Mit Auszügen aus „Initiation into Yoga“ von Sri Krishna Prem
Die letzte Seite von La très Sainte
Trinosophie – bis heute nicht
entschlüsselt. Grafik (*)
Der Papst mahnt zur Bibeltreue, muslimische Gelehrte predigen Gläubigen, ihr Leben ganz nach dem Koran auszurichten. Auch Esoterikern sind Bücher wichtig. Gehören sie der einen oder anderen Glaubensrichtung an, wird diese sehr wahrscheinlich in „heiligen“ Texten beschrieben, die einmal ein Guru oder Gründer aufgeschrieben hat. Als religiös oder spirituell gelten Bücher in der Regel nicht wegen ihres anerkannt göttlichen Gehalts, aus dem dann eine höhere Herkunft geschlossen wird. Es ist umgekehrt. Weil behauptet wird, ein Buch sei göttlichen oder „geistigen“ Ursprungs, wird gefolgert, der Inhalt müsse religiös und damit WAHR sein. Auf diese Weise kann der größte Unfug oder jede unlogische und falsche Behauptung zum religiösen Dogma werden. Wer in Büchern nach DER WAHRHEIT sucht, wird daher fehlen. In seinem Werk INITIATION INTO YOGA begründet Sri Krishna Prem, warum das so ist und was „heilige Schriften“ wirklich bedeuten.
SRI KRISHNA PREM: Initiation into Yoga1
(Auszug – Übertragung aus dem Englischen: Redaktion Trinosophie-Blog)
Eines der größten Hindernisse beim Suchen der Wahrheit ist der unter religiösen Menschen verbreitete Glaube, die WAHRHEIT wäre in Büchern niedergeschrieben oder in „heiligen Schriften“ enthalten. Die Christen betrachten die Bibel als „Wort Gottes,“ obwohl sie eine Reihe unrichtiger und widersprüchlicher Aussagen enthält. Gläubige Hindus sagen, die Veden wären apaurushea, was auf die Annahme hinweist, sie würden nicht von einem menschlichen Autor stammen; trotz der offensichtlichen Tatsache, dass sie von bestimmten rishis zusammengestellt wurden. Auf ähnliche Weise hat jede Religion und Glaubensrichtung ihre heiligen Bücher, die im guten Glauben für wahr gehalten werden. Obwohl viel Aufwand getrieben werden muss, einzelne Aussagen, die mit anderen Erkenntnissen kollidieren, einigermaßen damit in Einklang zu bringen.
Es ist keineswegs beabsichtigt, uralte Schriften, die zu den inspirierendsten Werken menschlichen Denkens gehören, herabzuwürdigen. Sie sind für den Sucher ohne Frage von immenser Hilfe. Doch es kann nicht deutlich genug betont werden, dass blinde Akzeptanz des geschriebenen Wortes schädlich ist und wirksam die Erlangung von WAHRHEIT verhindert.
Von Gott geschrieben – was immer das heißen mag
Manche argumentieren, dass selbst wenn ein Buch, das einen göttlichen Ursprung haben soll, in Wirklichkeit nicht von Gott geschrieben wurde (was immer das eigentlich bedeuten mag), es zumindest das Werk großer Seher ist, dessen Wissen weit über unseres und das unserer Vorfahren hinaus geht. Und man daher auf solche Schriften vertrauen kann. Doch das funktioniert auch nicht.
Als Erstes wissen wir nicht, wer genau ein Buch geschrieben hat. Ein Seher mag es eigenhändig verfasst haben oder einer seiner Schüler mit vielleicht nur begrenztem Verständnis der Lehren seines Meisters. Es kann aber auch von jemandem stammen, der durch die Adaption eines großen Namens bei seinen Mitmenschen Aufmerksamkeit für seine Ideen erregen wollte. Es ist zum Beispiel unsinnig anzunehmen der Hindu-Weise Vyâsa hätte alles, was unter seinem Namen veröffentlicht wurde selbst verfasst, was auch die zahlreichen widersprüchlichen Aussagen in den Purânas erklären würde.
Teil des Deckblatts zu La très Sainte Trinosophie – nur bedrucktes Papier, das erst in unserem Mind eine Bedeutung erhält. Grafik (*)
Zweitens müssen wir in Betracht ziehen, dass sich im Laufe der Jahrhunderte während der Weitergabe von Büchern alle möglichen Veränderungen in die Texte eingeschlichen haben. Wichtige Passagen wurden entfernt, neue Abschnitte eingefügt
Drittens: Selbst unter der Annahme, ein entsprechendes Buch würde exakt die ursprünglich von einem Weisen niedergeschriebenen Worte enthalten, ist es nicht empfehlenswert, das Werk blindlings zu akzeptieren. Die in einem Buch enthaltenen Worte sind nicht die WAHRHEIT, die der Seher einst erblickte. Sie sind der für die damalige Zeit passende verbale Ausdruck dessen. Täglich können wir erleben, wie Worte bei verschiedenen Personen ganz unterschiedliche Dinge bedeuten können. Daher ist es naiv anzunehmen, dass die vor zweitausend Jahren an einen Schüler gerichteten Worte uns heute dieselbe Bedeutung vermitteln können.
Grundsätzlich ist die Vorstellung, Aussagen in einem Buch könnten Wissen und Weisheit enthalten, völliger Unsinn. Bücher bestehen aus einer Anzahl schwarzer Markierungen auf weißem Papier (oder Ähnlichem). Was diese Markierungen für uns bedeuten hängt von den Vorstellungen und Konzepten in unserem Mind sowie den gewonnen Erfahrung ab. Ohne bestimmte Erfahrungen durchlebt zu haben, ist es völlig unmöglich den wirklichen Sinn und die Bedeutung des Geschriebenen zu verstehen – egal wer der Autor war.
Es sei nochmals ausdrücklich betont, dass es hier nicht darum geht, das Studium der alten Schriften herabzuwürdigen. Ich selbst habe großen Nutzen aus solchen Studien gezogen. Doch gefordert ist nicht blinder Glauben – sondern intelligentes Studium2. (Kô-sen)
(*) Mit freundlicher Genehmigung von Médiathèque de l’Agglomération Troyenne.
- Aus: Sri Krishna Prem, Initiation into Yoga, An introduction to the spiritual life; Bombay 1976 ↩
- In einem nachfolgenden Auszug geht es darum, WIE denn nun Bücher sinnvoll bei der Suche nach WAHRHEIT zu benutzen sind ↩
Zuletzt aktualisiert: 18.01.2009 von Heinz Knotek