Nikolaus von Kues (1401-1464),
Papststellvertreter und Mystiker
(Foto: Creative Commons)
ENDLICH, mag sich der Papst denken: Die Vernunft ist endlich auf dem Rückzug, das Volk wieder anfällig für die Droge „blinder Glauben“ und die abergläubische Lust an Wunder und Wundmalen.
Wer den Zeitgeist heiratet, ist morgen schon Witwer.
Das meint der neue Münchener Oberhirte und bisherige Trierer Bischof Reinhard Marx. Und bezieht sich dabei auf eine Haltung des unbeweglichen Anhaftens am Dogma. Doch ist das Angebot „stellvertretende Erlösung“ nicht selbst ein echtes Kind des Zeitgeistes? Nicht selbst verantwortlich sein, die Verantwortung anderen zuschieben, Konsequenzen eigenen Tuns nicht annehmen wollen? Doch auch das hat Tradition: Wein trinken und Wasser predigen.
Religiöser Fundamentalismus
Es ist wieder möglich, alle unbeantworteten Fragen in die „Mysterium-Kiste“ zu verschieben, ohne dabei in den Ruf zu kommen, in Wirklichkeit gar keine Antworten zu besitzen. Unkritisch gehen perverse Ketzerjäger des Mittelalters posthum als „Heilige“ durch. Und wenn ein pädophiler Seelsorger – wie jüngst im Bistum Regensburg – auffliegt, dann muss es kein beschämtes Bedauern für die Opfer geben, wohl aber ein lautes Zurückweisen von Kritik an der Kirche. Der Virus religösen Fundamentalismus hat auch den Vatikan erreicht.
Benedikt XVI. mag es an Charisma fehlen. Doch hinter der blassen Fassade des „Stellvertreter Gottes“ mit den schicken roten Designer-Schuhen verbirgt sich ein verbissener unerbittlicher Willen, der morbiden hedonistischen Gesellschaft das bigotte mittelalterliche Weltbild des katholischen Kirchenchristentums entgegenzustellen, und zwar mit allen zu Gebote stehenden Mitteln. Die reizüberfluteten und mit Zukunftsangst gequälten Massen nehmen das Angebot gern an.
In diesem dumpfen Klima kann man es sich auch leisten, einst nur zähneknirschend gemachte Zugeständnisse im Umgang mit anderen Religionen langsam wieder aufzugeben. Langsam, ganz langsam, beginnt der Vatikan die fast 200 Jahre eingezogenen Krallen seiner missionarischen und dogmatischen Aggressivität wieder auszustrecken. Eine Auswahl:
- Diffamierung eines islamischen Heiligen – scheinbar versehentlich.
- Zunehmend schärferer Umgangston in der Auseinandersetzung mit dem Islam.
- Infragestellen des Kirchencharakters der evangelischen Kirchen und damit der Tradition der Reformation.
- Klerikalisierung der Bistümer und Gemeinden – kritische Laienverbände werden sukzessive aufgelöst.
- Völlige Intoleranz gegen Kritik in den eigenen Reihen – bei gleichzeitiger Strafandrohung, etwa über ein Lehr- und damit Berufsverbot.
- Manipulation von WIKIPEDIA-Einträgen.
- Belebung der Anmaßung eines exklusiven Zugangs zu „Gott“ – Weigerung, die Vertreter anderer Glaubenssysteme als GLEICHBERECHTIGTE Partner anzusehen und zu behandeln.
- Aggressives Missionieren unter dem Deckmantel karitativer Projekte, mit dem erklärten Ziel, überlieferte Glaubensbekenntnisse zu zerstören und das Kirchendogma zu oktroyieren.
- Distanz gegenüber dem Dalai Lama – kein Empfang im Vatikan, angeblich auf Druck Chinas.
Besonders letzteres hat etwas Aufrichtiges: Das in der Vergangenheit vom Papst mit öffentlichen Umarmungen geheuchelte gleichberechtigte Miteinander mit dem „geistigen Oberhaupt-Kollegen“ aus Asien ist vorbei.
Linksunten:
Bereits online: Wir ernten was wir säen…
Zuletzt aktualisiert: 02.12.2007 von Heinz Knotek