetz formt, webt der Mensch von Geburt bis zum Tod sein Schicksal. Ist der letzte Faden verwoben, sind wir scheinbar eingehüllt in das Gespinst unseres eigenen Tuns und fortan unter der Herrschaft des selbstgemachten Schicksals.
Schicksal und freier Wille
Schicksal und freier Wille koexistieren miteinander. Jemand mag zehn Mal nachdenken bevor er eine Entscheidung fällt. Doch hat er sich einmal entschieden, wird die Entscheidung zu seinem Schicksal, an das er gebunden ist. Unser heutiges Schicksal ist die Folge unserer Entscheidungen in der Vergangenheit. Unsere heutigen Entscheidungen bestimmen unser zukünftiges Schicksal. Entscheidet sich jemand in die richtige Richtung zu gehen, dann schreitet er voran, andernfalls bleibt er zurück. Das Schicksal wird von den guten und bösen Gedanken der Menschen gewoben. Jeder Geborene trägt in sich das Göttliche Schicksal. Jeder kann seine Freiheit weben. Er hat dazu sein Denken und Fühlen zu transformieren, um dadurch ein besseres Schicksal hervorzubringen.
Moderner Kuhstall – kleiner
Aktionsradius. Symbolbild4
Beginnt „reifes“ Karma sich auszuwirken können wir nicht viel mehr tun als es mit angemessener Haltung ZU LEBEN. Da das Karma-Gesetz wesenhaft gerecht und gnadenvoll ist, kann es nicht wirklich einen „schlechten“ Tag geben. Anstatt zu murren oder zu klagen ist eine von Akzeptanz geprägte innere Haltung gefragt. Wir können dabei sogar noch einen Schritt weiter gehen und uns sagen: Das ist nicht nur das, was ich verdiene, es ist genau das was ich mir innerlich wünsche. Die Kultivierung einer solch erhabenen Haltung der Selbstübergabe und des unerschütterlichen Vertrauens in das Karma-Gesetz ist unverzichtbar für Sucher auf dem spirituellen PFAD. Mit einer solchen Haltung werden wir in der Not nicht Zuflucht zu flehenden Fürbitten und Ritualen nehmen, in der Hoffnung damit den Verlauf der karmischen Konsequenzen zu unserem Gunsten beeinflussen zu können. Die Haltung „meins kommt zu mir zurück“ ist in aller Konsequenz anzunehmen.
Das bedeutet nun aber nicht, sich seinem Schicksal passiv und hilflos zu fügen. Wenn wir in der Lage sind die Umstände zu ändern, dann müssen wir es mit unserer ganzen Kraft tun. Niemand verlangt, dass wir arm, behindert, unwissend, schwach, unterdrückt oder in einer sonstigen Notlage verbleiben müssen. Wir können die Umstände als Rohstoff benutzen und daraus die nötige Lektion extrahieren. Intensives Bemühen kann den Einfluss karmischer Tendenzen dämpfen und verkürzen. Karma hat und dahin gebracht wo wir sind, aber es hält uns nicht hier fest.
„Karmafrei“ werden
Tatsache ist, dass wir bei unseren gegenwärtigen Entscheidungen in einem gewissen Grad von unseren früheren rechten und unrechten Taten beeinflusst werden. In anderen Worten, der freie Willen wird sowohl durch äußere Umstände als auch durch INNERE Potenziale und Zustände konditioniert und damit begrenzt – die Folge früheren Karmas. Ramakrishna Paramahamsa hat diese Situation anhand einer Kuh illustriert, die mit einem langen Seil an einem Pfahl angebunden ist. Die Kuh fühlt sich frei herumzulaufen, doch die Ausdehnung des zur Verfügung stehenden Bereichs ist beschränkt. Ähnlich würde es ich mit unserem freien Willen verhalten. Die Länge des Seils wird dabei von Gott (also dem gemäß früherer Taten wirkenden Gesetz) bestimmt.
Letztlich kann jeder sein Schicksal durch eine von vollkommenem Bewusstsein geprägte Lebenshaltung neu schreiben. Tatsächlich können wir „karmafrei“ werden, wenn unser Tun NICHT von dem Bewusstsein begleitet wird, dass „ich handle“ und indem wir uns der Spekulation über mögliche karmische Vorteile unseres Tuns enthalten. Denn dann gibt es keinen Angriffspunkt für lauernde karmische Konsequenzen.
Quelle/Herausgeber: United Lodge of Theosophists – Mumbai/India
- Deutsch: Porträt des Pat Lyon in der Schmiede, English: Pat Lyon at the Forge. Quelle: John Neagle (Public domain), via Wikimedia Commons ↩
- Vol. 4, December 2012, p. 29, Mumbai, India – Übertragung aus dem Englischen mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers ↩
- zum englischsprachigen Original: ↩
- By Blonder1984 (Own work), via Wikimedia Commons ↩
Zuletzt aktualisiert: 10.05.2013 von Heinz Knotek