Alle reden von Integration. Fast immer hat INTEGRATION dabei einen fordernden Unterton. Jemand oder ein Gruppe von Personen wird von anderen Personen aufgefordert, sich zu INTEGRIEREN, was im Klartext ANPASSUNG und UNTERORDNUNG bedeutet. Nur selten kommt dabei das biblische Gleichnis vom Splitter im Auge des anderen zum Einsatz. Demnach sollte man sich zurückhalten, auf andere mit dem Finger zu zeigen und sich stattdessen um den Balken im eigenen Auge kümmern.
Leben IST harmonische Integration. (*)
Also mit der Pflicht zur Integration BEI SICH SELBST anfangen. Doch sobald eine Gesellschaft sich mehr oder weniger auf einen anthropomorphen Gott bezieht, ufern Fragen zur INTEGRATION bald zum Religionsstreit aus.
Nur vier Mittel bedarf es dazu
Schon vor fast 2.000 Jahren kursierte in Ostasien ein buddhistisches Sutra, also ein buddhistischer Lehrtext, der die für eine erfolgreiche Integration nötigen Mittel kurz und knapp auf den Punkt bringt.
Four means of integration:
- Generosity
- Kind speech
- Beneficial action
- Cooperation
… also called means of salvation, these are means by which enlightening beings integrate with the world and also integrate people into a buddha-land. (Quelle: Avatamsaka-Sutra1)
Gemäß Avatamsaka-Sutra hängt sogar die Erlösung vom Zwang zur repetitiven Inkarnation von der erfolgreichen Integration des Menschen in der Welt ab. Nur vier Mittel bedarf es dazu: Großzügigkeit, freundlichen Ton, Wohltätigkeit, Kooperation. Wie ist das aber, wenn andere Menschen kleinlich und rechthaberisch sind, derbe Worte verteilen, nur zu ihrem Vorteil handeln oder sich einem freundlichen Miteinander entziehen? Offensichtlich befindet man sich dann in einer klaren Prüfungssituation. Bleibe ICH großzügig inmitten von Hasspredigern? Bleibt MEINE Ansprache temperiert inmitten lauter Debatte? Handle ICH auch dann wohltätig, wenn man mich feindselig betrachtet? Bleibe ICH kooperationsbereit, wenn andere im Streit schwelgen?
Selbst die aufgeladene öffentliche Debatte über die Integration fremder Glaubensgemeinschaften, ließe sich auf diese Weise etwas entspannen. Denn begegnen wir unserem andersgläubigen Nachbarn stets großzügig, freundlich und kooperationsbereit, wird demnach unsere eigene Erlösung selbst dann befördert, wenn der sich als engstirniger Fanatiker erweisen sollte. Wer sich der Integration mit seinem Nächsten verweigert – etwa wegen dogmatischer Glaubensvorschriften – verdient zunächst unser besonderes Mitgefühl. Wer sich jedoch vor lauter Dogmatismus anmaßt, anderen Wesen Leid zufügen zu dürfen, der katapultiert sich aus der von Integration geregelten Welt hinaus und gehört geächtet – spirituell und juristisch.
Integration als positive Anpassung. (*)
Der Berufsfußballer Mesut Özil hat neulich einen Preis für besondere Integrationsleistungen verliehen bekommen. Kurze Zeit später wurde die Trennung von seiner deutschen Freundin bekannt – und dass die junge Frau extra wegen ihm zum Islam übergetreten sei. Wegen einer Partnerschaft den Glauben wechseln? Ein Beispiel dafür, was Großzügigkeit und Toleranz in religiösen Dingen NICHT ist.
(*) Text/Bild: Kô-Sen
- Übersetzung aus dem Chinesischen von Thomas Cleary ↩
Zuletzt aktualisiert: 21.11.2010 von Heinz Knotek