Ein norddeutscher Jugendsender ruft seine Millionen Hörer nachdrücklich dazu auf, sich typisieren zu lassen. Im Interesse von an Leukämie erkrankten Mitmenschen. Und sowieso wird immer wieder öffentlich vorwurfsvoll gefordert, die Deutschen mögen sich endlich bereit erklären, ihre gebrauchten Organe zu spenden, wenn sie denn der Tod ereilen sollte.
Das Knochenmark enthält verschiedene Vorläuferzellen von Blutzellen. Grafik: Gray’s Anatomy
Beide Kampagnen appellieren mit bewegenden Werbespots an das Gewissen der Menschen und versuchen offen Schuldgefühle auszulösen. Gefährliche Gefühle – denn undifferenzierte Spenderbereitschaft ist nicht frei von Risiken und Nebenwirkungen.
Subtiler Entscheidungsprozess
zwischen Seele und Persönlichkeit
Mitmenschen zu helfen ist Ausdruck des Gewissens. Und an dieses Gewissen sind die Aufrufe gerichtet, sich für Knochenmarkstransplantationen oder Organspenden bereit zu erklären. Dabei wird gegen Menschen, die sich nicht bereit erklären oder Spenden gar kritisch gegenüber stehen, oft ein vorwurfsvoller Tonfall angeschlagen. Ihnen wird mehr oder weniger direkt eine unmoralische Unterlassung von Hilfeleistung unterstellt. Der Aufruf zur Spende mutiert dann zum subtilen Zwang, den manche Ärzte und Pharma-Vertreter auch gern gesetzlich festgeschrieben sehen würden. So wie in Italien, wo etwa die Entnahme gebrauchter Organe keiner Zustimmung durch den Spender bedarf. Eine Entnahme kann nur durch eine verfügbare ablehnende Erklärung des Spenders zu Lebzeiten verhindert werden.
Was aber ist nun „gefährlich“ dran, sich mit seinen Daten in Typisierungsdatenbanken erfassen zu lassen, um damit möglicherweise einem – von ein paar zehntausend – Leukämiekranken eine Chance auf Heilung oder wenigstens ein paar Jahre Leben zu geben? Und warum sich um die gebrauchten Organe sorgen, wenn man doch tot ist und sie nicht mehr braucht und etwa 12.000 Kranke auf ein Organ warten?
Es gehört zu den nobelsten Eigenschaften, sich für andere aufzuopfern, selbst den eigenen Körper oder Teile davon. Wenn das karmische Programm eine solche Prüfung vorsieht, wird man unfehlbar zum passenden Zeitpunkt in eine Situation geraten, wo man vor der Entscheidung steht, für einen nahe stehenden Menschen ein solches Opfer zu bringen oder nicht. Dann beginnt ein subtiler Entscheidungsprozess zwischen Seele und Persönlichkeit. Und nicht immer muss ein Opfer die richtige Entscheidung sein.
Sich oder etwas opfer – durchgängig Thema der Religionen; hier das Brandopfer von Noah nach der Rettung aus der Sintflut. Grafik: Adi Holzer
Losgelöst von einer karmischen Prüfung ist pauschale Opferbereitschaft riskant und daher fragwürdig. Der Sucher auf dem Pfad ist nicht auf unbedingten Körpererhalt fixiert. Er weiß, dass der Körper lediglich das „Fahrzeug“ der Persönlichkeit ist, die von der Seele aktuell in die Welt der Materie projiziert wird. Körper und Persönlichkeit sind nicht Zweck, sondern Mittel. Typisieren, das Zulassen einer Knochenmarkstransplantation oder die Zustimmung zur Organspende führen zunächst zu einer detaillierten Datenerfassung. Der Hilfswillige übergibt einen Teil seiner Souveränität einem weltweiten Industriekomplex, bestehend aus Pharmaindustrie (Chemotherapie), Medizintechnik-Industrie (Transplantation) und Spezialkliniken (Durchführung).
Passt sein Knochenmark zu einem unbekannten Kranken, dürfte ein Rückzug jetzt einen an Nötigung grenzenden psychischen Druck auslösen. Und Gnade ihm Gott, wenn der Kranke wohlhabend ist und auch vor kriminellen Methoden bei der Stammzellenbeschaffung nicht zurückschreckt. Die Stammzellenübertragung verbindet zudem fortan die Astralkörper von Spender und Empfänger untrennbar miteinander. Da, wo zuvor keine karmische Bindung existierte, entsteht jetzt ein starkes Band, über den physischen Tod der Beteiligten hinaus. Jetzt hat die Seele die Folgen zu tragen, möglichweise für einen sehr langen Zeitraum.
In Deutschland liegt der Anteil von Menschen die sich ein gebrauchtes Fremdorgan einpflanzen lassen wollen oder neu an Leukämie erkranken jeweils bei weniger als 0,02 Prozent der Gesamtbevölkerung. Trotzdem soll nach dem Willen von Vertretern der Medizintechnik-Industrie am liebsten ein ganzes Volk per Gesetz zur „Hilfsbereitschaft“ gezwungen werden. Wieso so viel ungewöhnliche Fürsorge für ausgerechnet diese statistisch gesehen verschwindend kleinen Gruppen von Personen?
Wirtschaflich lukrativer Spezialmarkt
Eine Recherche zu den Kosten der zugehörigen medizintechnischen Verfahren zeigt, dass hier ein wirtschaflich lukrativer Spezialmarkt floriert. Allein die Suche passender Knochenmarkspender kostet pro Person im Schnitt mehr als 15.000 Euro. Nimmt man Chemotherapie, Transplantation und Nachsorge zusammen ergibt sich pro Patient ein deutlich sechsstelliger Kostenbetrag. Bezieht man in die Kalkulation ein, dass selbst bei als geheilt geltenden Patienten ein erhöhtes Risiko besteht, sich nach einigen Jahren eine Zweitkrebserkrankung zuzuziehen (auf die dann sehr wahrscheinlich erneut mit einem kostenintensiven Therapieversuch reagiert wird), erscheint die rührende Fürsorglichkeit der Werbespots in einem etwas anderen Licht. Allen Gefühlen zum Trotz geht es vor allem um Profit und Rendite. HEINZ KNOTEK
Zuletzt aktualisiert: 19.12.2010 von Heinz Knotek