Vermutlich waren es Jugendliche, die zu Ostern bei Oldenburg aus einer Gruppe heraus einen Holzklotz auf die Autobahn warfen, und dadurch eine junge Frau vor den Augen ihrer Familie töteten. Es sind JUNGE Männer, die im Nahen Osten und anderswo zu Selbstmordattentätern werden. Und auch die plötzlich ausgebrochene Gewalt in und um Tibet nährt sich vor allem vom Zorn JUNGER Tibeter, die – obwohl teilweise im Westen in integrierten Familien geboren – plötzlich Steine werfen, trotz ihres Bekenntnisses zum – Gewalt ablehnenden – Buddhismus.
Jugendgewalt ist allgegenwärtig. Bild: Ko-Sen
Jugendgewalt liegt irgendwie in der Luft. Das haben nicht nur die jüngsten Übergriffe in der nächtlichen Münchener U-Bahn gezeigt. Auch im Alltag an den Schulen ist verbale und körperliche Gewalt allgegenwärtig. Warum ausgerechnet JETZT? Wie damit umgehen? Die Psychotherapeutin Heike Hoyer hat in der Zeitschrift ASTROLOGIE HEUTE Jugendkriminalität von „höherer Warte“ aus, nämlich aus astrologischer Sicht, untersucht – und unterbreitet, vom selben Standort aus, mögliche Ansätze, damit rational und emotional umzugehen. Nachfolgend der Artikel mit freundlicher Genehmigung von Zeitschrift und Autorin. (Redaktion)
Heike Hoyer: Die Ouvertüre von Pluto in Steinbock am Beispiel der Diskussion um die Jugendkriminalität
(Erster Teil des ursprünglichen Artikels)
Die schon länger schwelende Diskussion in Deutschland um jugendliche kriminelle Gewalttäter rückte endgültig in den Focus des gesellschaftlichen Bewusstseins, als zwei Jugendliche südländischer Herkunft vor Weihnachten in der U-Bahn in München einen Rentner zusammenschlugen und schwer verletzten. Besonders erschreckend dabei waren die extreme Brutalität und das Fehlen jeglicher Hemmung: Obwohl das Opfer schon verletzt und blutend am Boden lag, trat ihm einer der Täter noch mehrfach mit voller Macht gegen den Kopf.
Gewalt in der und gegen die Gesellschaft als Konfrontation zwischen Pluto und Saturn
Diese Tat sowie die ersten heftigen Reaktionen darauf ereigneten sich während der laufenden, zur Jahreswende 2007/2008 zum zweiten Mal exakt werdenden Mars/Pluto-Opposition und lassen sich als Ausdruck des Gewaltpotenzials dieser Konstellation verstehen (1).
Betrachtet man diese Form der Jugendgewalt und die anhaltende Diskussion über den Umgang damit über Einzeltaten hinaus als ein längerfristiges strukturelles gesellschaftliches Problem, so lassen sie sich auch als ein Thema von Pluto in Steinbock interpretieren. Das würde bedeuten, dass sich diese Thematik in den nächsten beiden Jahrzehnten immer wieder inszenieren und uns zwingen wird, uns mit ihr auseinanderzusetzen – was ja nicht so unwahrscheinlich ist. Pluto in Steinbock entspricht energetisch der Konstellation Saturn/Pluto und zeigt sich hier in einer konfrontativen Ausprägungsform: Vermutlich aufgrund eines tief sitzenden Ohnmachtsgefühls kommt es zum Ausbruch irrationaler und damit auch unkontrollierbarer Gewalt (Pluto) seitens brutal agierender Jugendlicher aus einem nicht integrierten gesellschaftlichen Schattenbereich (Pluto). Von ihnen fühlt sich das Gemeinwesen, die Gesellschaft (Saturn) bedroht und reagiert zunächst mit Abgrenzung (Saturn), indem sie zum Beispiel betont, dass es sich um «ausländische» Jugendliche handelt.
Konfrontative Umgangs- und Lösungsversuche
Die erste Reaktion der Gesellschaft erfolgt auf einer konfrontativ-abwehrenden Ebene. Der Staat zieht die Mauern hoch und erklärt die Täter samt ihren destruktiv-plutonischen Ausdrucksformen für nicht zugehörig.
Zum Sprachrohr dieser Richtung hat sich Roland Koch, der Ministerpräsident von Hessen, gemacht. Schon 2004 hatte er die Mittel für Prävention und für die Betreuung straffälliger Jugendlicher nach der Haftentlassung auf Null gestrichen. Nach dem Vorfall in München forderte er unter anderem die Verschärfung des Jugendstrafrechts, die Möglichkeit der Inhaftierung auch von Kindern unter 14 Jahren, den sogenannten «Warnschussarrest» und die leichtere Abschiebung von straffällig gewordenen ausländischen Jugendlichen. Dass es ihm bei seinen Vorschlägen wahrscheinlich in erster Linie nicht um einen konstruktiven Beitrag zur Sache ging, sondern um den Erhalt seiner Macht (Pluto) bei den Landtagswahlen von Ende Januar 2008, soll hier nicht weiter thematisiert werden. Koch artikuliert(e), mit welcher Motivation auch immer, eine der im Volk bestehenden Meinungsströmungen.
Neben schnelleren und längeren Gefängnisstrafen sowie Abschiebung wurden auch Massnahmen ins Gespräch gebracht, die noch drastischer auf der Ebene direkter Gegengewalt liegen. Dazu gehören etwa Erziehungslager nach amerikanischem Vorbild, sogenannte «boot camps». Hier sind die straffälligen Jugendlichen einem massiven militärischen Drill wie bei den US-Marines unterworfen. Sie stehen unter ständiger körperlicher Anspannung und werden systematisch erniedrigt. Dies soll ihren Willen brechen, um ihn danach in gesellschaftlich erwünschter Form wieder aufzubauen. Das heisst, die Jugendlichen, die sowieso mehrheitlich aus dissozialen und gewalttätigen Familien kommen, erfahren so noch mehr Gewalt, Erniedrigung und Missbrauch. Es gibt mehrere dokumentierte Misshandlungs- und sogar Todesfälle in diesen Camps (2).
Gesellschaftlich erwünschte Eigenschaften wie die Entwicklung von Auseinandersetzungsfähigkeit, Respekt dem anderen gegenüber und Sozialkompetenz sollen hier also gleichsam mit der Brechstange eingeprügelt werden. Wer aber erniedrigt wird, lernt Erniedrigung und nicht Mitmenschlichkeit. Es verwundert nicht, dass die Rückfallquote sehr hoch ist. Bestenfalls – aus Sicht der Gesellschaft – wird der erfahrene Input an Gewalt im Sinne einer «Identifikation mit dem Angreifer» verarbeitet. Eine neue Generation von gewaltbereiten Soldaten und/oder sadistischen Aufsehern wird herangezüchtet.
Was passiert aus psychologischer Sicht?
Ein Vorfall wie die Münchener U-Bahn-Tat löst zunächst Abscheu, Entsetzen und Mitgefühl für das Opfer aus. Gleichzeitig ist es sinnvoll und notwendig, diese Gewaltexzesse auf einer strukturellen Ebene gleichsam als Symptome zu betrachten, um ihre Ursachen und Motivationen zu verstehen.
Gewalt resultiert fast immer aus einem Gefühl der Ohnmacht. Kompensatorisch wird Macht über andere ausgeübt, um so die verloren gegangene Einwirkungsfähigkeit wieder zu erlangen. Es gibt Mitglieder in unserer Gesellschaft, bei denen sich aufgrund erlebter Ohnmacht – zum Beispiel wegen fehlendem Schulabschluss, Arbeitslosigkeit oder schlechtem sozialem Status (inwieweit und in welchem Ausmass sie selbst und/oder gesellschaftliche Strukturen dafür verantwortlich sind, muss der Prüfung des Einzelfalles vorbehalten bleiben) – ein so hohes Frustrationspotenzial angesammelt hat, dass sich dieses bei einem minimalen Auslöser auf eine extrem brutale Weise entladen kann.
Systemisch gesehen, finden also nicht alle Teile einen (ihren) Platz in der Ganzheit, in der Gesellschaft. Die Schläger agieren das gesellschaftlich Ausgeschlossene gewalttätig aus.
Die Gesellschaft fühlt sich in zweifacher Hinsicht davon bedroht: zum einen durch die reale körperliche Gefährdung («Auch ich kann zusammengeschlagen werden»), zum anderen werden auch beim sozial integrierten Durchschnittsbürger durch die Konfrontation mit blinder Gewalt eigene Ohnmachtsgefühle und destruktive Anteile belebt, die ihm Angst machen und nicht zu seinem Selbstbild passen.
Der beschriebene Versuch, mit der Unbill fertig zu werden, besteht darin, die destruktiv-plutonischen Anteile im Aussen (in Gestalt der gewalttätigen Jugendlichen) sowie jene im eigenen Seelischen als nicht zugehörig zu erklären. Die Jugendlichen werden dann ausgewiesen oder eingesperrt und die eigenen unerwünschten Anteile verdrängt.
Dies folgt der Logik «aus den Augen, aus dem Sinn.», ist meist aber nur eine zeitlich begrenzte und von daher keine wirklich nachhaltige Lösung. Denn genauso, wie der Gefängnisinsasse zurück in die Welt will, will auch der verdrängte psychische Inhalt wieder zurück ins Bewusstsein und «mitspielen». Und so, wie der Eingesperrte nach seiner Strafzeit wieder in die Gesellschaft zurückkehrt, gelingt es früher oder später auch dem verdrängten Inhalt, sich an der Zensur vorbeizumogeln und wieder ins Bewusstsein zu gelangen.
Dies lässt sich auch gut auf der Ebene der astrologischen Prinzipien nachvollziehen: Pluto ist ja nicht das verkörperte Böse, welches Destruktion um seiner selbst willen betreibt. Er versucht nur, das Ausgeschlossene aus der gesellschaftlichen Schattenwelt wieder ins Spiel zu bringen, mit dem Ziel einer grösseren Komplettheit, einer Ganzwerdung auf höherer Stufe. Dieses Ziel verfolgt er in der ihm eigenen kompromisslosen Form. Will sich die Ganzheit (die Gesellschaft) nicht entsprechend transformieren, was sie aufgrund der Beharrungstendenz ihrer Struktur (Saturn) meist zunächst nicht will, wendet er Gewalt an, die auf den Einzelnen (wie zum Beispiel das U-Bahn-Opfer) keine Rücksicht nimmt. Klar dürfte auch sein, dass sich plutonische Inhalte nicht wegsperren, ausweisen oder verdrängen lassen. Pluto wird immer wiederkommen, und je stärker die Abwehr gegen ihn ist, desto brachialer und gewalttätiger wird er sich zum Ausdruck bringen.
Und dann steht das Problem von Neuem an, gibt es eine neue Runde von Konfrontation, die sich aus Sicht des Staates so anhört: «Weil du böse und destruktiv warst und wahrscheinlich immer noch bist, bekommst du weiterhin keinen Platz bei uns und darfst nicht mitspielen.» Der kriminelle Jugendliche sieht es andersrum: «Weil ich keinen Platz bei euch bekomme, nicht mitspielen darf – und auch schon gar nicht mehr will –, werde ich euch und alles hier kaputt hauen.» Und entweder geht jetzt das Spiel von vorne los oder man versucht, integrativere Lösungsformen zu finden.
Wie und unter welchen Bedingungen kann es also zu einer Integration kommen? Wie könnte ein integratives Zusammenwirken von Saturn und Pluto am Beispiel des Umgangs mit der Jugendgewalt aussehen?
Fußnoten
(1) Siehe hierzu auch Alexandra Klinghammer, «Deutschland im Jahre 2008», in: Astrologie Heute Nr. 131, S. 16f.
(2) Siehe hierzu zum Beispiel Florian Gathmann, «Das Versagen der Drill-Maschine», Spiegel Online, 3. 1. 2008
(Hervorhebungen im Original kursiv.)
Heike Hoyer, Jg. 1960, Diplom-Psychologin; seit 13 Jahren psychothera- peutische Tätigkeit; astrologische Ausbildung bei Phönix-Astrologie Köln (Sabine Bends und Holger Fass) sowie bei Brigitte Hamann (Entwicklungs- orientierte Astrologie EOA); astrologische Beratungen seit 2006.
Quelle: ASTROLOGIE HEUTE , Zeitschrift für Astrologie, Psychologie und Zukunftsthemen, Nr. 132, April/Mai 2008.
Zuletzt aktualisiert: 27.07.2010 von Heinz Knotek