Im Roman DER ROTE LÖWE von Maria Szepes sendet der historische Graf Saint Germain seinem Schüler Cornelius einen Brief. Einen letzten Brief. Bevor sein Meister sich zurückziehen muss. Cornelius befindet sich gerade in einer schweren Krise. Er kämpft mit dem Dämonen seiner Persönlichkeit, dem Kylkhor, dem Hüter der Schwelle. Gelingt es ihm nicht, den Dämonen zu töten, hätte die astrale und gar physische Anwesenheit seines Meisters verhängnisvolle Folgen.
Death and the Miser (detail), a Hieronymus Bosch painting, National Gallery of Art, Washington DC. Abb. gemeinfrei
In der Geschichte ist der Dämon eine reale körperliche Wesenheit. Sie läuft herum und führt ein Eigenleben, mühselig von seinem Schöpfer im Zaum gehalten. Doch je mehr Cornelius auf DEM PFAD voranschreitet, Einweihung nach Einweihung meistert, desto dreister wird SEIN Hüter. Er fordert und drängt. Zunehmend wird er geil nach und lüstern auf irdischen Sinnengenuss aller Art. Er nötigt seinen Herrn und Schöpfer, tun und lassen zu können, was ihm in den Sinn kommt. Die Nähe von Cornelius‘ Meister, so segensreich sie war und ist, macht alles nur noch schlimmer. Ist wie Öl ins Feuer gießen.
Die Allegorie der Romanhandlung führt dem Leser vor, was man sich unter dem „Hüter der Schwelle“ vorzustellen hat. Alles Grobe und Unreine, das in den unberührten Winkeln des astralen Wesens schlummert, wird zum Leben erweckt. Drängt nach Aktivität und Entfaltung. Und finaler Überwindung. Im richtigen Leben ist das keine externe Entität. Sondern schlimmer, ein untrennbarer Teil der astralen Wesenheit des Schülers. Der Schüler wähnt sich gut auf dem Weg positioniert. Ja, fast am Ziel. Und sieht sich plötzlich in seinen Gedanken, Emotionen und Handlungen entsetzlichen – scheinbar unüberwindlichen – Abgründen gegenüber.
Auszug aus dem Brief
(mit freundlicher Genehmigung von der Autorin, Maria Szepes)
Töte ihn Cornelius! (Dieser Satz sprang mir ohne Anrede ins Auge.) Einen Dämonen zum Leben erwecken, ohne ihn wieder abbauen zu können, ist eine tiefere, weitaus verwickeltere Gefahr als der Tod! Der Kylkhor, den du mit Leben erfüllt und dem du einen Namen gegeben hast, ist eine Kamee, die die Zeichen finsterer Kräfte birgt … Er ist der echte Wächter an der Schwelle des Tores, das zu deinem Heiligtum führt: Die älteste Urbindung, die du lösen musst.
Den Kylkhor muss man stets töten, weil er sonst zum Tyrannen wird. Der tiefe Sinn dieses aufbauenden und abbauenden Prozesses ist die Göttliche Wahrheit. Die Welt ist deine Schöpfung. Du bringst sie zustande, du musst es lernen, sie abzubauen und aufzulösen, um dich ihrer Herrschaft zu befreien! …
Die ganze Welt in all ihrer Finsternis, mit ihrer dämonischen Formenverwirrung ist nichts weiter als ein unbewusst aufgebauter Kylkhor. Die Wesen haben seinen Schlüssel verloren und wurden ihm untertan. Der Kylkhor war stärker geworden als sie, und dies ist der Grund, warum er sie peinigt. Ihre Geilheit und Habgier erzeugen niederträchtige Bilder, und diese Bilder werden ohne jede Kontrolle von ihrer Einbildung mit dem Elixier des Lebens erfüllt. Der Dämon beginnt zu leben, machst sich selbständig und zwingt seinen Schöpfer zum Sklavendasein. Dem Kylkhor muss man dienen bis zum letzten Atemzug, bis zum endgültigen Verfall des Körpers, und man muss ihm nach dem Tode auch immer wieder in neuen Körpern zu Diensten sein, weil dieser Moloch der Leidenschaft unersättlich ist.
Die Schwäche und die Unwissenheit schafft den Kylkhor der Angst, der Krankheiten und des Todes, der das Rohmaterial der wertvollsten unbehüteten Schöpfungskräfte aufsaugt und als Waffe gegen den Menschen verwendet, der in die Falle geraten ist.
Wenn du den Schlüssel für die Schöpfung und den Abbau des Kylkhor gefunden hast, so hast du gleichzeitig den Schlüssel für deine eigene Befreiung und den Sieg über die Welt gefunden.
Jetzt lasse ich dich wieder allein. Du wirst einsam sein. Einsam und allein hast du den anderen Weg beschritten, und ganz allein hast du geschöpft. Nun musst du auch ganz allein zurückkehren. Jede Krise und jede letzte Entscheidung und Lösung muss der Schüler allein für sich treffen.
Sei wachsam. Sei stark und tapfer. Halte aus. Denk daran, dass es für dich kein zurück mehr gibt. Du stehst im Mittelpunkt aller Mysterien und du musst das andere Ufer erreichen. Es liegt an dir, ob du diesen Abschnitt des Weges in Jahrhunderten, in Jahren oder in Monaten zurücklegst …
Der Dämon ist dann am schrecklichsten, wenn er unsichtbar ist. Du musst sein leben mit einem Dolch auslöschen, der alle seine drei Körper durchdringt. Du musst ihn durch ein Feuer verbrennen, der ihn in allen drei Welten verzehrt.
Erweist du dich für diese Aufgabe als zu schwach, werden wir uns lange Zeit nicht mehr wieder sehen. Du kannst mich mit nichts anderem beschwören, als mit der Lösung des Problems. Dann werde ich kommen, um den Magister zu weihen1.“
Phänomen Kylkhor kann jedem begegnen
Dem ist anzufügen, dass das Phänomen Kylkhor jedem begegnet, der sich mit seiner Persönlichkeit ernsthaft auf die eine oder andere Weise mit seelischen Aspekten beschäftigt. Wer etwa aufrichtig sich anschickt seinen Seelenpartner zu suchen – die meist verbreitete Suche in dem Kontext – und damit ans Himmelreich der Seele klopft, dem wird nicht einfach das Tor aufgetan und er wird keinesfalls mit irdischer Friede-Freude-Eierkuchen-Seligkeit übergossen. Damit das Tor sich auch nur öffnen kann, muss der Sucher allen möglichen in ihm schlummernden Astralkräften von Angesicht zu Angesicht gegenüber treten. Oft wirken die EIGENEN Astralkräfte dabei ÜBER den Astralkörper des Parteners, wie jeder weiß, der den ROTEN LÖWEN studiert hat. Das ist den meisten dann doch zu anstrengend. So weit wollten sie dann doch nicht gehen und ziehen sich zurück. Denen, die sich nicht zurückziehen, die dran bleiben, darf IHRE SEELE das Tor zumindest einen Spalt breit öffnen… Aber Vorsicht! Vielleicht nur zur nächsten Prüfung. Oder doch zum Glück? Neugierig? Selbst Nachgucken! HEINZ KNOTEK
- Quelle: DER ROTE LÖWE, Kapitel „Der Kylkhor“, München 1992 ↩
Zuletzt aktualisiert: 11.11.2012 von Heinz Knotek
Sehr tiefe und bereichernde Informationen! Möge Licht über dem weiteren Weg erstrahlen…!
Mit herzlichen Grüssen,
Albrecht Lauener
Vielen Dank für das Feedback. Möge „derjenige“ dem es zusteht zur Kenntnis nehmen: Die große Seele von Mária Szepes.