Oder „iSpirit“ versus SPIRIT
Sitzt man in einem voll besetzten Wirtshaus, dröhnt einem bald der Kopf vor Lärm. Hunderte Stimmen und doch sind es bestenfalls einzelne Satzfetzen, die man mitbekommt. Man hört die Gespräche von vielen Menschen zugleich. Und doch ist kaum wahrnehmbar, was Einzelne so sagen. Sticht zufällig eine interessante Bemerkung hervor, muss man sich mit aller Macht auf den Sprecher konzentrieren, um den Sinnzusammenhang mitzubekommen.
In der Wirtsstube; Öl auf Leinwand – heute kämen diverse Handy-Displays und ein HD-Fernseher dazu. Abb. gemeinfrei
Dabei kann es immer wieder passieren, dass der Verständnisfaden an der Lärmwolke im Raum reißt. Die Sache muss schon sehr interessant sein, dass man sich der anstrengenden Konzentration aussetzt. Ansonsten lässt man den Faden los und folgt passiv dem Wabern der Lärmwolke. Seelenimpulse erreichen nur mühsam das Herz des Menschen. Die Bilder- und Tonflut lastet schwer auf den Menschen. Sie macht passiv und müde. Das Leben gleicht einem ununterbrochenen Besuch im Wirtshaus.
Von der astral-materiellen auf
die mental-spirituelle Ebene
Nach den alten Weisheitslehren, geht die Menschheit einer zunehmenden Entstofflichung entgegen. „Theoretisch“ müsste es also immer weniger ablenkende materielle Phänomene geben. Der Denker würde sich der Flüchtigkeit allen Seins mehr und mehr bewusst werden und sich – dankbar fast – nach Innen in die Welt des Geistes zurückziehen. Die materiellen Bedürfnisse würden folglich weniger werden. Schritt für Schritt verlagert sich der Fokus des Gewahrseins von der astral-materiellen auf die mental-spirituelle Ebene. Der Mensch hat seine geistige Bestimmung verwirklicht. Eine neue zeitalterwährende Phase der Entfaltung beginnt.
Könnte beginnen. Die allgegenwärtige Entstofflichung löst zwar Existenzangst aus. Man bemüht sich um etwas weniger Schadstoffbelastung. Aussterbende Tierrassen und Pflanzensorten werden mit viel Geld und Aufwand in Reservaten am Leben erhalten. Doch den Weg nach Innen geht der Mensch nicht. Die Bestimmung bleibt unerkannt. Die Impulse der Seele gehen in der permanenten Ton- und Bilderflut unter. Und zwar um so mehr, je brillanter und knackiger die zahllosen Displays strahlen.
Dennoch gibt es ein subtiles zehrendes Sehnen und Streben nach dem Sein jenseits des Materiellen. Da wir es aber von klein an gewöhnt sind Sehnsüchte im AUSSEN zu erfüllen und uns das endlos weite INNEN kaum mehr als eine Metapher ist, wird aus dem geistigen Sehnen – ein iPad, iPhone oder ein Browser-Game. Wir schaffen uns sozusagen eine künstliche geistige Welt im Außen – und nennen sie virtuell – statt uns der REALITÄT INNEN zuzuwenden. Diese Welt ist jedoch grobstofflich, wie es gröber kaum geht.
Traum von UNENDLICHKEIT im ENDLICHEN geträumt: Wie soll man da noch Lust am Aufwachen haben?
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GURU JOSH PROJECT – Infinity 2008
Damit wir schicke Apps auf dem iPhone benutzen und spannende Welten am PC erschaffen können, brauchen wir Millionen stark strahlende Sendemasten, Myriaden von Servern und natürlich Geld, um unsere bequeme Flatrate bezahlen zu können. Der Traum von Geistigkeit wird zur Realität des Virtuellen „umgelenkt“ – in die entgegengesetzte Richtung, hin zum Stoff. Steven Pinker, Mainstream-Psychologe von der Harvard Universität hat nun neulich in einem Essay behauptet:
„Der Einfluss der neuen Medien ist wohl begrenzter, als die Ängste davor vermuten lassen.“
(Süddeutsche Zeitung, 5. Juli 210).
Die Headline zum Beitrag lautet: „Man ist nicht, was man isst.“ Jede einfache Hausfrau kann dem mehr Sachverstand entgegen bringen. Denn sie weiß: Das Kind ist sehr wohl was es isst. Nur Pommes etwa macht dick und krank, obwohl das Kind sie liebt. Möglich, dass es dem „Seelen-Kinde“ in uns ähnlich geht. Nichts gegen ein iPhone im Alltag, solange wir nicht vergessen: der „iSpirit“ ist virtuell, als nicht wirklich. Zu viel davon macht fett und krank – im spirituellen Sinne. Wirklich ist nur GEIST – SPIRIT.
(Kô-Sen)
Zuletzt aktualisiert: 10.07.2010 von Heinz Knotek