Zum Gedenken an den zweiten Todestag von Maria Szepes
Die nachfolgende Unterweisung hat eine Schülerin von Maria Szepes, die heute in Kassel lebt, in den 1970er Jahren von Maria Szepes erhalten. Damals kamen in Budapest drei bis vier Gruppen von je 10 bis 14 Teilnehmern einmal im Monat heimlich zusammen. Eingebunden in einem musischen Rahmen hat Maria die Zuhörer – die meisten im mittleren Alter – dabei in den Weisheitslehren unterwiesen.
Das Werk von Maria Szepes steht wie ein Steinblock in der astralen Brandung einer aufgewühlten Welt. (*)
Am Ende erhielten alle Teilnehmer eine Abschrift der behandelten Themen, die dann per Hand und unter konspirativen Bedingungen1 vervielfältigt und an Interessenten verteilt wurden. Die Söhne des Saturn ist ein Beispiel.
DIE SÖHNE DES SATURN2 (Teil I)
Von Maria Szepes für ihre Schüler
Zum Weisen brach der junge Schüler auf.
Er, in dem eine zehrende Flamme nach Erkenntnis loderte.
Fragen ließ er unbeantwortet.
Freundschaftlich ihm gereichte Hände wies er zurück.„Haltet mich nicht auf! Ich habe es eilig!“
sprach er und schaute durch jeden hindurch,
der ihn lieben oder festhalten wollte.„Wohin?“ fragte in ein Mädchen.
Er umarmte sie zerstreut und sah schon durch sie hindurch.
„Irgendwohin,“ warf er noch zurück, „wohin mir niemand folgen kann. Zu mir selbst!“Dennoch holte ihn die Zeit immer wieder ein, ließ ihn auf der Stelle treten. Er wechselte allein Namen und Gewand. Das ewige Feuer des Zieles verließ ihn jedoch nie auf seiner Flucht. Er wollte nichts weniger als das Wunder: Die endgültige Erfüllung.
Dann stand er eines Tages vor der Schwelle des Wissens.
Setzte sich zu Füßen des Erwachten,
zu demjenigen, dessen Augen allein nach INNEN blicken,
zu demjenigen, der außer dem Edelstein
– für Blinde unsichtbar – nichts besitzt.
„Meister!“ sprach er voll Ehrerbietung.
„Schon seid langer Zeit suche ich Dich!
Du, derjenige der sieht, weißt es:
Seitdem Dein Ruf in mir erklang
mied ich die Wirtshäuser am Wegesrand
und den Rausch der Lumpen.
Frauenkörper waren mir eine Matte,
um eine Nacht auf ihnen zu ruhen
und dann weiterzueilen.
Ich ließ kein einziges Gefühl mich
zu dessen Gefangenen machen.
Ich hatte keinen Hass.
Ich hatte niemals Liebe.
Erbarme Dich meiner!
Weihe mich in das Geheimnis ein,
das einzig Du allein kennst.
Führe mich zu meinen eigenen Wurzeln zurück!“Der Weise schwieg lange,
während die Frage den Kristall seiner inneren Stille durchdrang
und sein Auge das Auge des Schülers berührte,
jedoch dort nicht innehielt,
sondern tiefer drang.„Mache Dich auf!“ sagte er schließlich leise.
Und wenn Du die Probe,
die Dein waghalsiger Wunsch und Deine Natur Dir auferlegte,
auch nur für ein einziges Jahr bestehen bleibt,
bekommst Du alles, was Du von mir wünschst.“„Wohin soll ich gehen?“
„Unter die Menschen.“
„Was habe ich dort zu suchen? Was habe ich mit ihnen zu tun?
Doch der Meister war schon wieder verstummt.
Ein einziges Jahr! – jubelte er innerlich voller Hoffnung.
Was bedeutet schon EIN JAHR für denjenigen, der sich
schon seid Jahrtausenden auf dem Weg befand.Und so mischte er sich unter die Menschen3.
(wird fortgesetzt)
(*) Text/Teaser: Kô-Sen
- Das damals in Ungarn herrschende kommunistische Regime hatte spirituelle Zirkel und Schriften verboten. ↩
- Im ungarischen Original, Saturnus fiai. Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung der Schülerin von Maria Szepes. ↩
- Die von Freunden der Inhaberin des Textes besorgte Übersetzung wurde an einigen wenigen Stellen sprachlich behutsam angepasst. Red. ↩
Zuletzt aktualisiert: 03.09.2009 von Heinz Knotek