In wenigen Büchern nur findet sich der Hinweis, dass die FÜNF TIBETER nichts mit Tibet zu tun haben, bei den Tibetern selbst gänzlich unbekannt und eine Erfindung amerikanischer Esoterikautoren sind.
Der Yardrog Yutsho (Yamdrok-See), 110 Kilometer südwestlich von Lhasa in einer Höhe von 4441 Metern. Foto: B_cool
Das bezüglich ihrer unterstellten Herkunft die FÜNF TIBETER in Wirklichkeit falsche Fuffziger sind, tut der Beliebtheit dieser yogaähnlichen Übungen keinen Abbruch. Zumal jeder annimmt, sie seien harmlos, würden nicht wehtun und jede Menge Vorteile versprechen. Doch gibt es auch Risiken und Nebenwirkungen?
Landauf landab beliebt sind Seminarangebote zu vermeintlich ehemals geheimen Lehren. Kaum jemand fragt sich dabei, warum „geheime Lehren“ plötzlich nicht mehr geheim sein müssen. Und warum sie überhaupt einst geheim waren. Spricht man dennoch einen Dozenten an – der meist auch ein Autor von Büchern zum Thema ist – erntet man milde nachsichtiges Lächeln. Es ist halt die Zeit reif dafür. Wie kann man nur fragen?
Wer ein Seminar bucht, etwa zum Thema Textverarbeitung, kann am Ende des Seminars prüfen, ob die Kursgebühr gerechtfertigt war. Wenn man jetzt besser schreiben kann, war es ok. Wenn nicht, nicht. Wie aber ein Angebot prüfen, das etwa offeriert, einst geheimes Wissen tibetischer Mönche dauerhaft für die eigene Gesundheit, das eigene Wohlbefinden und den persönlichen Erfolg vermitteln zu wollen – so ein immer wieder kehrendes Seminarangebot.
Was, wenn stattdessen Nervosität, Unruhe, Unausgeglichenheit, Ängste, Beziehungsunfähigkeit, Misserfolg im beruflichen und privaten Leben eher zunehmen? Oft ist dann zu hören, dasss das ganz phantastisch sei, da ein Beleg für die Wirksamkeit. Man müsse jetzt nur noch Geduld haben. Wer das wörtlich nimmt, kann Köper, Mind und Seele einigen Schaden zufügen.
Seminaranbieter und Buchautoren nennen allein aus kaufmännischen Gründen immer nur zufriedene Kursteilnehmer. Nie diejenigen, bei denen die „geheimen“ Praktiken die vorhandenen psychischen Disharmonien noch verstärkt haben. Nur, weil solche Fälle nicht öffentlich bekannt sind, heißt es nicht, dass es sie nicht gibt. Es gehört zudem eine gehörige Portion Sensibilität und Selbstbewusstsein dazu, zuzugeben, dass eine „Reise nach Innen“ nicht zu erfüllen scheint, was sie versprochen hat. Ist es doch gerade Mangel an sensiblem Selbstbewusstsein, das Menschen solche Kurse mit Hoffnung auf Besserung besuchen lässt.
Dabei sind die vielversprechenden Angebote oft seltsam schwammig formuliert, ohne dass es jemanden zu stören scheint. Wenn etwa auf „tibetische Mönche“ Bezug genommen wird. WELCHE Mönche sind gemeint. Tibet besaß und besitzt eine ethnologische Vielfalt unterschiedlichster zumeist kultischer Religionssysteme. Nicht wenige davon bekennen sich offen zum „linken Pfad,“ drehen die buddhistischen Symbole um, und umwandern die Tempel nicht wie die Anhänger der „Gelbmützen-Mönche“ des Dalai Lama, von links nach rechst, sondern von rechts nach links. Anhänger des linken Pfades betreiben eigene Klöster, gelten als gefürchtete schwarze Magier und nehmen für ihre Dienste Geld. Wer sich mit „geheimen Lehren“ SOLCHER Mönche einlässt, setzt sich mit einer destruktiven geistigen Welt in Verbindung. Hiervon NICHTS zu wissen, wäre ein Segen denn ein Mangel.
Aber auch die Seminarinhalte sind oft seltsam widersprüchlich zur vermeintlich geheimen Quelle, aus der sie zu stammen scheinen.
Ein beliebiges Beispiel:
In das Training integriert sind „Reisen nach Innen“. Durch Visualisieren und Verketten Ihrer persönlichen Ziele mit den fünf Riten können Sie in Ihrem beruflichen und privaten Alltag erfolgreicher sein und ihre wirklichen Potentiale leben. Warum Sie das Tibeter Training im Beruf brauchen / Sie fühlen sich energievoller, die Arbeit macht mehr Spaß / Sie werden seltener krank, entlasten den Lebensmotor / Sie sind beliebter, weil Sie besser gelaunt sind, humorvoller und gelassener / Sie sehen jünger und damit besser aus / Sie sind belastbarer und können mit Stress besser umgehen und leichter entschleunigen / Ihr Selbstbewusstsein und Ihre Ausstrahlung wachsen, und Ihre Entscheidungsfähigkeit nimmt zu, Sie sind zufriedener / Sie übernehmen lieber Verantwortung, treffen leichter Entscheidungen
Wie gut wir es haben. Kein Rückzug mehr aus der Welt materieller Illusion nötig, kein die Demut förderndes entbehrungsreiches Leben im Kloster. Kein Kampf gegen Egoismus und Begierden. Kein Loslassen von Anhaftungen. NEIN. Stattdessen einmal pro Woche im schön beheizten Seminarraum mit Pausensnack greifen wird in die Trickkiste der Mönche, lassen es uns gut gehen. Sourroundkino hat nun jeder, aber wer kann schon schamanisch nach innen reisen?
Keine der oben gemachten Versprechen haben etwas mit tibetischen Lehren zu tun. Es ist kein einziger überlieferter Text nachweisbar, ob geheim oder nicht geheim, der den Sucher auffordert, seine PERSÖNLICHEN ZIELE mit dem Dharma, also der Lehre, zu VERKETTEN. Das ist direkte UMKEHR der „überlieferten Botschaft,“ lediglich Interpretation und Auslegung des Seminaranbieters. Gerade was das ANGEKETTETSEIN an unsere Vorlieben, Abneigungen und persönlichen Wünsche betrifft, ist der Buddhismus Tibets eindeutig: NICHT die Ketten pflegen und verstärken – wie es wörtlich das Seminarangebot anpreist – sondern diese rigoros zerschlagen. Allerdings lassen sich mit SOLCHEN Themen weder Bücher noch Seminare verkaufen.
Keine der in Aussicht gestellten Wirkungen lässt sich auch nur ansatzweise verifizieren. Einige der Topics können auch durch den Konsum von Alkohol und Drogen erzeugt werden. Tibets wirkliche Lehren haben nichts mit unseren kleinen und großen Befindlichkeiten zu tun. Beschäftigen sich NICHT mit der großen Illusion dieser Welt. Sie lehren vielmehr, wie wir diese überwinden können. Nicht Spaß bei der Arbeit, sondern das Anhaften daran, dass Arbeit Spaß machen muss, wird gelehrt. Nicht beliebter soll man werden, sondern die Eitelkeit, beliebt sein zu wollen, überwinden. Nicht jünger und schöner sollen wir werden, sondern die Illusion jeder Form begreifen und überwinden. Usw.
Gern werden solche Seminare mit schamanischen Reisen aufgelockert, oft versetzt mit diversen anderen Kult-Handlungen aus Afrika, Asien und Amerika. Alle fühlen sich wohl bis glückstrunken. Keiner weiss, welche Geister dabei eventuell gerufen oder angezogen werden können. Das Klammern an solche flüchtigen Emotionen gilt es gerade nach den „tibetischen Lehren“ loszuwerden, wie in jedem authentischen Anfängerbuch über Tibet nachzulesen ist.
Und – immer wieder passiert es, dass ein Seminar-Schamane plötzlich krank wird. Sich beim Reisen nach Innen andere Wesenheiten in sein physisches Haus einnisten, er nicht wieder richtig zurück findet, das vorhandene innere Chaos nur noch chaotischer wird. Mancher landet gar still und unbekannt in der Therapiegruppe oder im Irrenhaus. Sicher aber NICHT auf der Referenzliste der diversen von ihm besuchten Seminaranbieter.
Zuletzt aktualisiert: 30.12.2010 von Heinz Knotek