Konzentration … ist das Aufhalten der Modifikationen des Denkprinzips (I.21). Vom Gemüse putzen bis zum Verfassen einer wissenschaftlichen Abhandlung – immer ist die Fähigkeit zur zielgerichteten und anhaltenden Konzentration der Schlüssel zum Erfolg. Das Besondere dabei: Um konzentriert zu sein muss man NICHT etwas Bestimmtes tun, sondern etwas zum AUFHÖREN bringen – das ständige Modifizieren des Denkprinzips.
Konzentration auf das Wesentliche heißt Dimmen der Modifikationen des Denkprinzips. Der Elster fällt das leicht, da bei ihr das Denkprinzip kaum individualisert ist. (*)
Defizitäre Konzentration ist nicht die Folge eines Mangels oder des Fehlens von etwas das entsprechend „nachzufüllen“ wäre. Vielmehr ist der Zustand konzentrierten Seins stets vorhanden, aber nur versunken unter einer Flut innerer und äußerer physischer Sinnenreize sowie Strömen emotionaler und mentaler Eindrücke, die der gehirnbasierte Verstand in Myriaden von Gedanken umsetzt und damit unser Denkprinzip flutet. Unfreiwillig wird man dabei das, was diese Gedankeflut so „anspült“. Gelingt es diese Flut einzudämmen ist man konzentriert.
Die Macht der Medien
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Reizüberflutung
Plötzlich wird klar, warum in den Weisheitslehren aller Hochkulturen immer vor bestimmten emotionalen und mentalen Zuständen gewarnt wird. Im AVATAMSAKA-Sutra etwa finden sich dazu „zehn Gebote“ buddhistischer Praxis von universeller Bedeutung.
„Zehn Gebote“ buddhistischer Praxis
Woraus besteht die Ethik des Nicht-Verstoßens? Der nach Erleuchtung Strebende stellt für alle Zeiten folgende Verstöße gegen die buddhistische Ethik ein:
- Töten
- Stehlen
- Sexuelles Fehlverhalten
- Lügen
- Doppelzüngigkeit
- Verleumdung
- Geschwätzigkeit
- Gier
- Zorn
- Falsche Ansichten2
Wer sich über einen anderen ärgert richtet sein Denkprinzip auf eben diese Person und ausgerechnet auch noch auf jene Eigenschaften oder Verhaltensweisen, die zur inneren Aufruhr führten. Zorn über Jemanden oder Etwas (Nr. 9 der Ethik des Nicht-Verstoßens) lässt dieses Etwas oder diesen Jemand in uns auferstehen. Das ist als ob ein Verletzter (zorniger Zustand) seinen Verband abreißen und kräftig in einer Wunde herumstochern würde (an das Zorn auslösende Ereignis denken). Zorn – wie alle genannten Zustände – sind emotionale und mentale Selbstbeschädigungen, die von unserem eigenen Verstand – den Modifikationen des Denkprinzips – ausgehen. Daher ist es die erste und womöglich für lange Zeit die einzige Übung der sich der Sucher auf dem Pfad mit ganzer Kraft widmen muss. Die Modifikationen des Denkprinzips sind erst aufzuhalten, schließlich bewusst ganz anzuhalten, um sie anschließend ausschließlich willentlich einzusetzen.
Keine Kunst ohne Konzentration. (*)
Der irische Mystiker und Theosoph William Q. Judge schreibt dazu in seinem Kommentar zur zweiten Sure des ersten Buches der Yoga-Aphorismen des Patanjali:
In other words, the want of concentration of thought is due to the fact that the mind — here called „the thinking principle“ — is subject to constant modifications by reason of its being diffused over a multiplicity of subjects. So „concentration“ is equivalent to the correction of a tendency to, diffuseness, and to the obtaining of what the Hindus call „one-pointedness,“ or the power to apply the mind, at any moment, to the consideration of a single point of thought, to the exclusion of all else.
Upon this Aphorism the method of the system hinges. The reason for the absence of concentration at any time is, that the mind is modified by every subject and object that comes before it; it is, as it were, transformed into that subject or object. The mind, therefore, is not the supreme or highest power; it is only a function, an instrument with which the soul works, feels sublunary things, and experiences. The brain, however, must not be confounded with the mind, for the brain is in its turn but an instrument for the mind. It therefore follows that the mind has a plane of its own, distinct from the soul and the brain, and what is to be learned is, to use the will, which is also a distinct power from the mind and brain, in such a way that instead of permitting the mind to turn from one subject or object to another just as they may move it, we shall apply it as a servant at any time and for as long a period as we wish, to the consideration of whatever we have decided upon. (Quelle: s. Fußnote 1)
Sehnsucht nach dem (= Konzentration auf…) das inneren Licht
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Schiller Feat. Xavier Naidoo – Sehnsucht
Angesichts der täglichen Reizüberflutung durch elektronische Medien waren die Modifikationen des Denkprinzips nie stärker fremd-impulsiert als zum gegenwärtigen Zeitpunkt. Obwohl jeder weiß, dass Spitzenleistungen im Außen nur duch Konzentration auf das zu Erreichende möglich sind und innerer Frieden und Ausgeglichenheit nur durch das möglichst weitgehende „Herunterfahren“ emotionaler und mentaler Prozesse erlangt werden kann, wird vom modernen Menschen dennoch zugleich erwartet sich stets und ständig via Smartphone, Tablets und Laptops der allgenwärtigen Reizflut auszusetzen. Daraus ergibt sich eine psychische Spannung, die früher oder später in selbstbewusster medialer Enthaltsamkeit mündet oder in völliger Erschöpfung endet. Da ist es gut, den Mechanismus – die Modifikationen des Denkprinzips – zu kennen, der dem zugrunde liegt. Allerdings – das KENNEN ist nur der erste Schritt auf dem langen Weg hin zum KÖNNEN.
(*) Text/Bild: Heinz Knotek
- Im englischen Original:
Concentration, or Yoga, is the hindering of the modifications of the thinking principle.
Quelle: The Yoga Aphorisms of Patanjali. An Interpretation by William Q. Judge; Kapitel I (Concentration) ↩
- Im englischen Original:
What is the ethic of nontransgression? The enlightening beings forever cease killing, stealing, sexual misconduct, lying, two-faced talk, slander, meaningless talk, greed, anger and false views…
Quelle: The Flower Ornament Scripture. A Translation of the Avatamsaka Sutra. By Thomas Cleary. Boston 1993. Book 22: Ten Inexhaustible Treasuries ↩
Zuletzt aktualisiert: 17.04.2014 von Heinz Knotek