Was ist Grundlage unserer Kultur? Die Nachrichten bringen, dass in Tschechien die Bibel zum Renner in den Buchhandlungen avanciert. Bibel-Käufer an der Kasse nach den Gründen befragt, geben an, dass das Fundament unserer Kultur letztlich das Christentum sei. Letztlich?
Gerade Kirchen mit Austrahlung stehen oft auf dem Fundament vorchristlicher heiliger Stätten. (*)
Der Prager Weihbischof Vaclav Maly frohlockt und hofft für seine Kirche auf Zulauf und damit Mehreinnahmen. Dabei hofft er offenbar vor allem auf die Unkenntnis seiner Landsleute zu historischen Tatsachen. Das Christentum ist ohne Frage Teil unserer Kultur. Doch wer die neuzeitliche Religion für die Grundlage europäischer Kultur hält, begeht einen Irrtum – bewusst oder unbewusst.
Wesensmerkmal europäischer Kultur …
das Fehlen letztendlicher Grundlagen
Es gibt wenig Zeugnis von dem was tatsächlich „letztlich“ geistige Grundlage der europäischen Kultur ist. Bekannt ist nur, dass fanatische Missionare eine bis zum Auftauchen des Christentums im ersten Jahrhundert u. Z. bestehende naturreligiöse Tradition mit Stumpf und Stil ausrotteten. In Mitteleuropa sollen etwa ganze Eichenwälder abgeholzt worden sein, nur damit sich keine Druiden zu ihrer Art Verehrung des EINEN GÖTTLICHEN zusammenfinden konnten. Die Bekehrung erfolgte entweder durch Bestechung von Stammesfürsten oder durch gnadenlosen Terror mit Waffengewalt.
Religiöse Praxis basierte vor dem Auftauchen christlicher Missionare auf einem mündlich überlieferten Kodex an Verhaltensweisen und Ritualen. Schriftwerke waren nicht üblich. Das erklärt, warum die alten Naturreligionen in Europa nach dem Einsetzen der Verfolgung durch Missionare schnell sang- und klanglos aus dem öffentlichen Bewusstsein verschwanden: Die Traditionslinien mündlicher Überlieferung waren zerschnitten. Manch weise Frau oder heiliger Mann ergriff die Flucht nach vorn. Nach außen unterwarf man sich der Bekehrung zum Christentum. Aber nur, um innerlich die mystisch-esoterische Tradition bewahren zu können.
Das Christentum ist also historisch nachweisbar nicht Grundlage europäischer Kultur, sondern ein mit Gewalt, Mord und Totschlag oktroyiertes System. Das, was die Überwerfung erfahren hat, bleibt auf ewig im Dunkeln. Wesensmerkmal europäischer Kultur ist daher, Dank christlicher Missionierung, das Fehlen letztendlicher Grundlagen. Die Suche nach den wirklichen Grundlagen des europäischen Wesens hat im 20. Jahrhundert neben kitschiger Druidenromantik vor allem die Sumpfblüte rechten Extremismus hervorgebracht. Also nichts, was erstrebenswert wäre. Sich nun aber in die Sichtweise zu flüchten, das Christentum wäre unsere letztendliche Grundlage ist nicht nur Selbsttäuschung. Es ist auch gefährlich, wie als jüngstes historisches Beispiel die christlich motivierte Kriegstreiberei der Ära von US-Präsidenten George W. Bush (2001 – 2009) zeigt.
Gleichberechtigt im interreligiösen „Angebot“
Das Fehlen historisch fundierter Grundlagen hat für die europäische Kultur aber auch entscheidende Vorteile. In Europa hat sich vor allem nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges ein Klima religiöser Offenheit und Toleranz herausbilden können. „Jedem nach seiner Façon,“ so das Motto. Neben den drei abrahamitischen Religionen (Christentum, Judentum, Islam) sind auch viele andere spirituelle Bewegungen gleichberechtigt im interreligiösen „Angebot.“ Grundlage europäischer Kultur des 21. Jahrhunderts ist gelebte Gleichberechtigung geistiger Ideen1.
Immer wieder … hat man den Eindruck, dass die Kirche glaubt, sie selbst … müsse … verehrt werden. Das ist ein gefährlicher Irrtum. (Quelle: DER DREIKÖNIGSWEG )
Linksunten:
Minarettverbot: Politische Korrektheit
(*) Text/Bild: Kô-Sen
- Wobei Gleichberechtigung auch das Einhalten von Regeln impliziert. Religionen, die sich für besser als andere halten oder gegen Andersgläubige hetzen, werden sich refomieren müssen, wenn sie zukünftig das Recht gleichberechtigter Behandlung in Anspruch nehmen wollen. ↩
Zuletzt aktualisiert: 31.12.2009 von Heinz Knotek