Polizisten, die ihre von Verbrechern ermordeten Familienangehörigen oder Kollegen gnadenlos mit den Mitteln der Mörder rächen, sind zumindest im Film stets tragische Verlierer. Der blutige Rachefeldzug führt in der Regel zur Selbstvernichtung. Und wenn nicht bleibt das Geschäckle, dass Selbstjustiz bei aller gefühlten Gerechtigkeit eben doch ein Verbrechen ist.
Im Namen der pathetischen Formel „Kampf gegen den Terror“ ist staatlich angeordnetes Töten ohne Strafprozess und Urteil inzwischen alltägliche Praxis geworden. In jedem einigermaßen niveauvollen Krimi bemühen sich die Cops auch den übelsten Verbrecher lebendig zu fassen, damit er nach Gesetz und Ordnung verurteilt und dann gemäß Urteil bestraft werden kann. Regierungen, die das Töten mutmaßlicher Terroristen ohne Strafprozess und Urteil anordnen, treiben Demokratie und Rechtsstaat in die Wildwest-Barbarei. Die tragischen Verlierer sind die Bürger die man vorgibt schützen zu wollen.
Ferngesteuerte Töten – alltäglich, regulär, normal
In welchem Ausmaß das bürgerliche Rechtsempfinden bereits betäubt und abgestumpft ist, lässt sich an den Headlines der seriösen Nachrichtenmedien und den Kommentaren der entsprechenden Online-Artikel ablesen. Dass es nicht gelungen ist eines Schurken habhaft zu werden und ihn der demokratisch legitimierten Justiz zuzuführen wird nicht etwa bedauert und selbstkritisch analysiert. Die Meldung über das ferngesteuerte Töten eines mutmaßlichen Terroristen OHNE Strafprozess und rechtskräftigem Urteil kommt stattdessen betont sachlich daher, etwa „Der Mentor des islamistischen Terrors ist tot1“ oder „Terrorist al-Awlaki getötet2“. Klingt alltäglich, regulär, normal, so wie Schuldenkrise oder Protest gegen „Stuttgart 21“.
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Die Automatisierung des Krieges. © 3sat
Dabei existiert offensichtlich ein generell erhebliches Defizit bei der kriminalistischen Kompetenz. Statt Straftäter professionell aufzuspüren, zu verhaften und dem Haftrichter vorzuführen werden ferngesteuerte Drohnen zur gezielten Tötung losgeschickt, unter bewusster Kalkulation von „Kollateralschäden“ – also der Tötung Unbeteiligter.
Wer kritisch drauf hinweist, dass diese Wildwest-Praxis Demokratie und Rechtsstaat bedrohen, muss sich oft fragen lassen, ob er denn für Terroristen sei. Doch ist diese Reaktion nicht auch Ausdruck eines undemokratischen Rechtsempfindens? Natürlich weint kein vernünftiger Mensch dem Tod eines Terroristen nach. Um den oder die geht es auch nicht. Es geht um die Untergrabung hehrer rechtsstaatlicher Prinzipien. Oder um die Sorge darüber, dass Terroristen über den „Kampf gegen den Terror“ am Ende doch ihre Terrorziele erreichen könnten. HEINZ KNOTEK
Zuletzt aktualisiert: 24.07.2013 von Heinz Knotek