Hetzerische Osterpredigt: Im Glashaus sitzend mit Steinen werfen
Man mag sich verdutzt die Ohren reiben: Allen Ernstes behauptet ein Vertreter ausgerechnet der Organisation, die wie keine andere im Namen Gottes und der Inquisition massenhaft mordete und morden ließ, weltweit ganze Völker und Volksgruppen über Jahrhunderte verfolgt und ausgerottet hat, Gottlosigkeit wäre ursächlich für das Massenmorden im Nationalsozialismus und Kommunismus verantwortlich. Das ist, als ob Bischof Mixa mit seiner Osterpredigt im Glashaus sitzend mit Steinen um sich werfen würde.
Der Großinquisitor und der Papst. Gemälde von Jean-Paul Laurens, 1882. Foto: gemeinfrei
Aber vielleicht ist das ja der Anfang einer längst überfälligen selbstkritischen Aufarbeitung der eigenen unrühmlichen Vergangenheit, inklusive der Verstrickungen im Nationalsozialismus. Bei der Gelegenheit könnte die katholische Kirche gleich die von der braunen Diktatur gern angenommene Segnung aufgeben: Das Eintreiben des Kirchenzehnten durch den Staat über die Lohn- und Einkommenssteuer! Doch das nur nebenbei.
Ideen wichtiger als Menschen
In der Süddeutschen Zeitung vom 21. März konnte man in einem Essay von Sonja Zekri über den neuen Papst lesen:
Josef Ratzinger war … stets kompromisslos reaktionär, und ist es bis heute geblieben. Damals wie heute gilt ihm der Mensch weniger als die Einheit der Institution, das Prinzip mehr als ein Leben, und die Folgen sind so verheerend wie immer, wenn Ideen wichtiger als Menschen werden.
Das Zitat enthält einen Schlüssel, mit dem sich die bewusste Geschichtsverdrehung und latente Verleumdung Andersgläubiger (wozu auch Nicht-Gläubige zählen) durch Mixa erkennen lässt. Denn tatsächlich war die treibende Kraft hinter den Massenmorden der braunen und roten Diktaturen nicht das Nicht-Glauben an einen (christlichen) Gott, sondern der fanatische Glaube an eine Idee, in der – ähnlich wie beim katholischen Dogma – die Idee wichtiger war als der Mensch.
Bei den atheistischen Kommunisten führte der Aberglaube, eine Diktatur des Proletariats würde soziale Ungerechtigkeit auf ewig beenden, zu massenhaft blutiger Unterdrückung „Andersgläubiger.“ Bei den Nationalsozialisten war der Irrglaube vom ausgewählten und berufenen Volk die treibende Kraft zum Massenmord und eigenen Untergang. Aggressive Ideale verbunden mit konkreten Feindbildern waren die Ursache für die Leiden in den roten und braunen Diktaturen. Aggressive Ideale und konkrete Feindbilder predigt aber auch Mixa in seiner Osterpredigt. Würde sich eine politische Partei derart gerieren – der Verfassungsschutz würde wegen des Verdachts der Volksverhetzung in Erscheinung treten. Zu Recht.
Büßerkreuz1.
Mixa spricht in seiner Osterpredigt davon, dass eine Gesellschaft ohne Gott die Hölle auf Erden sei. Man muss nur in den Seiten der Geschichtsbücher blättern und die täglichen Nachrichten verfolgen, um das genaue Gegenteil erkennen zu können. Immer dann wurde und wird die Erde zur Hölle, wenn Einzelne, Gruppen oder Staaten sich von Gott berufen wähnten, und in dessen Namen IHRE Vorstellung von Gott mit Gewalt anderen Menschen aufzuzwingen versuchen.
Angesichts der unverändert praktizierten klerikalen Zusicherung, dass alle (!) Sünden eines Gläubigen weggenommen werden, wenn dieser sich nur ernsthaft zu Gott und Kirche bekennt, mutet es wie Blasphemie an, wenn ein Bischof pauschal Atheisten unterstellt, sie wären aufgrund fehlender Gott-Gläubigkeit für Massenmorde der Vergangenheit verantwortlich. Denn einmal von allen Sünden befreit, könnte gerade ein seinen katholischen Glauben all zu wörtlich nehmender Straftäter leicht auf die Idee kommen, erneut straffällig zu werden. Nicht nur muss ihn kein schlechtes Gewissen plagen, die Sünden sind doch vergeben. Er mag sich gar zu neuen Straftaten motiviert führen, denn was immer passieren mag; er kann er sich ja wieder „Reinwaschen“ lassen.
Intoleranter und dämagogischer Kirchenfürst
Der Atheist dagegen, einmal straffällig geworden, steht allein SEINEM Gewissen und der jeweils vorherrschenden Gesetzlichkeit gegenüber. Er muss mit seiner Schuld ganz allein zurecht kommen, kann sich nicht der Illusion ergeben, den von ihn gesetzten Ursachen entkommen zu können. Und er muss zukünftiges Tun so gestalten, dass Schuld abgezahlt und nicht noch mehr angehäuft wird. Außerdem – Atheisten müssen ihren bezüglich der Existenz eines Gottes verneinenden Glauben nicht auf Kosten Andersgläubiger aggressiv rechtfertigen und verteidigen.
Atheisten, die aufrichtig einem Moralkodex folgen, sind also in gewisser Weise sogar verantwortungsvollere Mitmenschen. Allerdings – das Fehlen eines spirituell/religösen Rahmens macht den bekennenden Atheisten anfällig, ethische Grundsätze – etwa im Dienste einer Forschung – zu übertreten. Doch das Übertreten ethischer Grundsätze ist auch dem katholischen Glauben nicht fremd. Etwa wenn der Papst im AIDS-geplagten Afrika das Benutzen von Kondomen verbietet…
Mixa zitiert in seiner Predigt Fjodor Dostojewski und liefert damit selbst einen weiteren Schlüssel zum Wesen seiner Mission. Man lese Dostojewskis Legende DER GROSSINQUISITOR aus dem Roman Die Brüder Karamasow. Darin kommt der Liebe, Toleranz und Sanftmut verbreitende Jesus zurück in das Spanien der Inquisition. Das passt dem machtbesessenen intoleranten und dämagogischen Kirchenfürsten gar nicht. Zynisch wendet er sich daher zu Jesus:
Du bist gekommen, uns zu stören. Morgen werde ich Dich verbrennen.
Mixa – ein potentieller Großinquisitor? (Kô-Sen)
Linksunten: Der Theologe
- Schandmal: Ketzer, die vor der Inquisition ihrer Häresie abschworen, erhielten die Absolution und hatten normalerweise mit leichten, als Buße gedachten Strafen zu rechnen, etwa das zeitlich befristete Tragen von gelben oder blauen auf dem Gewand aufgenähten Büßerkreuzen. ↩
Zuletzt aktualisiert: 13.04.2009 von Heinz Knotek
Das ist ein wirklich hervorragender Artikel, noch dazu brandaktuell. Ich habe ihn auf die Startseite von israel-network.de und hoffe, daß viele Leser von dort zum Trinosophie-Blog wandern!