Monumentale Dreifachausstellung in Paderborn: CREDO – ich glaube
Die Christianisierung Europas ist Gegenstand einer monumentalen Dreifachausstellung in Paderborn, vom 26. Juli bis 3. November 2013, im Diözesanmuseum, in der Kaiserpfalz und in der Städtischen Galerie. CREDO – ich glaube, so der Name der Ausstellung, bezieht sich auf die von Kaiser Konstantin beim Konzil von Nicäa im Jahre 325 den anwesenden Bischöfen unter Androhung von Gewalt abverlangte Loyalitätsbekundung für eine kanonische Fixierung des im Römischen Reich inzwischen aus machtpolitischen Gründen zur Staatsreligion erklärten Christentums. Bis Nicäa war das Christentum ein Sammelbecken unterschiedlichster spiritueller Wege. Trotz allem Disputs gingen die Anhänger der einzelnen Schulen respektvoll miteinander um. Nach Nicäa galt fortan: Bist du NICHT für das Dogma, dann bist Du gegen uns (dessen Befürworter) und folglich kein Christ, stattdessen Feind, den man verfolgen und vernichten muss. Die feindliche Übernahme erst Europas, dann des Rests der Welt, nahm seinen Anfang.
Feindliche Übernahme von europäischer Kultur,
Religion, Land und Leuten
Wer erwartet, in der CREDO-Ausstellung eine zeit- und religionskritische Analyse der Christianisierung Europas im Mittelalter vorzufinden – und sei es „unter anderen“ – der wird eher enttäuscht sein. Zwar wird den prächristlichen religiösen Bräuchen in Europa einiger Raum gewidmet. Doch die Exponate vermitteln – ganz im Sinne des Missionsgedankens jener Zeit – den Eindruck, dass diese Bräuche primitiver Götzendienst gewesen sein müssen. Viele dieser Exponate wirken mickrig und amateurhaft statt künstlerisch durchdachter Ausdruck einer erhabenen spirituellen Idee zu sein. Zu manch repräsentativem Exponat wiederum kann bis heute nur gemutmaßt werden, dass es kultisch motiviert gewesen ist. Dazu zählt etwa ein ansehnlicher Steinkopf aus Riga (s. Foto), den ein Bauer auf seinem Acker gefunden hat und zu dem man einen heidnisch-religiösen Bezug vermutet.
Selbst wenn es nicht Absicht der Kuratoren war, Heidnisches im Sinne des Dogmas tendenziell eher klein und simpel darzustellen; viele Möglichkeiten für eine würdigenden Präsentation gibt es ohnehin nicht mehr. Schließlich ging das rabiate Vernichten von Büchern und Objekten und die Verfolgung von Andersdenkendenden gleich nach Nicäa los, als man die Werke von Bischof Arius verbrannte, den Besitz seiner Schriften unter Todesstrafe stellte und Anhänger seiner Lehre gnadenlos verfolgte und vernichtete. Nur wenige Zeugnisse aus prächristlichen Zeiten haben den Verfolgungs- und Vernichtungswahn der Missionare überstanden…
Aber natürlich geht es bei der CREDO-Ausstellung vor allem um die „erfolgreiche“ Christianisierung Europas und nicht um die Zeiten davor oder gar um die Opfer der feindlichen Übernahme von europäischer Kultur, Religion, Land und Leuten. Die Ausstellung zeigt stolz ein – wie es scheint – letztendlich siegreiches Unterfangen und ist im Rahmen dessen dennoch eine anerkennenswert objektiv-sachliche Wiederspiegelung der historischen Entwicklung ganz Europas vom Mittelalter bis in die Jetztzeit. Objektiv? Objektive Betrachtung schließt kritische Reflexion ein, die es doch erkennbar nicht gibt. Natürlich muss der Besucher schon selbst die Schlussfolgerungen aus den historischen Tatsachen ziehen. Einige Beispiele:
- Wer weiß schon, dass es eine Zeit gab, da europäische Fürsten in Rom um Missionare geradezu bettelten, weil die Christianisierung der Untertanen eine effektivere Überwachung und Kontrolle der Untertanen versprach. Im Gegenzug erhielt der Klerus Ländereien und diverse Rechte, was für das einfache Volk doppelte Last bedeutete. Sie mussten sich jetzt für ZWEI Herren krumm machen, einmal für den Herrn Jesus Christus und einmal für den Herrn Grafen.
- Interessant auch, dass aller drohender Verfolgung zum Trotz viele religiös motivierte Bräuche Jahrhunderte überlebten. Besonders die Menschen im Baltikum und Skandinavien erwiesen sich als widerspenstig und zelebrierten die überlieferten Kulte heimlich weiter. Und vor allem in Schweden wurde die Christianisierung zeitweise weniger gewaltsam durchgedrückt. Hier war man in diesen Zeiten erfolgreich um eine sanfte Integration des alten Glaubens in den neuen bemüht und verzichte auf Bilderstürmerei und Verfolgung.
Museum in der Kaiserpfalz
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Am Ikenberg 1, 33098 Paderborn
- Schwere Kost – die ungeschönte Dokumentation der „Verdienste“ von Karl dem Großen (siebtes/achtes Jahrhundert). Das Abschlachten ganzer Bevölkerungsteile, im Namen Jesu. Die unter Androhung der Todesstrafe verordnete Durchführung christlicher Rituale, wie der Taufe. Zahllose blutige Eroberungskriege. Das Wüten des Despoten hat – laut Ausstellung – selbst manch hohe Gefolgsleute abgestoßen. Der betrachtende Laie hat den Eindruck, hier müsse ein blutrünstiger Psychopath am Werk gewesen sein. Ein früher Stalin, Hitler, Mao? Gut, am Ende war Karl Kaiser und Mitteleuropa weitgehend unter christlicher Herrschaft. Heiligt der Zweck die Mittel? Zumindest Stalin, Hitler und Mao waren davon überzeugt…
- Aufschlussreich auch der Ausstellungsbereich zu den antichristlichen Strömungen in Deutschland in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg bis zum Untergang des „Dritten Reiches“. Zunächst als Emanzipationsbewegung gegen dogmatisches Denken, unwissenschaftliche Theorien und machtpolitische Interessen des offiziellen Christentums gerichtet, gaben sich viele Anhänger bald den Thesen von Antisemitismus, Nationalismus und Rassismus hin. Spirituell anmutende Theorien zur Selbsterlösung des Menschen – den mystischen Lehren von Hinduismus, Buddhismus und Taoismus entlehnte Fragmente – wurden „umgebogen“, indem aus der Erlösung des Individuums vom Rad der Wiedergeburt eine „Erlösung“ hin zur deutschen Herrenrasse wurde.
Wieder daheim, zieht es den Verfasser zur evangelischen Stadtkirche seines nordhessischen Städtchens. Auf dem alten Gemäuer gibt es eine Gedenktafel, auf der sich die Kirche für die zahlreichen Opfer der Hexenverfolgung entschuldigt: Widersteht dem Bösen, bewahrt die Würde der Menschen! HEINZ KNOTEK
Linksunten:
CREDO: Christianisierung Europas im Mittelalter
Zuletzt aktualisiert: 11.08.2013 von Heinz Knotek