Bei einem seiner Besuche im Tibetischen Zentrum Hamburg warnte der Dalai Lama in den 1990er Jahren die deutschen Mönche und Nonnen, die kahl geschoren und schulterfrei im safranfarbenen Gewand seiner harrten, dass man sich nicht zu sehr auf die äußere Form des Buddhismus konzentrieren solle.
Im Westen ist der Buddhismus hipp wie ein Marken-Turnschuh geworden – zu Lasten seiner reformatorischen Kraft. Bild: Ko-Sen
Sinngemäß sagte er, dass es nicht so sehr auf Kutte oder Glatze ankommt, sondern auf die Geisteshaltung, die jemand hat. So könne auch das Scheren der Haare oder das Tragen einer traditionellen in Asien üblichen Kleidung nicht vor Anhaftung, Egoismus und anderen schlechten Eigenschaften schützen. Im Gegenteil. Daraus könnten neue Anhaftungen entstehen.
Diese Bemerkung tauchte damals nur kurz in der Presse auf. Zitiert wurde sie seitdem wohl kaum. Obwohl sich eine dringende Warnung dahinter verbirgt. Die Buddhismus-Rezeption des westlichen Kulturkreises droht, diese einst reformatorische Philosophie (Re=Formation des in reaktionärem Kastenwesen erstarrten Hinduismus) und – in ihrer esoterischen Form – Weisheitslehre zu verwässern. Aus einem kraftvollen reformatorischen Impuls und einer inspirierenden Weisheitslehre wird so eine intellektuelle Spielerei, eine windelweiche Religion und ein flacher Wellness-Kult.
Buddhismus – ein Reformationsimpuls
Als Buddha seine Lehre von den VIER EDLEN WAHRHEITEN und dem ACHT- FACHEN PFAD verkündete, gab er damit vor allem den von der Gesellschaft Ausgestoßenen Hoffnung und Mut. Das starre Anhaften am überlieferten Kastenwesen hatte eine eitle und machtgierige Priesterkaste hervor gebracht. Das Wissen um Gott und die Wege zu IHM war scheinbar nur exklusiv über sie zu erlangen. Wer aber keiner Kaste angehörte, also ein Unberührbarer war, blieb gänzlich von Gott abgeschnitten. Gegen dieses Dogma – das etwa tausend Jahre später im Gewand des Kirchenchristentums im Westen wieder auferstand – richtete sich die „frohe Botschaft“ (=Evangelium) Buddhas.
Kleine Tasche, die – neben anderen Utensilien – eigenhändig nähen muss, wer im Zen-Buddhimus das Bodhisattva-Gelübde abzulegen gedenkt. Leerer Kult oder bewusst angewandtes Symbol? Bild: Ko-Sen
Ob als „Zen für Manager“ oder „Meditation gegen Wechseljahre-Beschwerden“ – keine Adaption des Buddhismus ist zu banal, dass man nicht ein Seminar oder einen Buchtitel daraus machen könnte. Doch nur weil es keine reformierungswerte Religion gibt, muss der Reformationsgedanke nicht aufgegeben werden. Was wird reformiert, wenn die schwarze Kutten tragenden Zen-Jünger stundenlang weiße Wände anstarren oder safranfarben gekleidete Mönche und Nonnen den fast katholisch anmutenden Ritus des tibetischen Buddhismus zelebrieren? Das Ego der Beteiligten wird dadurch harmonisiert, das Mind zumindest vorübergehend zur Ruhe gebracht. Das ist alles gut und edel. Doch wer dabei nicht ausdrücklich die Überwindung seines Egos im Mind (DENKEN) hat, der reformiert es nicht, sondern stärkt es.
Esoterischer Buddhismus = Weisheitslehre
Unter Weisheitslehre wird hier nicht das Wissen um die vermeintliche Wirkung magischer Rituale verstanden – das hat NICHTS mit Esoterik zu tun. Gemeint ist stattdessen einerseits das Wissen um die im Menschen verborgenen Fähigkeiten, etwa die Existenz und Funktionsweise seiner astralen Sinne. Und andererseits plausible Thesen zum generellen Zweck des Daseins und dem WOHER und WOHIN der Schöpfung, also einer Kosmogenesis und Anthropogenesis.
Die Weisheitslehre des Buddhismus droht, in dessen „schön“ angepassten westlichen Gewand an Kontur zu verlieren oder ganz zu verschwinden.
Bild: Ko-Sen
Doch mit wenigen Ausnahmen meiden westliche Buddhisten die Esoterik wie der sprichwörtliche Teufel das Weihwasser. Man will sich verständlicherweise bewusst abgrenzen vom eher trüben Esoterikmarkt. Leider geht dabei die erkenntnistheoretische Seite des Buddhismus vollkommen verloren. Fragt man einen modernen Zen-Meister nach Reinkarnation, kann man bestenfalls mit kryptischen Koans als Reaktion rechnen, nicht aber mit einer die suchende Seele befriedigenden Antwort. Wenigstens teilweise kommt die WEISHEITS- LEHRE aus einer anderen Richtung zu uns zurück. Etwa in Gestalt der Gnosis der Tradition der Rosenkreuzer oder in den Predigten christlicher Mystiker, wie Meister Eckehart oder Johannes vom Kreuz, die manche übrigens als Bodhisattvas ansehen.
Oft wird eingewandt, dass Buddha keine esoterischen Lehren verbreitet und sich nicht konkret über Karma und Reinkarnation geäußert hätte. Wozu sollte er? Warum sollte Shakyamuni Buddha etwas lehren oder erfinden, was es längst in Vollendung gab – in Gestalt der großen indischen Schriftwerke, den VEDEN und UPANISHADEN? (Ko-Sen)
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Süddeutsche Zeitung: Süßes Früchtchen
Zuletzt aktualisiert: 06.04.2008 von Heinz Knotek