Digitale Lesestifte für Kleinkinder sind keine pädagogisch konzipierte und ausführlich geprüfte Innovationen zum Wohle eben dieser Kindern. Tings – wie die knuffigen Dinger heißen – sind aus der Not heraus entstanden. Eine Augsburger Druckerei auf der Suche nach alternativen Geschäftsfeldern ließ sich von elektronischem Tand Made in China inspirieren und machte aus einem simplen Lesestift eine Art multimedialen Zauberstab und eine profitable Geschäftsidee.
Kinder haben die Fähigkeit zur selbstbezogenen Konzentration. (*)
Um ehrgeizige Eltern zum Kauf zu animieren bekam das lesende und sprechende Plastik einen Pädagogisch-wertvoll-Mantel verpasst: Kinder sollen auf die Weise früher lesen lernen. Arme Kinder und willkommen der Generation Zappelphilipp.
Kinder sind eigentlich wie schöne leere Gefäße
Bildungsferne Eltern setzen ihre Kinder vor das RTL-Frühfernsehen, um in der Früh noch ein wenig Zeit für sich zu haben… Das überbesorgte Bildungsbürgertum kann nun für seine Kleinen auf Tings zurückgreifen ohne schlechtes Gewissen bekommen zu müssen. Was kann schließlich schlecht daran sein, seinen Kleinen schon mal im Kindergartenalter und auch noch spielerisch mutmaßlich das Lesen beizubringen. Eltern – ob bildungsnah oder bildungsfern – die tatsächlich das Wohl ihrer Kinder im Auge haben werden beides nicht tun.
Auch ohne Lesestifte sind Kinder heute akut gefährdet sich der „Generation Zappelphilipp“ einreihen zu müssen. Von Geburt an gewohnt, den „Browser“ des Wachbewusstseins rund um die Uhr mit künstlich erzeugten Bildern und Tönen abgefüllt zu bekommen geht die natürliche menschliche Fähigkeit zur „selbstbezogenen Konzentration“ völlig verloren. Kinder sind eigentlich wie schöne leere Gefäße in denen sich optimaler Weise im Laufe ihrer mental-emotionalen Entwicklung ein Spektrum an Erfahrungen, Fertigkeiten und Erkenntnissen versammelt. Die Kinder der Generation Zappelphilipp gleichen dagegen grobmaschigen Sieben, durch die ständig ein künstlich generierter Content rauscht, rauschen MUSS. Hört dieser Strom auf zu fließen, werden die Kinder angesichts der plötzlichen Leere unruhig. Sie können weder etwas mit sich selbst anfangen noch sind sie in der Lage in dem audiovisuellen Strom etwas für sie Wesentliches zu erkennen und zu assimilieren.
Wir leben nun mal in einer Informationsgesellschaft. Bildschirme gehören zum Alltag. Kinder müssen lernen damit umzugehen. Ihnen rigide den Umgang mit Telemedien zu verbieten wäre wie alles grobe Verbieten eine Form der Gewaltanwendung. Vielmehr müssen verantwortungsbewusste Eltern ihre Kinder durch das Labyrinth der Bilder- und Töneflut dezent regulierend geleiten. Dazu gehört, alle zusätzlichen und unnötigen Eindrücke fernzuhalten. Kinder können sich stundenlang fasziniert mit einem Herbstblatt beschäftigen. Sie brauchen weder sprechende Lesestifte noch müssen sie mit vier lesen können. Eltern denen darüber hinaus auch das spirituelle Wohl ihrer Kinder wichtig ist, werden die native Fähigkeit zur selbstbezogenen Konzentration als schützenswertes kostbares Gut ihrer Kinder zu schätzen wissen und es sorgsam hüten. Denn nur wer irgendwann lernt im Denken und Fühlen bewusst anzuhalten und leer zu werden, kann seiner Seele von Angesicht zu Angesicht begegnen. Manche behaupten gar das sei unter anderen der Sinn des Lebens.
(*) Text/Bild: Heinz Knotek
Zuletzt aktualisiert: 11.12.2011 von Heinz Knotek