Als das Deutsche Fernsehen zur besten Sendezeit den kabarettistischen Jahresrückblick 2007 von Dieter Nuhr ausstrahlte, blieb dem anwesenden Publikum einmal kurz das Lachen im Halse stecken. Nuhr berichtete zunächst davon, dass Papst Benedikt XVI. letztes Jahr die Vorhölle für Kinder mit päpstlichem Erlass abgeschafft hätte.
Höllenansicht von Coppo di Marcovaldo, 1225/30. (Foto: Public Domain)
DAS STIMMT WIRKLICH, musste Nuhr nachsetzen, weil die Leute ungläubig stutzten und die Sache für einen schlechten Scherz zu halten schienen. Doch dann kam sinngemäß das, was endgültig alles Lachen auf den Gesichtern gefrieren ließ:
Wenn das jemand öffentlich verkündet hätte, der nicht gerade Papst ist, würde man ihn ohne Zögern in die Irrenanstalt gesteckt haben. So aber, blieb es folgenlos…
Das war keine Comedy mehr, sondern Beschreibung einer betroffen machenden Wirklichkeit. Würde jemand die Bemerkung Nuhrs in einem gewöhnlichen redaktionellen Beitrag gemacht haben, wäre eine Strafanzeige wegen Verletzung religiöser Gefühle nicht unwahrscheinlich. Allerdings dürfte kein normaler Mensch den „Gnadenakt“ des Papstes auch nur mitbekommen haben. Vermöge der Nuhr-Comedy hingegen kann es hören, wer Ohren hat…
Laut katholischem Dogma landen unter anderen tote Kinder in der Vorhölle, wenn sie nicht getauft sind. Bislang dürften die meisten Menschen unterschwellig angenommen haben, dass die Hölle ein Produkt des Teufels ist und zugleich dessen Wohnstatt. Nicht grundlos nennt man den Hinkefuß ja auch den Widersacher. Doch der ist scheinbar gar kein Widersacher, sondern irgendwie der Befehlsgewalt des obersten Katholiken untergeordnet. Weil wenn nicht, könnte ja der Papst keine Vorhöllen und ähnliches abschaffen oder einrichten…
Sie werden wenigstens direkt und freundlich erinnert
Wenn jedoch der Papst so mir nichts dir nichts die Organisationseinheiten in der Hölle umstrukturieren darf und kann, mit der Location also bestens vertraut ist, und der Teufel sich fügen muss – wieso sollen dann Hölle und Teufel so zum Fürchten sein; oder noch besser; warum zum Teufel schafft der Papst dann die Hölle und den Teufel nicht gleich ganz ab?
Und wieso eigentlich nur Kinder. Was ist mit den anderen Ungetauften. Die lässt ER, also der Papst, weiter schmoren? Aber das würde doch bedeuten, dass der Papst selbst der oberste Höllenchef ist. Um Gottes Willen! Wenn die Hölle tatsächlich in den Zuständigkeitsbereich des Papstes fällt (was man irgendwie nicht richtig glauben mag…) bleibt einem allerdings in der Tat nur der Übertritt zum Katholizismus übrig. Damit wäre man auf der sicheren Seite. Werden einem doch schließlich dann nicht nur ALLE (!) Sünden abgenommen, man entgeht auch dem päpstlichen Exekutor in der Vorhölle.
Schon verwirrend, das alles. Aber wenn sich denn die ökumenische Haltung des Vatikans wirklich selbst bis auf die Hölle erstreckt, dann kann man auch die erneute Einführung der alten Osterlithurgie verstehen. Ist diese doch lediglich die dezente Erinnerung der Juden, dass sie den falschen Glauben anhängen – aus Sicht des katholischen Dogmas. Und der katholische demzufolge der einzig richtige ist. Dabei haben die Juden noch Glück. Sie WERDEN wenigstens direkt und freundlich erinnert. Hindus, Buddhisten, Taoisten und Moslems haben nicht so ein Glück. Die erinnert niemand.
In dem Sinne kann man auch froh sein, dass der Münchener Erzbischof Reinhard Marx – selbst keine Gelegenheit auslassend gehört, gesehen und zitiert zu werden – die Christen aufgerufen hat, sich generell mehr einzumischen und ihren Glauben mehr herzuzeigen. Guter Hinweis. Religion als stilles inneres Gebet? Das ist unzeitgemäß. Man muss lauter rufen, sonst hört einen ja keiner. Ist in der Werbung und bei der Boulevard-Presse auch der Schlüssel für mehr Umsatz. Vor allem bekommen dadurch auch die Hindus, Buddhisten, Taoisten und Moslems die Chance, zu hören was Marx zu sagen hat. Zum Beispiel dass man das mit der Unsterblichkeit vergessen kann. Woher Marx das weiß? Marx ist ein Mann des Glaubens. Und Glauben ist nicht Wissen, heißt es. HEINZ KNOTEK
Zuletzt aktualisiert: 17.10.2011 von Heinz Knotek