EHEC breitet sich nun weltweit aus. Und die Wissenschaft ist noch ratlos. Der Gesellschaft geht es ein wenig wie Luther mit seiner legendären Fliege. Die enterohämorrhagische Escherichia coli (EHEC), also pathogene (krankheitsauslösende) Stämme des Darmbakteriums Escherichia coli, nerven. Sie stören unser mutmaßlich wichtiges alltägliches Tun. EHEC verbreitet außerdem noch Angst. Ausgerechnet gesundmachendes Gemüse könnte die Wohnstatt für Tod und Verderben sein.
Fantasie der Unsterblichkeit. Bild: © TrinosophieBlog
EHEC-Keime sind Lebewesen. In einem abstrakten Sinne, Lebewesen wie du und ich. In den Weisheitslehren werden Bakterien als „Gestalter“ der materiellen Welt ausgewiesen. Sie bauen zielgerichtet auf, was der Geist zur Manifestation braucht. Sie bauen ab, was dafür überflüssig ist oder den Geist gar an seiner Entfaltung hindert. Mit anderen Worten: Die EHEC-Wesen erfüllen ihre Pflicht. Oder mit Pathos: Sie handeln im Auftrag der Schöpfung. Wir Menschen erhalten eine karmische Lektion.
Die Fantasie der Unsterblichkeit geht verloren
Religiöse Fanatiker werden jetzt – oberflächlich betrachtet – ganz ähnlich argumentieren. EHEC sei eine von Gott über die sündige Menschenwelt gebrachte Seuche, werden sie schadenfroh frohlocken. Doch die Weisheitslehren kennen keinen strafenden Gott. Aufwind haben auch Verschwörungstheoretiker, die hinter der Seuche einen Anschlag vermuten. Was immer die Seuche ausgelöst haben mag, die wahren Hintergründe lassen sich nur auf der Ursacheneben finden. Und die ist laut Weisheitslehren immaterieller Art und tatsächliche Triebkraft hinter dem materiellen Geschehen.
Im irritierenden Spannungsfeld zwischen Wissenschaft und Theologie verlieren viele den Glauben an die eigene Unsterblichkeit und an das Göttliche überhaupt. Sie sinken mit rasender Geschwindigkeit auf die Stufe des Materialismus herab. Seit uralten Zeiten glaubten die Menschen fest an ein spirituelles „Etwas“ inmitten ihrer physischen Existenz. Dieses innere Etwas war mehr oder weniger von göttlichem Charakter, war Christus, war das höhere Selbst – je nach Glaubensbekenntnis.
Je enger sich der Mensch diesem göttlichen unsterblichen Inneren verbunden wähnte, desto sicherer und geborgener galt die Existenz seiner äußeren vergänglichen Persönlichkeit. Dieser Glauben war weder Bigotterie noch Aberglauben, sondern ein allgegenwärtiges instinktives Gefühl, dass es eine andere, unsichtbare, spirituelle Welt gibt oder geben müsse.
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E. Coli Infection Strategy
Der wissenschaftliche Fortschritt hat diesen Glauben erschüttert. Unser materielles Wissen, unsere beeindruckenden Computer-Animationen sowohl vom Funktionieren ferner Galaxien als auch vom Wirken kleiner bakterieller Todbringer, lässt wenig Spielraum, sich AUSSERDEM NOCH eine unsichtbare göttliche Welt vorzustellen. Ganz zu schweigen von der Vorstellung, dass in diesen unsichtbaren Welten auch noch die Ursache aller materiellen Phänomene liegen soll.
Im hoffenden Bangen auf den erlösenden EHEC-Impfstoff geht die Fantasie der Unsterblichkeit der Seele verloren, ja des Glaubens an ihre schiere Existenz. Endlich wieder angstfrei Salatgurken vom Discounter essen dürfen. Das erfüllt die verstörte Seele, die doch eigentlich über allem Materiellem Werden und Vergehen schweben könnte. Die karmische Prüfung von EHEC ist weniger die konkrete Lebensbedrohung, die von ihr ausgeht. Vielmehr geht es darum, ob sich der Mensch wenigstens dann auf den Weg macht, zu seinem unsterblichen Seelenfunken, wenn seinem vermeintlich sicheren Dasein unaufhaltsame Gefahr droht. EHEC also nicht als Strafe. Eher als grüne Ampel. HEINZ KNOTEK
Zuletzt aktualisiert: 15.06.2011 von Heinz Knotek