Über 100 Jahre dauerte es, bis es der Inquisition gelang, die Katharer als europäische religiöse Bewegung zu zerschlagen. Weder der einzige auf europäischem Boden geführte, gegen die Katharer gerichtete, Kreuzzug von 1209; noch das vierte Laterankonzil, 1215, das die Katharer verdammte; noch die im Auftrag der Inquisition ab 1233 einsetzende Vernichtung der Bewegung durch die Dominikaner, vermochte die im heutigen Südfrankreich verbreitete Form christlicher Mystik auf die Schnelle auszulöschen.
In der heutigen Provinz Languedoc, die 1279 an Frankreich fiel, spielte sich das Drama der Katharer ab. Foto: © arte
Der skrupellosen Verfolgung durch die mit den weltlichen Machthabern in Paris verbandelten katholischen Kirche konnten die jede Form von Gewalt ablehnenden Katharer am Ende jedoch nicht widerstehen. Der Leidensweg der Katharer sowie ihre philosophischen und religiösen Thesen wurden 2001 in einem französischen Dokumentarfilm von Michel Roquebert, Anne Brenon und Chema Sarmiento anschaulich gewürdigt. Er wurde Mitte Mai auf arte gesendet.
Nach offizieller Lesart stirbt 1321 der letzte „Vollendete“ auf dem Scheiterhaufen. Der GEIST der Katharer hat jedoch bis in die Gegenwart überlebt. Unter mittelalterlichen Verhältnissen würde heute Zen-Buddhisten, Theosophen und Rosenkreuzer dasselbe Schicksal ereilen wie einst die Katharer. Vor allem, weil sie ähnlichen „Glaubenssätzen“ nachfolgen, zu denen Karma und Reinkarnation ebenso gehören, wie eine Ablehnung des jeder Vernunft widersprechenden Kirchendogmas. Wer heute – wie die Katharer – körperliche Existenz – und damit materielles Sein generell – als eine Einkerkerung der Seele betrachtet, zieht zwar keine Lebensgefahr mehr auf sich, aber noch immer den Argwohn der Kirchenwächter.
Fachleute äußern sich sachlich und objektiv. Foto: © arte
Eindrucksvoll zeigt die Dokumentation, wie modern die Religion der Katharer war: Es herrschte Gleichberechtigung der Frauen, die Priester waren disziplinierte Asketen und alle Seelen galten als gleich. Die Welt wurde als dual erklärt. Der reine und reale Geist einerseits; die illusorische Welt der Materie andererseits. Eine sehr buddhistisch klingende Vorstellung: Die Buddisten bezeichneten letzteres nur anders – Maya; ersteres entspricht der Vorstellung von Buddha-Natur. Nach den Katharern muss, wer nicht durch eine entsprechende Lebenshaltung zur Erlösung findet, immer wieder geboren werden. Auch diese Ansicht kommt den asiatischen Vorstellungen nahe.
Der Film weist darauf hin, dass es wesentlich der Bewegung der Katharer zu verdanken war, dass Franz von Assisi und der Heilige Dominikus eine Art asketischen Mystizismus praktizieren konnten, ohne der Ketzerei beschuldigt zu werden. Aus Angst vor den Katharern hatte der Vatikan das redigide Dogma etwas gelockert und Orden wie die Dominikaner als eine Art Ventil für das Bedürfnis nach echter Religiösität zugelassen.
Montségur – letzte Festung; 1244 wird hier die geistige Elite der Katharer verbrannt. © arte
Die Katharer beriefen sich auf die ungebrochene Übertragungsline zu den Aposteln; eine im Zen bekannte Form der Übertragung des Dharma (Dharma = Lehre). Die Linie mag durch den Vernichtungsfeldzug physisch abgebrochen sein. Als eine religiöse Praxis, die versucht hat, die Vorstellung von einem urchristlichen Glauben am Leben zu erhalten, ist und bleibt der Katharismus unauslöschlich ein geistiges Erbe des „alten Europa.“ Und ist angesichts eines von religiöser Intoleranz und Gewalt geprägten Materialismus zeitgemäßer denn je.
Linksunten:
Zuletzt aktualisiert: 06.02.2011 von Heinz Knotek
Ein leider nicht völlständiger Privatmitschnitt (DVD) liegt vor.