Die größten Probleme hat man immer mit den Halbgebildeten.“ Das meint John Ellis, langjähriger Mitarbeiter beim europäischen Labor für Hochenergiephysik CERN, in einem Zeitungsinterview. Er bezieht sich damit auf die Reaktion jener, die dem letzte Woche eingeschalteten Teilchen- beschleuniger LHC (Large Hadron Collider) mit Skepsis und Angst begegnen.
Nebelkammer um die Existenz kleinster Teilchen nachzuweisen. Das Jagen nach immer neuen kurzlebigen elementaren Bausteinen ist ein teures und fragwürdiges Vergnügen Weniger im Namen der Grundlagenforschung. Bild: Ko-Sen
Natürlich hat Ellis keine Zweifel an der Sinnhaftigkeit des drei Milliarden teuren Projekts, das ihm schließlich seit über 35 Jahren ein sicheres und hohes Einkommen beschert und auch zukünftig gut nähren wird. Was er nicht in Erwägung zieht – nicht die von ihm herablassend als „Halbgebildete“ bezeichneten Skeptiker sind ein Problem sondern Leute wie er, die im Namen der Wissenschaft hemmungslos öffentliche Gelder verschwenden, angeblich, um der Grundstruktur des Universums auf die grobe Spur zu kommen. Ohne zu merken, dass sie sich wie im Höhlengleichnis von Plato geben: Sie kratzen an einer von reflektiertem Licht bestrahlten Wand, um die Sonne zu finden.
Zerstören – und gucken was passiert
Wenn Leute wie Ellis andere als Halbgebildete bezeichnen, suggerieren sie damit selbst das Gegenteil zu sein, also Gebildete. Doch wer sich nur oberflächlich über die Entwicklung der theoretischen Physik in den letzten zehn Jahren auf dem Laufenden gehalten hat, wird Ellis vielleicht stattdessen für einen an Altersstarrsinn leidenden alten Mann halten – mit eher Halbbildung.
Die Konzepte und Thesen, die jetzt und in Zukunft mit Hilfe des LHC untersucht werden sollen sind über zehn Jahre alt. Inzwischen hat es in keiner Naturwissenschaft so heftige Paradigmenwechsel gegeben, wie in der theoretischen Physik. Seit mehreren Jahren ist vor allem die STRING-Theorie auf dem Vormarsch. Das Graben nach irgendwelchen Teilchen auf der horizontalen Ebene – sprich der mit unseren begrenzten Sinnen wahrnehmbaren materiellen Welt – ist längst einer Betrachtung gewichen, die nicht mehr von kaum nachweisbaren Teilchen sondern von ENERGIEN und DIMENSIONEN geprägt wird.
Wie primitive Wilde einen ihnen unbekannten Computer mit einem Faustkeil zertrümmern würden, um darin nach Essbarem zu suchen, betreiben CERN-Forscher mit riesigem Aufwand die künstliche Zerstörung von Materie. Nach dem Motto, „Zerstören – und gucken was passiert,“ werden mit einem gigantischen Energieaufwand Protonen aufeinander geschossen. Alles spielt sich in einer voluminösen Maschine ab, die pro Jahr mehr als 800 Millionen Kilowattstunden elektrische Energie frisst – was eine Stromrechnung von etwa 19 Millionen Euro ergibt.
Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für „Gebildete“
Den prophezeiten Blick in die Zeiten des Urknalls – eine der Hauptgründe für den Bau der Anlage – wird es indes nur theoretisch und indirekt geben. Aufwendige elektronische Messgeräte müssen dazu 700 Megabyte pro Sekunde in sich einsaugen. In einem Netz von Rechenzentren wird die Datenflut dann aufbereitet und schließlich zu – ja nicht mehr – grafischen Darstellungen verarbeitet, die freilich erneut der Interpretation bedürfen. Eine sichere Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für „Gebildete“ wie Ellis.
Die Inbetriebnahme des Teilchenbeschleunigers wird öffentlich als Triumph des wissenschaftlich-technischen Fortschritts gefeiert. Doch welchen auch nur theoretischen Nutzen vermag die Maschine in Aussicht zu stellen? Es gibt keinen. Und es muss auch keinen geben. Die Maschine existiert ihrer selbst willen. In den Medien wird gern kolportiert, man komme mit der Anlage der Erschaffung der Welt auf die Spur. Doch Gottes Schöpfung mit Spulen aus Niob-Titan-Drähten zu ergründen – hiermit werden die Magnetfelder des Teilchenbeschleunigers erzeugt -, deren Länge insgesamt fünfmal die Entfernung zwischen Erde und Sonne ausmachen, ist so lächerlich, wie der Versuch, den nächsten Vollmond am Himmel pflücken und sich in den Vorgarten stellen wollen.
Was werden die Götter nur von uns Halbgebildeten denken … und von den Gebildeten?
(Ko-Sen)
Zuletzt aktualisiert: 17.09.2008 von Heinz Knotek
Exklusives Spielzeug LHC steht defekt in der Ecke:
„Teilchenbeschleuniger LHC für Monate stillgelegt“
„Der große Knall muss warten“
„Keine Reparatur bei Minusgraden“
„Nur 36 Stunden funktionsfähig“
Quelle: Online-Artikel von tagesschau.de