Sie stehen neuerdings in der Fußgängerzone. Über einen Campingtisch ist ein schwarzes Tuch gespannt, das vorn herunter hängt. Dort steht die Losung: A… ist der einzige verehrungswürdige Gott. M… ist der rechtmäßige Gesandte Gottes. Die jungen Männer dahinter sind südländischer Herkunft (*). Vermutlich sind sie Deutsche mit „Migrationshintergrund“.
Das Himmelreich Gottes ist NUR INNEN zu finden, nicht in Steinbauten, heißt es in den Weisheitslehren. Bild: Ko-Sen
Die Parole ist eine Aufforderung zu religiöser Intoleranz. Doch es stört niemanden. Die Leute bummeln achtlos vorbei. Die Jungen hinter dem Tisch bleiben unter sich. Die propagierte Intoleranz wird toleriert. Eine eher beiläufige Szene. Und doch symptomatisch für einen religiösen Dogmatismus, der vor gut 1.000 Jahren mit christlichen Kreuzfahrern seinen Anfang nahm – und nun auf die westliche Zivilisation zurückfällt.
Der Mensch würde Gott erfinden
In einer Redensart heißt es, der Mensch würde, falls Gott nicht existieren sollte, IHN erfinden. Und zwar einen, so ganz nach seinem persönlichen Geschmack. Das Konzept eines persönlichen Gottes entwickelt sich rasant zum hochexplosiven Sprengstoff einer grundsätzlich glaubensoffenen Gesellschaft. Wer aber denkt, die Toleranz der Intoleranz würde die Intoleranten versöhnen, der irrt. Du glaubst nicht an A…? Dann bist Du es nicht wert, dass man Dich leben lässt. Tolerante Nachsicht hat keine begnadigende Wirkung. Es wird eher als Ausdruck von Weichheit und Schwäche gedeutet. So denkt zumindest der Fundamentalist. Das ist das ENDE rationaler Logik und Vernunft; und der Anfang der Barbarei.
Allerdings ist das Phänomen nicht auf „Südländer“ begrenzt. In ihrer Verzweiflung über korrupte und dekadente Königshäuser ohne nennenswerte militärische Macht müssen sich DIESE Fundamentalisten selbst opfern. Der Fundamentalismus christlicher Prägung kommt mit unbemannten fliegenden Drohnen daher und einer schier unüberwindlichen Kriegsmaschinerie – in Form amerikanischer Truppen und deren Verbündeten. Die US-Truppen nennen ihren persönlichen Gott und dessen vermeintlichen Gesandten anders als die „Südländer.“ Und wenn sie nicht sterben morden sie sich weiter… im Namen Gottes.
Von Zwietracht und Feindseligkeit geprägte Haltung
Einzelner ist Übel für die ganze Gesellschaft
Die uralte Weisheitslehre – die Gnosis oder Atma Vidya oder Sanatana Dharma – wendet sich ausdrücklich gegen die engstirnige Auslegung des göttlichen Prinzips durch die Priester der Religionen. Für den Durchschnittsmenschen ist es allerdings schwer, die abstrakte Wirklichkeit der Weisheitslehren zu verstehen und „anzuwenden.“ Er benötigt einen Bezug zu etwas besonders Machtvollem das objektiv erreichbar erscheint und auf das man sich stützen kann.
Nach den Weisheitslehren ist der Mensch ein Doppelwesen. Da ist einmal der vertraute äußere, der Veränderung unterworfene, sterbliche Mensch. Zugleich aber auch der innere – WIRKLICHE MENSCH, der intuitiv als unsterbliche Individualität empfunden wird, zugleich aber in einer sterblichen Persönlichkeit eingesperrt ist. Der innere WIRKLICHE MENSCH strebt danach, sich von der Last und den Versuchungen materieller Existenz zu befreien, denn hier entsteht die Neigung, sich als eine vom Ganzen getrennte Wesenheit zu empfinden, die ich-zentriert nach persönlichem Wohlergehen strebt.
Da jeder Einzelne untrennbarer Bestandteil das Ganzen ist, besteht die wahre Bestimmung des Menschen darin, sich mit allen anderen Fragmenten des großen Ganzen zu vereinen. Für eine verantwortungsbewusste und reife Persönlichkeit ist Tugendhaftigkeit daher, durch Eintracht und Anteilnahme für alle anderen Wesen das maximal mögliche Gute zu tun. Die von Zwietracht und Feindseligkeit geprägte Haltung Einzelner anderen gegenüber gilt als Übel für die ganze Gesellschaft.
(aus LIVING WITHOUT A GOD, The Theosophical Movement, April 2008; Übertragung aus dem Englischen TRINOSOPHIE-BLOG)
Was nun tun mit selbstgerechten religiösen Fanatikern? Ganz einfach – die Weisheitslehren (siehe oben) ANWENDEN, auch wenn es schwer fällt…
(*) Die Codierung soll verhindern, von religiösen Fanatikern per Suchmaschine gefunden zu werden.
Die 15-jährige Tochter eines Nachbars – ein „Südländer“ – unterhält sich neulich mit einer gebürtig deutschen Schulfreundin darüber, wie „voll streng“ (oder eben nicht streng) einzelne Richtungen des in ihrer Familie praktizierten Glaubens wären. Sie beendet ihre Erklärung mit, „… das ist mein Glauben.“ Der zufällig danaben stehende deutsche Nachbar zu ihr: Das ist nicht DEIN Glauben, das ist der Glauben, den dir deine Eltern anerzogen haben. Wenn du eine Banane kostest und du dann sagst, „Bananen schmecken mir nicht,“ dann ist das wirklich DEINE Meinung die sich auf DEINER EIGENEN Erfahrung gründet. Bei der Religion ist das nicht so. Hätten deine Eltern dir eine andere Religion anerzogen, wäre jetzt DIE „Deine.“
Das Mädchen stutzte, schaute den Nachbarn nachdenklich an. Dann begann sie mit dem Kopf zu nicken. Verwundert sagte sie: Das stimmt, da haben sie Recht.
Die – unerwartete – Reaktion des Mädchens macht Hoffnung.