Dominique Strauss-Kahn.
Offizielles Porträt
Auf dem ersten Blick erinnert das Drama um Dominique Strauss-Kahn, noch bis vor einer Woche unangefochtener Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF), an das Attentat auf Alfred Herrhausen1 1989. Herrhausen und StraussKahn traten seitens der „Geberländer“ für einen großzügigen Umgang mit „Schuldnerländern“ ein und machten sich damit viele mächtige Feinde. Herrhausen verblutete am Bombensplitter einer angeblichen RAF-Bombe. In gewisser Weise verblutet gerade auch Strauss-Kahn – dessen öffentlicher Ruf und auch finanziell.
Als „Bombe“ diente hier ein Zimmermädchen. Den verlässlichen Zünder lieferten Strauss-Kahns Begierden. Weil die Explosion aber dann doch noch zu verpuffen drohte, wurde schnell der Tatzeitpunkt um eine Stunde vorgezogen. Allein die überzogene Reaktion von Polizei und Justiz zeigen, hier soll jemand nachhaltig ausgeschaltet werden. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Drama dunkle Hintermänner eines Komplotts oder Strauss-Kahns persönliches Karmas eingefädelt haben. Auf fast klischeehafte Weise demonstrieren die Ereignisse, wie Karma funktioniert: Es ist unfehlbar, selbsterfüllend, unauflöslich und gerecht.
Unfehlbarkeit
Karma wirkt unfehlbar. Es gibt auch Unfälle und Pannen im Laufe der Evolution. Doch einmal initiiertes Karma wirkt sich pünktlich und präzise aus. Wie bei einer Frucht am Baum weiß man vorher nicht, wann es soweit sein wird. Doch WENN die Frucht reif ist, löst sie sich unaufhaltsam vom Ast.
Selbsterfüllend
Einige Indizien lassen die Vermutung zu, Strauss-Kahn könnte einem Komplott zum Opfer gefallen sein. Dass er aber auf die gegebene Art und Weise zum Opfer werden konnte, hat er selbst zu verantworten. Als weltpolitisch relevante Persönlichkeit wie ein gewöhnlicher Tourist privat und ohne Personenschutz durch New York zu wandeln ist schlicht töricht. Allein schon wegen der Gefahr einer erpresserischen Entführung. Als Strauss-Kahn – alles mutmaßlich – das Hotel in Eile verlassen hatte und dabei war, sich nach Frankreich abzusetzen, hätte er, einmal am Flieger angekommen, nur noch beten müssen, dass die Maschine pünktlich abhebt. Stattdessen ruft er im Hotel wegen vergessener Habseligkeiten an und verrät dabei Standort und Reiseabsicht. Prompt und gnadenlos nutzten die „Bluthunde von Karma“ die Chance.
Auflösen – nein, entkommen – ja
Suggeriert das Gesetz von Karma und Reinkarnation ein hoffnungsloses ausgeliefert sein? Der Fall Strauss-Kahn selbst zeigt, dass es nicht so ist. Damit uns die Bluthunde unseres Karmas packen können, benötigen sie Angriffspunkte und Einfallstore. Vor allem eigene Schwächen, Unachtsamkeiten und Gelüste können sich im „falschen“ Moment als fatale Verbündete der Bluthunde erweisen. Man kann sein Karma nicht auflösen, so wie man die Wellen in einem Teich nicht stoppen kann, wenn man einen Stein hineinwirft. Ein Entkommen ist dennoch möglich. Beim See-Beispiel etwa lassen sich zwar nicht die ans Ufer drängenden Wellen stoppen. Wer trotz Steinwurf (Ursache) nasse Füße (Wirkung) vermeiden will, muss sich auf ein „höheres Niveau“ begeben, wo die Wellen nicht mehr hinreichen können. Im übertragenen Sinne ist das der einzige Weg, seinem Karma zu entkommen.
Gerecht
Wer den spiralförmig „aufwärts“ führenden Pfad des Suchers beschreitet, wird zwar immer mehr immer heftigeren Anfechtungen begegnen – offenes Karma kommt schneller zur Reife. Zugleich eröffnet sich aber auch die Chance, durch eine weisere Lebenshaltung die Angriffspunkte und Einfallstore für die Bluthunde des Karmas zu schleifen. Im Falle Strauss-Kahn hätte eine moderatere Lebensführung das Drama von New York unmöglich gemacht. Würde das Drama die Folge eines politisch motovierten Komplotts sein, wäre aber dann nicht auszuschließen, dass Strauss-Kahn wie Herrhausen enden müsste. Seine animalische Natur hat es dem Gesetz von Ursache und Wirkung (Karma) und möglichen Intriganten leicht gemacht, ihn auszuschalten. Strauss-Kahns problematisches Verhältnis zu Frauen ist bekannt. „Sein Werben grenze oft an Belästigung“, heißt es in einem Zeitungsbericht2. Am Ende hat Strauss-Kahn die Konsequenzen seiner unbeherrschten Sinnlichkeit zu tragen, egal ob die Vorwürfe der Vergewaltigung nun berechtigt sind oder nicht und all seiner Macht und Betuchtheit zum Trotz. Unfehlbare Gerechtigkeit. HEINZ KNOTEK
- Alfred Herrhausen (1930-1989), war zum Zeitpunkt seiner Ermordung Vorstandssprecher der DEUTSCHEN BANK. Herrhausen hatte sich weltweit Feindseligkeit zugezogen, weil er vor allem verschuldeten Entwicklungsländern ihre Schulden großzügig stunden wollte, um sie damit aus dem Würgegriff des internationalen Finanzkapitals zu befreien. Das Attentat am 30. November 1989 in Bad Homburg ist bis heute unaufgeklärt. Die technische Raffinesse der Durchführung des Anschlags, ungewöhnliche Details im Vorfeld und merkwürdige Ermittlungspannen im Nachgang lassen sich als Indizien dafür werten, dass das Logo RAF einem ganz anderen Täterumfeld zur Tarnung diente. ↩
- Süddeutsche Zeitung, 21. Mai 2011 ↩
Zuletzt aktualisiert: 23.05.2011 von Heinz Knotek