Wäre scheinbar ganz hilfreich, wüsste man im Augenblick eines Schicksalsschlages in einer Art Flash WARUM einem das jetzt passiert ist. Oder umgekehrt: Wenn man schon beim Formen von Gedanken und Emotionen erkennen könnte, welche karmischen Folgen resultieren würden, wenn man diese Gedanken und Emotionen zur Tat werden lässt.
Umgang mit Karma – Abwägen von Gedanken, Emotionen, Handlungen. Grafik: Privatbesitz
Doch das Gesetz von Ursache und Wirkung (Karma) funktioniert nicht wie der Straßenverkehr, wo der Verkehrsfunk die Autofahrer vor Staus und Blitzern warnt oder sie über die Gründe informiert, wenn sie bereits im Stau feststecken. Ein Vorhersehen karmischer Folgen und Erkennen karmischer Ursachen nützt nichts. In ihrer Februarausgabe (2010) geht die Zeitschrift THE THEOSOPHICAL MOVEMENT1 aus Sicht der Weisheitslehren dieser Frage nach.
Leserfrage: Wäre es nicht von Vorteil, wenn wir grundsätzlich karmische Ursachen wirklich „sehen“ oder davon „wissen“ würden? Warum ist das nicht so?
Das Karma-Gesetz ist das Gesetz von Ursache und Wirkung. Es funktioniert als eine Art Ausgleich – auslösende Ursachen setzen entsprechend rückführende Wirkungen in Gang. Wenn ein Effekt die entsprechenden Ursachen ausgleicht erfahren die betroffenen Wesen dadurch Freude oder Leid. Für den durchschnittlichen Menschen ist dieser Vorgang nicht immer durchschaubar, da für viele Ereignisse scheinbar keine Ursache erkennbar ist.
Interessant dabei: Obwohl wir nie nach den Ursachen für glückliche Umstände fragen, beschäftigt uns in schwierigen Lebenslagen vor allem die Frage, „Warum muss ausgerechnet mir das passieren? Womit habe ich das verdient?“ Nur selten lassen sich die Ursachen von uns widerfahrenen Kalamitäten im gegenwärtigen Leben ausmachen. Und selbst wenn wir meinen, in diesem Leben liegende Ursachen entdecken zu können, bedeutet das nicht, dass wir dennoch an den Folgen von Handlungen in früheren Existenzen leiden. Wenn also ein guter Mensch leidet, muss er in früheren Existenzen irgendwie die kosmische Harmonie verletzt haben. Manche Leute meinen nun, dass es leichter wäre sein Schicksal zu ertragen oder dass man entsprechende heilsame Vorsorgen treffen könnte, wenn man die entsprechenden Ursachen mit Sicherheit wüsste.
Doch es hat den Eindruck, dass ein Vorhang uns gnadenvoll von unserer Vergangenheit trennt und uns am Rückblicken hindert. Nicht auszudenken in was für einen Zustand wir geraten würden, könnten wir uns jederzeit aller Handlungen DIESES Lebens erinnern…
Selbst wenn uns ein kontrolliertes selektives Erinnern der Vergangenheit möglich wäre, würden sich ganz neue Probleme ergeben. Schon im aktuellen Dasein haben wir Schwierigkeiten uns und anderen Fehlhandlungen zu vergeben. Oft werden wir dadurch in Aufruhr versetzt, weil wir uns der Verletzungen durch andere erinnern. Nicht ohne Grund heißt es, man solle des Seelenfriedens willen vergeben können und schließlich auch vergessen. Würden wir alle Leute wiedererkennen, die uns einmal verletzt oder betrogen haben, kämen wir aus dem „Hühnchen rupfen“ nicht mehr heraus. Wäre es zudem wünschenswert, wenn wir in einem Gegenüber sofort erkennen würden, dass er in früheren Leben gemordet und vergewaltigt hat? Dieses SEHEN würde sicher einen Schatten auf unser gegenwärtiges Leben werfen. Es könnte außerdem passieren, dass bei Kenntnis karmischer Ursachen wir im Einzelfall den Eindruck gewinnen, dass die Folgen bezüglich bestimmter Ursachen unverhältnismäßig sind…
Unfehlbare Gerechtigkeit zukünftiger Ereignisse
Oft genug beklagen wir uns schließlich schon jetzt darüber, dass uns das Karma-Gesetz zu hart bestrafen würde. Möglicherweise würden wir unsere Übertretungen von einst zu rechtfertigen versuchen, so wie es in der heutigen Zeit üblich ist, sich aus der Verantwortung für eigenes Verschulden zu stehlen. Daraus folgt: So lange wir nicht ein gewissen Maß an inneren Entwicklung erreicht haben, ist es ein Segen des Karma-Gesetzes, dass es uns daran hindert hinter seinem Schleier zu schauen.
Es heißt, dass lediglich einem „Chela2“ das unfehlbare Unterscheidungsvermögen zu den erzeugenden „Ursachen der Früchte“ gelehrt werden kann. Nur ein solcher Schüler ist dann in der Lage Effekte auf alle ihre Ursachen zurückzuverfolgen. Auf einer noch höheren Ebene haben die Seher und Rishis nicht nur die Fähigkeit karmische Ursachen zu erkennen, sie können auch die karmischen Folgen sehen, die aus karmischen Verstrickungen folgen werden…
Von so manchen Lebensumständen an denen wir leiden sind uns die Ursachen wohl bekannt. Ändern wir deswegen sofort unsere Einstellungen, die dafür verantwortlich waren? Natürlich nicht. Wir versuchen vielmehr uns mit den Folgen zu arrangieren und lassen bei den auslösenden Ursachen alles beim Alten. Wenn wir uns etwa durch Überessen Verdauungsbeschwerden einhandeln stellen wir nicht auf eine moderate Nahrungsaufnahme um, sondern nehmen Verdauungsmittel ein. Oder haben wir irgendetwas unternommen, um unseren Ehrgeiz, unser Konkurrenzdenken oder unsere Ängste zu drosseln, obwohl wir doch wissen, dass diese Haltungen krank machen können?
Das Karma-Gesetz arbeitet nicht nur in einer Richtung. Ein einzelner Effekt ist in der Regel das Resultat eines ganzen Bündels von miteinander verknüpften Ursachen. Um die richtigen Lehren aus einem Ereignis zu ziehen ist außerdem die Kenntnis möglicher Ursachen völlig irrelevant. Diejenigen, die nicht bereit und willens sind aus einer leidvollen Situation die richtige Lektion lernen würden das auch dann nicht tun, wenn sie alle Ursachen kennen würden. Und doch sollen wir – mutmaßlich laut Wahrheitslehren – zu Beginn jeder Inkarnation eine Art Vorschau über das bekommen, was uns an karmischen Prüfungen so erwarten wird. Die Seele stimmt deshalb in aller Regel der Annahme des Kreuzes einer Inkarnation zu, weil sie dabei alle Ursächlichkeiten sehen kann – und damit die unfehlbare Gerechtigkeit – die den zukünftigen Ereignissen zugrunde liegt. KÔ-SEN
Questions and Answers
THE THEOSOPHICAL MOVEMENT, 1. Vol. 2, February 2010, p. 28
Question: At our level we are unable to know how exactly karma works, i.e., we do not always know the causes that brought certain results. Would it not be better if we could really “see” or “know” the causation? Why is it not so?
The Law of Karma is the law of cause and effect. It is adjustment of effects flowing from the causes. When the effect is adjusted back to its cause, the being upon whom and through whom that adjustment is effected experiences pain or pleasure. But to the ordinary person this process is not always clear because in many cases he experiences the consequences but is unable to know the cause. Though we never seek to find the cause for our happiness, the question that is asked in the middle of the intense suffering or calamity is, “What have I done to deserve this”? Not always are we able to find the cause of our suffering or calamity in the present life.
Even when we are unable to see the cause in this life we are told that it is possible to suffer in this life as a result of our actions in some prior life. Thus, a good person who suffers now must be guilty of disturbing the harmony by some wrong action in one of his past lives. Many people feel that if we could remember the actions in our past lives it would be easier to bear the consequences and even to take remedial steps.
Mercifully, a veil seems to separate our present from the past, and prevents our looking into the past. Could we imagine what would be our state if the memory of actions done even in the present life kept cropping up as we lived the present life? We tend to remember and brood over the past. There is the case of a woman called AJ, who is known to possess what the researchers call “superior autobiographical memory.” When she heard a date, memories from that date in previous years flooded her mind like running movies. She describes the phenomenon as nonstop, uncontrollable and totally exhausting, and finds it a burden rather than a gift. “I run my entire life through my head every day and it drives me crazy,” she laments.
Even if we had control over recalling the memory of the past there would be another problem. In this life itself we have difficulty forgiving others and ourselves for the wrongs done. Often, what keeps our mind in turmoil is the memory of harm done to us. We are asked to forgive, and largely to forget so as to restore back the peace and lucidity of mind. If we could know the people who harmed or deceived us in any way, we would be busy settling scores with them. Is it easy to look into the past and learn that in one of the previous lives, one was a murderer or a rapist? It is sure to cast a shadow on this life. There would be cases when even if we are able to know the cause we might feel that karmic backlash or consequences were too severe for a trifling cause.
Queen Gandhari, the mother of 100 Kaurava princes seems to have possessed the power to look into her past lives. It is said that when Gandhari wanted to know why her 100 sons were killed in the Mahabharata War, she was asked to look back into her past lives and on looking into her fifty-first life, discovered that she had poured water on an anthill killing one hundred ants. The story may only be symbolic to drive home the point that depending on the degree of development of the person there could be great karmic backlash for a trifling sin. Have we learnt to appreciate this aspect of Karma? More often than not we would only grumble that the punishment meted out by the law was too severe. We might even justify the actions for which we are punished, just as we always try to justify our wrong actions in the present life. Hence, till we have reached a certain stage in our inner development the merciful law hides the past from us.
We are told that only a person who is ready to be accepted as a chela (disciple) is taught “unerring discernment of Phala, or the fruits of causes produced.” He will be able to trace back the effect to its cause and know what cause produced the present effect. At a still higher stage sages and rishis have the faculty of not only linking the effect back to its cause but also to predict in advance the effect of present action because the effect is wrapped up in the cause. These great beings have the knowledge of the ultimate division of time or cycles.
We know that for many consequences we suffer in this life, the causes are known to us. It is useful to ask what do we do even when the cause is known. Do we at once begin to take remedial steps? The answer is no. We prefer to deal with the effect side keeping the cause intact. If overeating causes stomach-ache, then, instead of practising moderation in eating, we would take a digestive pill! Have we done anything to curb our ambition, competitiveness, anxieties, even thou-gh we know these to be the culprit in causing ulcers and cancer? Also, the Law of Karma does not work on one-to-one basis, i.e., more often than not instead of one cause producing one effect, there are several causes which lead to a single effect. Moreover, it is not always necessary to know the cause in order to learn the lesson from the event. Those who are not inclined to draw the lesson from their suffering would not do so even when they know the cause. Yet, it is stated that before we take a new birth there is a preview when the soul is able to see for a moment all the causes that led it to the life it is about to begin, and knowing it to be all just, to be the result of its own past life, it repines not but takes up the cross again, and takes up a new body, writes Mr. Judge
Quelle/Herausgeber: United Lodge of Theosophists – Mumbai/India
- Vol. 2, February 2010, p. 28, Mumbai, India – Übertragung aus dem Englischen sowie Veröffentlichung des Originalartikels mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers ↩
- Der Begriff Chela bedeutet an dieser Stelle Schüler eines eingeweihten Meisters und enstammt dem letzten Viertel des 19. Jahrhunderts, als die theosophischen Mahatmas einzelnen Individuen in Ost und West Unterweisungen zu den Weisheitslehren erteilten. ↩
Zuletzt aktualisiert: 04.04.2013 von Heinz Knotek