Was wie ein Zen-Kōan klingt, ist eine Maxime des Philosophen, Kirchenpolitikers und Theologen Nikolaus von Kues (1401 – 1464). Das ZDF hat dem Kardinal Cusanus, so dessen Kirchenname, eine Dokumentation gewidmet, die von Martina Schönfeld und Klaus Medrow stilsicher in Töne und Bilder umgesetzt wurde.
Wohin ich auch gehe, DEINE Augen sind stets über mir. Grafik: ZDF.de-ZDFdokukanal
Cusanus zählt zu den wenigen Kirchenmännern der Geschichte, die Religion vor allem als Ideal betrachteten und es als solches umzusetzen suchten. Konkret bedeutete das eine keusche Lebensführung, strikte Einhaltung der Gebote, häufiges Fasten und ein Streben nach Erkenntnis. Doch im späten Mittelalter war die Kirche längst zu einem machtpolitischen Apparat geworden – IN und VON der Welt. Idealisten wie Cusanus wurden verspottet, angefeindet oder gar verfolgt.
Die Nachwelt hat von Cusanus die unterschiedlichsten Bilder entworfen. Sie sucht in ihm den Denker, der seiner Zeit voraus war, den Reformator vor der Reformation, den Gelehrten, der die Horizonte durchbrach. Die Nachwelt brachte in Einklang, was Cusanus zu Lebzeiten nicht gelingen sollte.
Treffender ließe sich eine Dokumentation über die historische Persönlichkeit von Kues nicht auf den Punkt bringen. Cusanus musste mit seinen Reformen scheitern. Als Bischof von Brixen wurde er am Ende sogar mit dem Tode bedroht. Obwohl er als persönlicher Freund von Papstes Pius II. von diesem kurzzeitig sogar als sein Stellvertreter berufen wurde, konnte Cusanus im Schoße seiner Kirche keinen inneren Frieden finden. Der Film deutet an, dass Cusanus am Ende seiner Tage grundsätzliche Zweifel am Prinzip Kirche gekommen sein mögen. Wenn er etwa seinem Freund, Gönner und Vorgesetzten, dem Papst, vorwirft, auch er würde die Ideale von Kirche und Glauben nicht ernst nehmen.
Religiösen Glauben mit Philosophie,
Vernunft und Selbsterkenntnis vereinbaren
Du, Herr, bist mein Weggefährte. Wohin ich auch gehe, DEINE Augen sind stets über mir.
Höhepunkt des Filmes ist die knappe aber wirksame Inszenierung einer Anweisung, die Cusanus Mönchen am Tegernsee übermittelte. Ein Jesusbild, so gezeichnet, dass es den Betrachter stets direkt anschaut – egal von welcher Richtung dieser sich dem Bild zuwendet – soll den Mönchen das Mysterium der Allgegenwart Gottes deutlich machen. Leider ist das der einzige mehr ins Detail gehende Hinweis des Filmes auf den Mystiker Cusanus. Andererseits bleibt der Film so frei von esoterischen Spekulationen und weltanschaulichen Dispositionen. Mit Lehrsätzen wie…
Es ist etwas Großes – sich fest zu gründen in der Verbindung der Gegensätze.
Cusanus. Foto: privat
zog Cusanus auch den Argwohn der Inquisition auf sich. Religiösen Glauben mit Philosophie, Vernunft und Selbsterkenntnis zu vereinbaren war damals ein gefährliches Unterfangen. Doch Cusanus hatte Glück. Werke wie DREI STREITSCHRIFTEN VOM VERBORGENEN GOTT oder DER LAIE ÜBER DIE WISSENSCHAFT, im Geiste des Neoplatonismus verfasst, bleiben für ihn folgenlos.
Wenn der Film auf die unterschiedlichen Bilder hinweist, die man Cusanus zugeordnet hat, mag man ein weiteres anhängen: Cusanus als Bodhisattva. Eine Seele, die in einer dunklen Zeit inkarnierte. Ihr Auftrag: Das Lichtlein spiritueller Werte am Brennen zu halten, das im materialistischen Gebläse eines dumpfen Kirchendogmas und einer aggressiven Machtpolitik zu flackern begonnen hatte. HEINZ KNOTEK
Zuletzt aktualisiert: 17.10.2011 von Heinz Knotek
Hallo Herr Hansen! Leider lässt sich Ihre Frage nicht beantworten. Der Hinweis auf den „Argwohn der Inquisition“ wurde dem rezensierten Film entnommen, dessen Mitschnitt aber nicht mehr existiert. Ich kann Ihnen also nicht den genauen Kontext mitteilen und daher auch keine Quellenangaben ableiten. Ich kann mir aber gut vorstellen, dass eine Anfrage beim ZDF zu einem Kontakt mit dem/den Produzenten führen kann, der dann die gewünschten Quellenhinweise zur Verfügung stellt.
Sicher haben Sie schon selbst den zugehörigen WIKIPEDIA-Eintrag gecheckt. Dort gibt es einen Hinweis auf mehrere Vorwürfe der Ketzerei, die ja in der Regel von der zuständigen Institution begierig aufgegriffen wurden. Hier die Fußnote mit den zugehörigen Quellenverwiesen…
http://de.wikipedia.org/wiki/Nikolaus_von_Kues#cite_ref-40
Tut mir leid, nicht mehr Unterstützung bieten zu können.
Gruß
HEINZ KNOTEK
Liebe Redakteure, liebe Redakteurinnen des Trinosophie-Blogs,
ich habe Ihren Kommentar zu der ZDF-Dokumentation mit Interesse gelesen. Sie schreiben an einer Stelle, Nikolaus von Kues habe den Argwohn der Inquisition auf sich gezogen.
Es gilt zwar historisch als allgemein verbürgtes Faktum, dass Nikolaus von Kues ketzerische Ideen vertrat, aber gibt es auch historisch gesicherte Quellen, dass sich tatsächlich das Heilige Offizium mit ihm beschäftigt hat – oder ist dies lediglich eine von Ihnen vertretene historische Deutung dieses allgemein verbürgten Faktums?
Über die Angabe einer solchen Quelle – sollte es sie geben – würde ich mich freuen.
Zu meiner Person: Ich bin Autor und beschäftige mich seit geraumer Zeit mit Cusanus. Tatsächlich bin ich der Überzeugung, dass seine Philosophie – die coincidentia oppositorum – den Schlüssel zu einem modernen, naturwissenschaftlichen Gottesbeweis in sich birgt.
Auf der von mir angegebenen Webseite befindet sich eine kleine Buchpräsentation, die der Entwicklung und Darlegung dieses Gottesbeweises gilt; 2005 im VIA NOVA Verlag veröffentlicht.
Mittlerweile sind eine ganze Reihe von weiteren Texten hinzugekommen.
Mit freundlichen Grüssen
H. Hansen