Wenn es um den Sucher im Laufe des Lebens immer ruhiger wird, ist das eigentlich ein gutes Zeichen. Hat er einmal realisiert, dass die LEERHEIT aller Dinge, von denen in den buddhistischen, taoistischen und hinduistischen Schriften die Rede ist, nicht nur Metapher sondern konkrete Wirklichkeit ist, verliert das betriebsame Treiben um ihn herum viel von seiner Wichtigkeit.
Bindungen – oft ausdauernd und schwer zu lösen (Symbolbild). Bild: Ko-Sen
Umso mehr kann eine Sehnsucht nach Gleichgesinnten entstehen, die leicht zur SEHNENDEN SUCHT ausufert. Von diesem Phänomen lebt der Esoterikmarkt. Fangemeinschaften von Gurus, Geistschulen, Vereine und Gesellschaften bilden einen attraktiven Angebotsmarkt. Doch sich einer Gruppe anzuschließen kann den Abschluss eines bedenklichen Deals bedeuten. Man gibt Gold und bekommt Glasperlen.
Im Einweihungsroman DER EINGEWEIHTE wird das Problem meisterhaft in der Geschichte des reichen ANTONIUS umgesetzt. Vom ewigen Sinnengenuss übersättigt, steigt in ihm ein unstillbares Verlangen auf, im Dasein nach einem Sinn zu suchen. Durch „Zufall“ begegnet ihm ein unscheinbarer Bettler, der sich aber als eine Art spiritueller Botschafter entpuppt. Antonius erfährt, dass seine Suche einen Namen hat: Die Suche nach Wissen, Erkenntnis, Selbsterkenntnis, kurz dem STEIN DER WEISEN. Doch um diesen goldgleichen Schatz zu finden, bedarf es – zunächst – der Gemeinschaft mit anderen Suchern:
Wisse … dass wahres Wissen allein in der Seele zu finden ist, und der Weg zu deiner Seele geht durch das Herz, aus dem alle Dunkelheit verbannt werden muss durch das Licht der Selbstlosigkeit … Was du erstrebst, ist hier nicht zu finden, sondern auf dem Gipfel der schneebedeckten Berge dort drüben. Dort wohnen die Meister der Weisheit und warten immer darauf, ihre unermesslichen Schätze der Erleuchtung mit jenen zu teilen, die mutig und ausdauernd genug sind, den großen Anstieg zu bewältigen. Nur die Selbstlosen jedoch können das Recht erlangen, dieses Wissen zu erwerben, und so ist eine der Bedingungen, dass du die Reise nicht allein unternimmst, sondern auch andere zu ihrem Tempel der Weisheit führst …
Quelle: DER EINGEWEIHTE, Eindrücke von einer großen Seele von seinem Schüler, Band I.
Antonius, der keine Freude mehr an Wirtshausgesprächen und die Gemeinschaft mit seinen Kumpanen hat, sucht nun nach Gefährten auf dem Pfad. Oder wenigstens nach EINEM Gefährten. Doch selbst NUR EINEN zu finden, gestaltet sich als schwierig. Schließlich und auf ganz unerwartete Weise, stellt sich nach einigem Suchen und langem Warten eine Wegbegleiterin bei ihm vor. Die gemeinsame Reise zu den symbolischen schneebdeckten Gipfeln beginnt. Kurz vor dem Gipfel jedoch trennen sie sich. Ab einem bestimmten Punkt muss man den Pfad allein beschreiten. Wie man auch allein geboren wird und allein stirbt. Wenn es Zeit ist, Gruppen und Communities hinter sich zu lassen, beginnt sich das Ego mächtig zu wehren. Alles ist so vertraut und gewohnt. Man fühlte sich heimisch. Das gibt man ungern preis.
Das GOLD des SELBST
Die gelebte Gemeinschaft mit Gleichgesinnten wird in der Hindu-Tradition als Satsang bezeichnet. Der Kontakt mit Gleichgesinnten ist unverzichtbar auf dem Pfad. Doch die Tradition des Satsang ist nicht auf das physische Nebeneinander von Personen beschränkt, sondern bezieht sich auch und vor allem auf eine „Bruderschaft im Geiste.“ In dem Maße, wie sich eine Gemeinschaft auf Vorschriften, Rituale, Funktionen, ihren Guru und letztlich auf SICH SELBST auszurichten beginnt, bindet sie iher Mitglieder zunehmend an die materielle Form. Sie wird Zweck; ist nicht mehr nur Mittel. Das ist das Ende aller Spititualität, die eigentlich von genau solchen Bindungen frei machen sollte.
Das Verlassen einer Gruppe in einer solchen Situation kommt einem Abnabelungsprozess gleich. Und kann schmerzhaft sein. Oft bildet die Gruppe dabei ein Bedrohungspotential. Wenn etwa eine religiöse Gemeinschaft behauptet, ihre Mitglieder würden sich in einem speziell schützenden geistigen Magnetfeld befinden, dann bedeutet der Austritt faktisch den Verlust dieses vermeintlichen Schutzes. Bedrohlich kann es auch werden, wenn eine Gemeinschaft auf den Verkündigungen eines kultisch verehrten Gründers basieren. Solche Gruppen halten sich oft für mehr oder weniger „auserwählt.“ Wer diesem Wahn zu entfliehen sucht, zieht sich als Verräter bitterböse Feindschaft zu.
Besondere Beachtung verdienen die astralen Bindungskräfte einer Gruppenbindung. Sie überdauern die Inkarnation und werden im Zwischenreich auf die Seele eine entsprechend starke Anziehung ausüben. Und damit den symbolischen Aufstieg vorerst behindern oder gar aufhalten. Und das solange, bis der Sucher erkennt, dass das Gold des Steines der Weisen IN SEINEM SELBST liegt. Einer Gruppe dienen, bedeutet das GOLD des SELBST zu geben. Es kann bedeuten, dafür die Annehmlichkeiten irdischer Glasperlen einer temporären Gemeinschaft zu bekommen. Risiken und Nebenwirkungen inklusive.
Zuletzt aktualisiert: 20.01.2008 von Heinz Knotek