Ein als Dokumentation vermarkteter Film des österreichischen Regisseurs Peter-Arthur Straubinger geht scheinbar investigativ dem Phänomen nach, dass Menschen ganz ohne Nahrung und sogar ohne Flüssigkeit auskommen können1. Im Zentrum des Films stehen die Thesen des australischen Mediums Ellen Greve, die als Buchautorin unter dem Namen „Jasmuheen“ detaillierte Anweisungen für „Lichtnahrungsprozesse“ veröffentlicht hat und entsprechende Seminare abhält.
Lichtnahrung, per Konzentration materialisierte Energie. (*)
Die undifferenzierte Anwendung ihrer Anweisungen gilt als potentiell gesundheitsgefährdend und soll bereits den Tod eifriger Nachahmer initiiert haben. Wie genau das alles zu erklären ist, weiß keiner. Auch nicht, dass die mutmaßlich „spirituelle“ Praxis, mit Spiritualität nichts zu tun hat, sondern eher die Steigerung zwanghaften Essens ist, sozusagen der Gipfel der Völlerei.
Anhaftungen von besonders bindender Kraft
An einem eisigen Wintermorgen in den südlichen Ausläufern des Himalaya-Gebirges soll ein Schüler einmal seinem Meister stolz verkündet haben, er werde jetzt barfuß in den eiskalten Schnee hinausgehen. Der Meister schüttelte nur mit dem Kopf, packte seinen Schüler am Arm und ging an das teilweise vereiste Ufer des nahen Flusses. „Siehst du die Enten dort?“ fragte er den Schüler, „Die gehen auch barfuß auf Eis und Schnee. Und? Sind sie deswegen Weise und Erleuchtete?“ Beschämt schüttelte nun auch der Schüler mit dem Kopf. Körperliche Übungen und Kasteiungen bringen keinerlei befreiende Wirkung mit sich.
Schrei nach Licht. (*)
Was immer man auf der astral-physischen Eben auch „Besonderes“ tun mag, ob sich vegetarisch ernähren, barfuß im Schnee laufen oder eben auf Nahrung verzichten – es ist sicher interessant und oft gesundheitlich vorteilhaft, es hat nur ganz sicher NICHTS mit Spiritualität zu tun. Im Gegenteil, wer Übungen und Techniken welcher Art auch immer mit forciertem Ehrgeiz betreibt, entwickelt Anhaftungen von besonders bindender Kraft. Wahre Spiritualität bedeutet aber gerade die Anhaftungen des Egos zu erkennen und systematisch zu „transformieren“, aber eben nicht durch einen ehrgeizigen Willen und mittels Übungstechniken, sondern allein durch Lebenshaltung.
Natürlich sind die „richtige“ Ernährung und eine gezielte physische, astrale und mentale Hygiene unverzichtbare Aspekte einer spirituell-meditativen Lebenshaltung. Aber diese Aspekte sind Mittel, nicht Zweck. Bekanntlich wurden mittelalterliche christliche Nonnen und Mönche bei ihren Versuchen, sich ihrem Gott mittels Kasteiung zu nähern häufig von genau den „sündhaften“ Bildern verfolgt, die sie in sich auszumerzen versuchten. Schuld war natürlich der „Teufel“. Doch nicht der Teufel, sondern die ungeordnete und unbeherrschte eigene Psyche ist es, die sich als „schwaches Fleisch“ dem „willigen Geist“ entgegensetzt. Grund: Die Psyche IST Teil des „schwachen Fleisches“. Menschen die ohne Nahrung leben, können leicht Opfer ihres starken Egos werden. Erlösung und Erleuchtung findet man nicht über das Essen oder Nicht-Essen, sondern darüber, das Essen oder Nicht-Essen an Bedeutung verlieren, was durch eine Lebenshaltung des inneren LOSLASSENS und UMKEHRENS erreicht werden kann.
Regisseurs Peter-Arthur Straubinger wurde vorgeworfen, mit seinem Film eine dubiose esoterische Praxis propagiert und dazu dem Medium Ellen Greve („Jasmuheen“) eine Plattform zur Selbstdarstellung bereitet zu haben2. Kritiker würden nur als Feigenblatt für eine scheinbar objektive Berichterstattung zu Wort kommen. Dieser Vorwurf ist um so mehr gerechtfertigt, als Straubinger nicht im Geringsten auf die Quellen eingeht, aus der Greves ihre „Weisheiten“ zu schöpfen beliebt.
Ein wenig Googeln bringt Heerscharen von zumeist weiblichen Medien ans Tageslicht die sich wie Greves auf dem Meister Saint Germain berufen. Der „aufgestiegene Meister“ des „violetten Strahls“ der ja immerhin in höheren Sphären auch für das allgemeine Wohlergehen der Menschheit tätig sein soll, hat demnach dennoch reichlich Zeit übrig, den vielen netten Channel-Frauen bei ihrer Existenzsicherung mittels „Durchsagen“ zu helfen. Neben regalweise Büchern und teuren Seminaren gibt es auch „persönliche Sitzungen“, wo man den Meister höchstpersönlich etwa zu Liebesfragen und im Zweifel zu seinen Verdauungsproblemen befragen kann. Menschen die diesen esoterisch verkleideten Spiritismus für ernst nehmen müssen auf einem nicht ganz ungefährlichem Weg aus „Trial and Error“ noch an ihrem Unterscheidungsvermögen arbeiten.
Energie per Konzentration materialisieren
Fazit: Verdienstvoll wäre es sehr wohl gewesen, dem Phänomen eines nahrungslosen Lebens nachzugehen, ohne das langatmige Zitat einer zweifelhaften Buchautorin. Man hätte sich dabei mit der astralen Anatomie des Menschen beschäftigen müssen und mit der Frage, was in dieser Vielzahl an „Körpern“ oder „Schichten“ nun genau den WAHREN MENSCHEN ausmacht. Das wurde im Film nur marginal berührt. Ebenso wie die Frage, dass es, wenn ein Leben ohne Nahrung prinzipiell möglich ist, dann theoretisch generell möglich sein muss, Energie per Konzentration zu materialisieren.
(*) Text/Bild: Heinz Knotek
- Am Anfang war das Licht, erschienen März 2011 ↩
- s. zum Beispiel Süddeutsche Zeitung: Lichtnahrung: Tödliche Esoterik
↩