Selbst sich eher „säkular“ sehende Moslems reagieren gereizt, wenn man sie auf die finsteren Absurditäten anspricht, die ihr Glauben scheinbar systemimmanent hervorbringt, etwa die ganze Palette an Menschenfeindlichkeit, Mord inklusive, die gegen alle möglichen Personengruppen gepredigt – und praktiziert – wird.
Islam – really open? Would be a really good news! (*)
Es heißt dann immer in Etwa: Das ist nicht der Islam. Das sind nur ein paar Verrückte, die den Islam falsch deuten. Genau so hatten aber immer auch gemäßigte Anhänger von Diktaturen argumentiert. Der Massenmord von Stalin etwa war demnach nicht das unvermeidliche Ergebnis der sozialistischen Diktatur, sondern lediglich unglückliche Folge des Missbrauchs der Lehre durch den irren Diktator. Dass die Folgen eines irren Diktators erst durch die sozialistische Doktrin möglich werden konnten, wurde dabei gern ausgeblendet.
Religiöser Toleranz,
freie wissenschaftliche Forschung,
kulturelle Vielfalt
Ausgerechnet Scheich Ahmed al-Ghamdi, oberster Sittenpolizist des „Komitees für die Propagierung von Tugend und Verhinderung von Sünde“ in Mekka, der heiligsten Stadt des Islam, hat in einem Zeitungsartikel die in Saudi-Arabien übliche Geschlechtertrennung kritisiert: „Dies zu tun sei ein gefährlicher Akt, der ein schlechtes Licht auf den Islam werfe.“ Kommt der Islam endlich langsam im HEUTE an? Empörte Gegner fordern jedoch schon mal die Todesstrafe für den Scheich.
Dabei ist evident: Politische und religiöse Systeme, die sich an den zeitlosen ethischen Grundlagen des manifestierten Universums – wie Selbstlosigkeit, Toleranz, Mitgefühl und universelle Liebe allen Wesen gegenüber – vergehen, haben keine Existenzberechtigung. Solche Systeme müssen ihrem „Gott“, ihren Anhängern und sich selbst beweisen, dass ihre Lehre und Botschaft tatsächlich universell – und daher in dem EINEN Universum existenzberechtigt ist.
Im anderen Fall ist eine radikale Reformation unumgänglich. Wer nicht bereit, willens und fähig ist sich zu reformieren, stagniert, ist kristallisiert – eine Art ideelle Sklerose. Systeme, die sich einer zeitgemäßen Reformation verweigern, sind dem Untergang geweiht. Daran ändert auch die Blutspur nichts, die Diktatoren und Religionsfanatiker hinter sich herziehen. Doch was, wenn beim Islam wie im Falle des Sozialismus die Reformation direkt in die Implosion führt?
Da brauchen – um beim Beispiel zu bleiben – aufrichtige Moslems keine Angst haben. Sie könnten einfach ihrer eigenen Geschichte vertrauen. Bis zu Beginn des 17. Jahrhunderts waren islamische Reiche Regionen religiöser Toleranz, freier wissenschaftlicher Forschung und kultureller Vielfalt. Damals wurden unter dem Islam Bücher nicht verboten – sondern gedruckt.
Linksunten:
SPIEGEL-ONLINE: Brandbrief für Saudi-Arabiens Frauen
(*) Text/Bild: Kô-Sen 2010
Zuletzt aktualisiert: 24.04.2016 von Heinz Knotek