OZEAN – vielschichtige spirituelle Metapher

Aus: FOOD FOR THOUGHT – THE PARABLE OF THE OCEAN1

Der Begriff „Ozean“ ist eine vielschichtige spirituelle Metapher. Er symbolisiert unter anderen Weite und Tiefe. […] Aber auch das Leben im gewöhnlichen Alltag wird oft mit einem OZEAN verglichen. Ein spirituelles Ziel zu erreichen bedeutet daher „die See des Lebens“ zu überqueren oder bhavsagar. Wer jedoch mit seinem gegenwärtigen Daseinszustand zufrieden ist, hat keinen Sinn für ein spirituelles Leben.

Hinüber ans andere Ufer gelangen. Bild: Heinz Knotek

Buddha sagt über solche selbstzufriedenen weltlichen Menschen: Die Meisten drehen ihre Runden lediglich an diesem Ufer des Ozeans. Sucher auf dem spirituellen Pfad streben jedoch danach, hinüber ans andere Ufer zu gelangen. Weiterlesen

  1. Quelle: THE THEOSOPHICAL MOVEMENT, Mumbai (Indien), Ausgabe August 2012, Übertragung aus dem Englischen: Heinz Knotek, mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers, ULT India links_yellow.gif.

Zuschauer sein beim Bühnenstück, genannt „mein“ Leben

Alltägliche Rackerei - ein alchemisches Symbol. Abb. aus SPLENDOR SOLIS von Salomon rismosin (um 1582), Privatbesitz

Alltägliche Rackerei – ein alchemisches Symbol. Abb. aus SPLENDOR SOLIS von Salomon rismosin (um 1582), Privatbesitz

Bühnenstücke absor­bieren Zuschauer heute weniger als dass sie einen subti­len „Kunstgenuss“ vermitteln. Völlige Absorbierung bieten eher Computerspiele und Pop-Konzerte angesagter Megastars. W. Q. Judge würde daher heute Sure zwei der Yoga-Aphorismen des Patanjali vermutlich etwa so ins Englische übertragen1:

At the time of concentration the soul abides in the state of a player of a computer game without a computer game.

Das Bühnenstück oder Computer­spiel unserer physischen Existenz ist mental und emotional dermaßen absorbierend, dass wir es „mein Leben“ nennen und uns damit freiwillig in Geiselhaft der Projek­tionen unseres Denkens begeben. Gelingt es diesen Mechanismus zu knacken, wird Computerspiel wieder Computerspiel und die Seele frei. Weiterlesen

  1. Im Original: At the time of concentration the soul abides in the state of a spectator without a spectacle. (Los Angeles, 1987)

Der Tod am Kreuz oder Ostern, zwischen sechs und neun Uhr am Nachmittag

Multifunktionales Ostersymbol –
„die eiCloud“.
(*)

Karfreitag darf man per Gesetz aus religiöser Pietät in Deutschland nicht tanzen. An diesem Tag soll Jesus gekreuzigt worden sein und bei der Gelegenheit gleich auf alle Zeiten freiwillig die Erbsünde und Schuld aller Menschen irgendwie auf sich und dann irgendwie mit­genommen haben. Wenn letzte­res so wäre, würde es eigentlich reichlich Grund zur öffentlichen Freude geben. Dem steht jedoch ersteres gegenüber, der hypothe­tische grausame Tod am Kreuz. Das ganze Drama basiert exklusiv auf der Sammlung kanonischer Evange­lien im Neuen Testament, von denen vor allem die drei synop­ti­schen Evangelien – nach Matthäus, Markus und Lukas – durch eine eher ungehobelte Diktion auffallen.

Der Mystiker und Theosoph James Morgan Pryse (1859 – 1942) zog daraus den Schluss, dass sich die Autoren spiritueller Textvorlagen bedient haben müssen, die sie nach ihren Vorstellungen an den neuen religiösen Staatskult angepasst haben. Als Vorlage kommen nach Pryse Fragmente der Kleinen und Großen Mysterien in Frage. Zumindest theoretisch wird mit dieser These plötzlich manches klar, was bisher im Dunklen lag. Etwa, warum der Tod am Kreuz Jesus ausgerechnet nachmittags zwischen sechs und neun Uhr ereilt haben soll – ereilt haben musste. Weiterlesen

Kultur der Selbstlosigkeit (The Culture of Altruism)

Selbstlosigkeit oder Altruismus ist eine der ersten Tugenden aller spirituellen Pfade. „Selbst-Losigkeit“ steht dabei für ein Denken und Handeln, das NICHT vom persönlichen Selbst dominiert wird. Das illusorische persönliche „Selbst loszuwerden“ ist ein anstrengender und langwieriger Prozess, der aber zugleich voller Fallstricke ist. Der ernsthaft nach Altruismus Strebende muss sich nicht nur vor Sekten und Kulten in Acht nehmen, die ihm mit Techniken, Einweihungen oder „geistigen Führern“ zum Ich zurück locken.

Almosen geben gilt in vielen Religionen und Kulturkreisen volkstümlich als DER Akt der Selbstlosigkeit. Gemälde von Jacques-Louis David (1748–1825). Abb. gemeinfrei

Die größte Gefahr ist das eigene ICH selbst, das sich sprichwörtlich mit Händen und Füßen dagegen wehrt im Königreich der Selbstbehauptung vom Thron gestoßen – oder zumindest zu einer „konstitutionellen Monarchie“ degradiert – zu werden. Der Sucher hat daher eine Kultur der Selbstlosigkeit zu entwickeln. Weiterlesen

Sinn des Lebens: Buddha sehen und Wissen erwerben

Was ist der Sinn des Lebens? Aus gutem Grund wird der Buddhismus gern als atheistisch deklariert, vor allem von Vertretern jener Religionssysteme, die den Glauben an einen (ihren ganz gruppenspezifischen) anthropomorphen Gott predigen. Buddhisten dagegen empfinden die Aussicht, an einem Tag X in ihrem letzten „Knochensack1“ wiederauferstehen zu müssen eher als Strafe denn als Erlösung.

Chinese Buddhist monks performing a formal ceremony in Hangzhou, Zhejiang Province, China. Photograph: Jon Bragg

Der Buddhist wähnt sich eher als immaterielle Entität, die vorüberge­hend in einem irdischen Gewand im dichten Reich der astralen Materie wandert, das voll ist von schwierigen Verhältnissen und auf Schritt und Tritt leidvolle Schicksalsschläge bereit hält. Dennoch möchte er ausge­rech­net hier gern und auch noch lange leben. Warum? Um Buddha zu sehen (früher oder später), Wissen zu erwerben und innerlich zu wachsen. Weiterlesen

  1. Knochensack: in buddhistischen Schriften gern benutzte respektlose Metapher für die körperliche Persönlichkeit, die im Buddhismus als konditionierte, flüchtige Illusion gesehen wird; also als notwendiges Mittel, nicht aber als Zweck.

Immer intelligentere Technik lullt das Denken ein und macht phlegmatisch

Ikone des Einsiedlers Onophrios1,
4. Jh.
Abb. gemeinfrei

Ein amerikanischer Zen-Buddhist bereiste in den späten 1980er Jahren China und gelangte eines Tages an einen schwer zugänglichen Berg auf dem sich ein taoistisches Kloster voll mit empörten Mönchen befand. Die Taoisten waren erbost darüber, dass die Regie­rung in Peking ihren Berg an das Stromnetz anschließen wollte, angeblich – so die Mönche – um die Lebensbedingungen zu ver­bes­sern. Doch für die Taoisten war das harte Leben ohne zivilisatorische Bequemlichkeiten keine Last und auch nicht Ausdruck von Rückständlichkeit.

Technik und Bequemlichkeit tendieren dazu, das Denken ein­zu­lullen, die Sinne abzustumpfen und die Kreativität zu dämpfen; kurz die Persönlichkeit zu „phlegmatisieren“. Je intelligenter die Technik, um so stärker. Von den erwähnten Mönchen entzo­gen sich viele dem oktroyierten Fortschritt durch Rückzug in noch unzugänglicher Tiefen des Gebirges. Und was können wir tun? Weiterlesen

  1. Die Religionen aller Hochkulturen kennen die mystische Tradition des enthaltsamen Einsiedlers, hier aus der Zeit des Byzantinischen Reiches.

Wünschen, Hoffen, Warten – effektive astrale Bindemittel

Zum Jahresbeginn: Keine Wünsche, nicht hoffen, nicht warten

Man solle weder sich etwas wünschen oder auf etwas hoffen noch solle man warten, worauf auch immer. Diese praktischen „Faustregeln“ finden sich unter anderen in den Weisheits­lehrern aller Hochkulturen. Für den modernen Mensch, der ständig darauf aus ist sich zu verwirklichen, zu behaupten, zu beweisen und dieses reflexartige Tun als Ausdruck seines „Selbstbewusstseins“ interpretiert, sind solche Regeln jedoch grausam, dunkel, ja geradezu menschenverachtend und damit unzeitgemäß.

Man muss auch mal warten… Hauptsache dabei nichts erwarten. (*)

Dabei ist das ich-zentrierte Streben nach Selbstverwirklichung im allgemeinen Daseinskampf letztlich die Ursache aller menschenverach­tenden und grausamen Zustände auf der Welt. Und auch dafür, dass wir keinen inneren Frieden finden und hoffnungslos ans Rad von Karma und Reinkarnation gekettet sind. Wünschen, Hoffen, Warten sind dazu effektive astrale Bindemittel. Weiterlesen