Mit Essay CLAIMING TO BE JESUS von W. Q. Judge
Sphinx – Torwächter zur
Wahrheit. (*)
Wieder einmal hat der fatale Traum vom Guru Menschenleben gekostet. In einem knapp 10.000 Dollar teuren Seminar von US-Motivationstrainer James Ray haben drei Menschen die vom Guru suggerierten Praktiken nicht überlebt. Andere erlitten Verletzungen. Die bis zur Selbstaufgabe gehende Guru-Hörigkeit hat im westlichen Kulturkreis Tradition. Dabei werden meist nur extreme Fälle bekannt.
Die Medien recherchieren immer dann etwas genauer, wenn die Verehrung eines Gurus etwa zu Kindesmissbrauch führt oder tödlich endet. Dann stellt sich plötzlich heraus, dass manch charismatischer „Meister“ neben glühenden Anhängern auch eine unsichtbare Spur von Opfern hinter sich herzieht. Menschen, die ein Leben lang an Körper und Geist beschädigt wurden.
Guru – Türöffner zum INNEREN MEISTER, dem SELBST
Das „Konzept Guru“, die These von der tatsächlichen Existenz weit entwickelter Menschen, die im Extremfall sogar dem Rad der Wiedergeburten entstiegen sind, wurde im Westen erstmalig von H. P. Blavatsky nach 1875 eingeführt. Blavatskys theosophische Gurus und Meister – oder auch Bodhisattvas in buddhistischer Terminologie – traten auf den Plan, um dem materialistischen Zeitgeist entgegenzuhalten, dass Gurus, Meister oder Bodhisattvas weder Allegorien noch Fantasie sind, sondern echte Menschen. Der wahre Meister oder Guru, so damals die Botschaft, fungiert für seine Schüler als eine Art Türöffner zu ihrem INNEREN MEISTER – dem SELBST. Wirkliche Gurus würden außerdem niemals manipulativ auf Schüler oder Anhänger einwirken.
Doch kaum war Blavastky von der Bildfläche verschwunden, wurde das Konzept von selbst ernannten „Blavastky-Nachfolgern“ schon pervertiert. Die machtbesessene Annie Besant und der „sehende“ C. W. Leadbeater gaben sich als autorisierte Medien diverser Gurus aus. Der Massias-Wahn zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde geboren. Als kommender Messias musste ein kleiner Junge herhalten, den Besant und Leadbeater erkannt zu haben meinten: Jiddu Krishnarmurti. Pikanterweise wurde Leadbeater wegen mutmaßlichen Missbrauchs von minderjährigen Jungen kurzzeitig aus der Theososophischen Gesellschaft von Besant verstoßen. Kein Wunder, dass Krishnarmurti, kaum den Kinderschuhen entwachsen, als junger Mann bald allen Guru-Kult verwarf und eindringlich davor warnte.
Krishnarmurti – verwarf allen Gurukult
und warnte ausdrücklich davor
In Deutschland ist der erste nachhaltige Guru-Kult um den Ex-Theosophen Rudolf Steiner zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstanden. Briefwechsel aus jener Zeit geben Steiner als Persönlichkeit mit stark charismatischer Wirkung – vor allem auf bestimmte Frauentypen – wieder. Dabei sollen suggestive Beeinflussungen zu seinem Vorteil keine geringe Rolle gespielt haben. Steiner firmierte als Privatgelehrter und lebte vor allem von Zuwendungen seiner Anhänger. Bis heute finden sich immer wieder Menschen, die schweren psychischen Schaden davon getragen haben, weil sie über Jahre hinweg in die subtile Ächtung durch eine Gemeinschaft – etwa einer Schulklasse – geraten sind, die sich auf Steiners suggestive Thesen beruft.
Oliver Shanti – ein aktuelles Phänomen. Kein Esoterik- oder Bioladen, der in den 1990er Jahren auf sich hielt und nicht die herzerwärmenden New Age Klänge des Guru-Musikers auf CD verkaufte und ständig im Hintergrund abspielte. Im Dezember 2009 wurde der als Guru verehrte schwule Musiker wegen Kindesmissbrauch zu einer Strafe von mehr als sechs Jahren verurteilt. Über Jahre soll er seine Anhänger dazu gebracht haben, ihm ihre Kinder zuzuführen. Der Traum psychisch labiler Eltern vom erlösenden Guru wurde so zum Alptraum ihrer Kinder.
Der Esoterikmarkt ist voll von charismatischen Gurus, Erdheilern oder Menschenrettern. Und selbst falsche buddhistische Kampfkunst-Mönche treiben ihr kostenpflichtiges Unwesen. Salbungsvolle Reden, erhaben klingende Ratschläge und beeindruckende Rituale eines angeblichen Saint Germain, Jesus oder Plejaden-Besuchers lassen den Anhängern ihre Chakren rotieren (was sie davon überzeugt, alles sei echt) und vor allem – ihre Geldbörsen sich spendabel öffnen. Schande über den, der nicht bereit ist – über den Umweg der Kasse des Gurus – großzügig für Erdheilungen oder Menschenerrettungen zu zahlen ob mit oder ohne Rechnung. Blöd nur – oft zahlt man dabei drauf. (Kô-Sen)
CLAIMING TO BE JESUS
By William Q. Judge
In one of the letters written by the Master K.H. and printed by Mr. Sinnett it is said the world [including doubtless East and West] is still superstitious. That this is true can hardly be denied, and in America the appearance of many who claim to be Jesus and who thus gain followers, shows how foolish and superstitious people yet are.
A man named Teed appeared in New York and is now in some western city, who said he was Jesus. He had a theory of our living inside a hollow globe. He induced a wealthy woman to give much money, and still has followers in his present place.
In Cincinnati a Mrs. Martin declared herself to be the Christ, and immortal. She gathered believers. But unfortunately in the summer of this year she died. Her coterie refused to believe in her demise and kept her body until mortification compelled a burial.
Out in New Mexico, in 1895, a German named Schlatter rises on the scene and at last says he is the Christ. He is one who takes no money, eats but little, and it is said he cures many of their diseases. At any rate great excitement arose about him and hundreds came to be cured. He then went to Denver, a larger city, and is still there posing as Jesus and claiming that his cures constitute the proof. And there are others scattered about; those cited are merely examples.
The posing of these claimants is due to partial insanity and to vanity. They do not like to pretend to be anything less than God. But their having followers shows how far superstitious and gullable other people are. Theosophists will doubtless laugh at both. But are we so free from the same defect? Has that folly exhibited itself or not among us, though perhaps under a different name? What of that „superstition“ which sees in every dark-skinned Hindû either an Adept or a teacher, or at least a high disciple of some Yogi through whom occult favors may be had? Why it is known that this nonsense went so far in one case that the adorer devoted large sums of money to the crafty young fellow who posed as „just a little less than a Mahâtmâ.“ We are not quite clear of the beam we have seen in the eyes of others.
A safe rule will be that those who say they are Jesus or the equivalent of Christ, are not so, and instead of either following them or looking about for wonderful beings we will follow the ancient saying: „Man, know thyself.„
The Path, November, 1895
Linksunten:
Süddeutsche Zeitung: Tod beim Selbsthilfe-Guru
Zuletzt aktualisiert: 07.02.2010 von Heinz Knotek