Frühling ist Sinneslust pur. Zumal wenn er so sommerlich warm ist, wie noch nie. Endlich ohne dicke Jacken ins Freie gehen können. Überall pralle Knospen. Und Miniröcke erfreuen den Mann im Menschen.
Frühling – kosmisches Symbol für ANFANG. (*)
Nach den Weisheitslehren1 ist das alles – erstens – Mara, also Täuschung und – zweitens – ein Symbol. Aber Symbol wofür?
Der taoistische Mystiker Liu I-Ming stellt in seinem Werk „Zum Tao erwachen“ für die Symbolik des Frühlings eine verblüffend einfache Lösung vor. Name des Kapitels: Weizen sähen und Flachs anbauen.
Planting Wheat and Planting Flax2
Liu I-Ming, aus AWAKENING TO THE TAO
Wenn du Weizen anbaust, wirst du Weizen ernten; nimmst du Flachs – erntest du Flachs. Flachssamen bringt keine Weizen hervor. Weizen erzeugt keinen Flachs – die Samen sind verschieden.
Wenn ich das sehe, erkenne ich darin das Tao von Ursache und Wirkung. Sind die Gedanken der Leute gut, dann sind es auch deren Handlungen und Taten. Sie werden dafür gewiss Dankbarkeit erfahren. Sind die Gedanken dagegen schlecht, sind es auch Handlungen und Taten. Ungemach wird ihnen gewiss sein.
Gute und schlechte Gedanken sind die Ursache für Ereignisse, Dankbarkeit und Ungemach sind die Wirkungen dieser Ereignisse. Gibt es Ursachen, wird es gewiss auch Wirkungen dazu geben. Es ist unmöglich, dass die Frucht eines guten Samen nicht ebenfalls gut ist. Genauso wenig kann ein schlechter Samen eine gute Frucht hervorbringen. Die Konsequenzen von gut und schlecht lassen sich vergleichen mit Schatten, die einer Form folgen – sie sind gewiss und unvermeidlich.
Es ist alles eine Frage des Pflanzens von Gut oder Übel, des Differenzierens zwischen gut und schlecht. Wenn erhabene Menschen etwas tun, achten sie daher besonders auf den BEGINN. Achtsamkeit am Anfang stellt sicher, sein Tun auch vollenden zu können.
(Quelle: Awakening to th Tao, Liu I-Ming, translated by Thomas Cleary, Boston 1988)
Der Frühling weist also symbolisch auf die Bedeutung des ANFANGS allen Tuns hin. Und wie schon dort jeder selbst bestimmt, was er im „Herbst“ einfahren kann – oder nicht. Das bekannte Frühlingsgedicht von Eduard Mörike (1804-1875) wird so plötzlich zur Weisheit des Tao.
Frühling läßt sein blaues Band
Wieder flattern durch die Lüfte
Süße, wohlbekannte Düfte
Streifen ahnungsvoll das Land
Veilchen träumen schon,
Wollen balde kommen
Horch, von fern ein leiser Harfenton!
Frühling, ja du bist’s!
Dich hab ich vernommen!
(*) Text/Bild: Kô-Sen
Zuletzt aktualisiert: 09.05.2009 von Heinz Knotek