Aus: FOOD FOR THOUGHT – THE PARABLE OF THE OCEAN1
Der Begriff „Ozean“ ist eine vielschichtige spirituelle Metapher. Er symbolisiert unter anderen Weite und Tiefe. […] Aber auch das Leben im gewöhnlichen Alltag wird oft mit einem OZEAN verglichen. Ein spirituelles Ziel zu erreichen bedeutet daher „die See des Lebens“ zu überqueren oder bhavsagar. Wer jedoch mit seinem gegenwärtigen Daseinszustand zufrieden ist, hat keinen Sinn für ein spirituelles Leben.
Hinüber ans andere Ufer gelangen. Bild: Heinz Knotek
Buddha sagt über solche selbstzufriedenen weltlichen Menschen: Die Meisten drehen ihre Runden lediglich an diesem Ufer des Ozeans. Sucher auf dem spirituellen Pfad streben jedoch danach, hinüber ans andere Ufer zu gelangen.
OZEAN symbolisiert nicht-konditioniertes Bewusstsein
Der metaphorische Fluss wird von den Wassern gebildet, die aus den schöpferischen Aktivitäten der Sonne hervorgehen. In einem Sanskrit-Poem heißt es dazu, Wasser würde vom Himmel fallen, einen Fluss bilden und schließlich in den Ozean münden. Beide Enden des Prozesses sind also etwas Großes und Erhabenes, obwohl der Fluss zwischendurch einmal völlig verunreinigt sein mag. Alles beginnt bei einer erhabenen Quelle und endet in erhabener Weite.
Damit wird der Weg symbolisiert, wie das erhabene „innere Leben“ fließt. Weder Anfang noch Ende sind hier mit uns. „Die Menschheit ist eine Emanation der Göttlichkeit auf dem Weg zurück zur Göttlichkeit.“ OZEAN symbolisiert nicht-konditioniertes Bewusstsein. Unsere Persönlichkeiten sind wie Wellen in diesem Ozean. Eine Welle erhebt sich im Wasser scheinbar als etwas vom Ozean Separates. Aber für wie lange? Ein paar Sekunden nur und sie fällt zurück um erneut mit den Wassern des Ozeans zu verschmelzen.
Individualität, das wahre „Ich“, wird mit einem Tropfen im Ozean verglichen. Die Stimme der Stille2 beschreibt den Zustand des Samadhi als ein Verschmelzen des Tropfens mit dem Ozean. Der Asket verliert vollkommen das Empfinden für jede Art individueller Existenz, seine eigene eingeschlossen. Er wird – das EINE.
Die Bhagavat Gita benutzt das Symbol des Ozeans zur Erläuterung des Umstandes, dass Begierden selbst bei einem großen spirituellen Meister im Herzen auftauchen können, dieser aber dann davon nicht hinweggerissen wird.
Derjenige, in dessen Herz Begierden eindringen, so wie Wasser von Flüssen in den weiten Ozean strömen ohne dass der Ozean deswegen über die Ufer tritt, erlangt Glückseligkeit. Nicht derjenige, der in seinen Begierden schwelgt.
Linksunten3: TM Magazine, issue August 2012
- Quelle: THE THEOSOPHICAL MOVEMENT, Mumbai (Indien), Ausgabe August 2012, Übertragung aus dem Englischen: Heinz Knotek, mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers, ULT India . ↩
- Original: THE VOICE OF THE SILENCE by H.P.B. ↩
- Freier Download der Ausgabe August 2012 von THE THEOSOPHICAL MOVEMENT, mit dem Original des gesamten Artikels. ↩
Zuletzt aktualisiert: 30.01.2013 von Heinz Knotek
Lieber Heinz,
Danke für dieses schöne Bild des Ozeans.
Der Ozean als Sinnbild für die Verbundenheit von Allem, allen Wesen und Dingen, diese Verbundenheit, die immer da ist und in uns spürbar, fühlbar ist. Nur unser konditioniertes Bewusstsein bringt uns immer wieder dazu die Dinge Außen zu sehen, zu hören, zu riechen, zu schmecken, zu spüren und zu denken, und so werden die Dinge zum Objekt und schon ist die Trennung vollzogen, wir wenden uns ab. Unsere Konditionierung bringt uns dazu uns zu verschließen. In Begegnungen werden Gegner ausgemacht und unser ganzes körperliches Empfinden zieht sich in unseren Kopf zurück. Die althergebrachten Muster unseres Selbst gewinnen die Oberhand. Aber jeder Moment ist neu und wie heißt es in dem von Heinz kürzlich weiter unten zu lesendem Herz Sutra(nun in Deutsch): Der Bodhisatva Avalokiteshvara erkannte in tiefer Übung von Prajna paramita dass alle fünf Skandhas leer sind von eigenem Sein. Prajna paramita heißt wörtlich übersetzt so etwas wie „die Weisheit vom anderen Ufer“, ich fühle mich in der Übersetzung „Weisheit jenseits der Weisheit“ mehr zu Hause, denn da wird diese Ungreifbarkeit, das Unfassbare , Undenkbare klarer. Nicht denkbar mit unserem alltäglichen Geist, dieses Feld, dieser Ozean nur fühlbar mit allen Sinnen im ganzen Körper.
Vielen Dank, Andreas, für den gut passenden alternativen Übersetzungsansatz: Weisheit jenseits der Weisheit. Die Metapher „anderes Ufer“ ist in dem Kontext mehr als nur Metapher. Es ist wenn man so will GLAUBENSGRUNDSATZ. Das andere Ufer steht für SELBST-BEWUSSTES SEIN außerhalb physischer Existenz. Also Unsterblichkeit. Da sich heirbei schlecht „objektive“ Beweise finden lassen, bleibt nur ein (rational hypothetisch begründetes) Glauben, der – für den „Gläubigen“ – einen nachhaltig erhabenen SINN des Lebens ergibt. HK