Esoterik pur: Detail mit Py-
thagoras aus der SCHULE DER
ATHENER von Raffaello Sanzio,
1509. Abb.: Public domain
Die Süddeutsche Zeitung hat am Wochenende auf der ansonsten für guten Journalismus berühmten SEITE DREI einen besonderen Klischeeeintopf angerührt und aufgekocht. Der Journalist Birk Meinhardt besuchte dazu nach eigenen Angaben eine Esoterikmesse, bewegte viele Mails und hat in mindestens zwei Gasthöfen Stammtisch- Ergüsse mitgeschrieben. Das reichte ihm, um sich selbst zu bestätigen, was er offenbar schon erwartet hatte: Esoterik ist dubios und neigt zu rechtsradikalem Gedankengut. Vielleicht sollte Meinhardt (noch) einmal das gerade erschienene Buch über die Erfolgsgeschichte der SEITE DREI lesen. Dann hätte er vielleicht dem erhabenen Format und dem Leser seinen unsachlichen und lausig recherchierten Schreibversuch erspart. Dennoch reflektiert der Bericht Phänomene, die für den Sucher beachtenswert sind.
Esoterikmessen – Gefahr für Körper und Geist
Wenn Meinhardt geradezu lustvoll in skurrilen Details schwelgt, die er auf seinem Rundgang auf einer Esoterikmesse in Berlin beobachtete, dann liefert er gleich zu Beginn den Beweis für „Thema verfehlt.“ Denn natürlich hat die „Esoterik“ eines Jahrmarktes nichts mit dem zu tun, was für Pythagoräer im vorchristlichen Griechenland, für Taoisten in China oder Rosenkreuzer im Spätmittelalter eine HEILIGE WISSENSCHAFT gleichen Namens war. Worüber der Autor vorgibt zu berichten, hat also nichts mit dem zu tun, was der Begriff eigentlich assoziiert und wovon er etymologisch abstammt.
Richtig ist – die astrale Atmosphäre einer Esoterikmesse besitzt in aller Regel eine dermaßen trübe Kompaktheit, dass der Sucher um solche Schauplätze einen großen Bogen machen sollte. Das spiritistische Herumstochern im Unsichtbaren und die Gaukeleien mit Geistern aller Art können sich für die eigene geistige und damit körperliche Gesundheit nachteilig auswirken. Bekennende Materialisten können dagegen unbeschadet herumlaufen. Denn das heraufbeschworene Astralgesindel solcher Plätze findet in ihrer verschlossenen Aura keine Einfallstore.
Abschied von Begriffen und Symbolen
Der Artikel zeigt außerdem: Der hemmungslose Missbrauch von Begriffen und Symbolen führt unvermeidlich dazu, dass man sich von einst machtvollen Symbolträgern und erhabenen Begriffen verabschieden muss. So ist das Sonnenrad – zumindest in Europa – auf Ewig stigmatisiert. Der Missbrauch als staatliches Symbol faschistischer Unterdrückung hat dazu geführt, dass seine öffentliche Präsentation zur Straftat wird – zu Recht. Doch auch Begriffe, wie Esoterik, Okkultismus und Theosophie haben inzwischen den Geruch des unseriösen an sich. Und wen wundert es. Wenn dubiose Gestalten für 50 Euro ein Gespräch mit den eigenen Schutzgeistern arrangieren oder psychisch defekte Medien mit verklärtem Blick ihre Channeling-Dienste als persönliche Sendboten von Plejaden-Geistern anbieten – das ist es, was heute gemeinhin unter „Esoterik“ gehandelt wird – dann kann man es niemandem verübeln, ESOTERIK als Humbug abzutun.
Investigativer Journa-
lismus in Reinkultur,
normalerweise.
Abb.: www.amzon.de
Und dass die Theosophie von H. P. Blavatsky in diesem Zusammenhang erwähnt wird und – wie bei Meinhardt – mit einem Federstrich eine ganze Zeitepoche geistigen Strebens auf Basis buddhistischer Ethik und Moral zum theoretischen Wegbereiter der NS-Ideologie hingebogen wird, haben wir vor allem den unseligen Nachfolgern von Blavatsky zu verdanken. Der peinliche Messiasrummel von Besant und Co. zu Beginn des 20. Jahrhunderts und das nachfolgende Abdriften der theosophischen Bewegung in einen sektiererischen Kult, hat die GÖTTLICHE WEISHEIT (Theos Sophia), auf die schon Jakob Böhme Bezug nahm, nachhaltig und bis heute in Verruf gebracht.
Peinlich aber auch, dass der Verfasser sein Urteil zur Theosophie allein auf höchst umstrittene nationalistische Autoren gründet, diese wie seriöse Quellen behandelt und damit sich dessen schuldig macht, was er den Esoterik-Gurus vorwirft. „Das hat etwas Banales und Primitives,“ so Meinhardt. Und auch da hat er Recht.
Wahre Esoterik ist gelebter Altruismus
Der hinduistisch/buddhistischen Auffassung von Karma und Reinkarnation wird gern unterstellt, sie sei reaktionär. Es sei reaktionär, Schönheit und Erhabenheit körperlichen Lebens als Illusion, oder gar als Seelengefängnis zu bezeichnen. Wer dann auch noch dem irdischen Dasein generell einen eigenen Zweck abspricht, kann sich auf Feindseligkeit oder gar persönliche Angriffe gefasst machen und wird schnell als reaktionär verschrien. Doch dann müssten auch Krishna, Buddha, Jesus – und die Mystiker aller Religionen verkappte Reaktionäre gewesen sein.
Die Weisen aller Zeiten haben gelehrt, dass das Leben ein Mittel, nicht aber Zweck sei. Ob man nun zu Gott zurückkehren oder sich mit dem EINEN SELBST vereinen will – die Bibel rät dem religiösen Menschen deshalb nicht grundlos IN aber NICHT VON der Welt zu sein, wenn er ins Himmelreich eingehen wolle. Doch das ist nur die eine Seite der Medaille. Die andere Seite heißt: Altruismus, selbstloser Dienst an allen fühlenden Wesen. So steht es in der Bergpredigt und auch im ACHTFACHEN Pfad der Lehre Buddhas. Außerdem schwärzt es das eigene Karma, wenn man auch nur in Gedanken feindselig gegen andere ist. Da ist kein Platz für Rassismus, Fremdenfeindlichkeit oder gar Gewalt. Während der durchschnittlich religiöse Mensch ein Set von Vorschriften mehr oder weniger einzuhalten versucht, LEBT der echte Esoteriker RELIGION mit jeder Faser seines tiefsten Inneren.
Gründliche Recherche lohnt sich
Zu Gute halten muss man Meinhardt, dass er den Mief der pseudoesoterischen Szene treffend reflektiert hat. Und auch das rechtslastige Denken mancher Leute dort. Doch dieses Phänomen mit Esoterik gleichzusetzen ist ungefähr so, als ob man sich bei der Beschreibung der Physiologie des Menschen allein auf den Appendix (Wurmfortsatz) beschränken würde. Es steht jedem frei, pendelnde Hausfrauen oder Astrologie-Experten aus der Zeitung für fragwürdig zu halten. Sie aber wegen ihrer Praktiken in einem Atemzug mit rechtsextremem Gedankengut zu nennen ist eine Verunglimpfung und schlicht falsch.
Bei seinen von vornherein auf die Niederungen deutscher After-Esoterik beschränkten Recherchen konnte der Journalist Meinhardt freilich nicht auf das stoßen, was bis heute als erhabener Impuls für ein neues Religionsverständnis und Schlüssel für wirkliche Esoterik gilt – die so genannten DREI OBJEKTE DER THEOSOPHISCHEN BEWEGUNG (*):
- To form a nucleus of the Universal Brotherhood of Humanity, without distinction of race, creed, sex, caste or colour.
- To encourage the study of comparative religion, philosophy and science.
- To investigate unexplained laws of nature and the powers latent in man.
Gründliche Recherche lohnt sich immer. (Ko-Sen)
(*) Bezieht sich ausdrücklich NICHT auf eine Organisation. THEOSOPHIE galt und gilt vor allem als LEBENSHALTUNG, wie sie in den ethisch und moralischen Grundsätzen von Buddhismus, Gnosis und bei den Mystikern aller Zeitalter zu finden ist.
Linksunten
Süddeutsche Zeitung, 15./16. März 2008:
Arier im Astralleib (Arier im Mikrowellen-Krieg *)
(*) Die Headline der Online-Version des Artikel
THE KEY TO THEOSOPHY by H. P. Blavatsky (Original)
Zuletzt aktualisiert: 08.05.2011 von Heinz Knotek
Vor Jahren gab es einen Kontakt zu einem Steinkreis-Guru. Er war Experte für Formen-Energie. Er hatte viel geforscht und experimentiert und war in der Lage, mit einer speziellen Apparatur reproduzierbar kurzzeitig regnende Wolken an einem klaren Himmel zu erzeugen.
Ich fragte ihn, was denn wäre, wenn ALLE solche Geräte besitzen würden. Der EINE will seinen Salat beregnen, der ANDERE will sich ungestört sonnen. Schon gibt es Streit und Krieg. Der Guru wies das von sich. Zu sehr war er von seiner geheimnisvollen Technik fasziniert.
Der selbe Guru sah auch überall jüdische Säulen die germanische Atmosphäre vergiften. Und überhaupt müsse man zu alten germanischen Werten zurückfinden. Schließlich war da noch ein magischer Fingerring, der von einem hohen SS-Bonzen stammen sollte…
Spätestens da wurde es Zeit, auf Abstand zu gehen. Ich fragte den Guru noch, wie er denn seine doch eher engstirnige Deutschlastigkeit und Judenfeindlichkeit mit dem Karma-Gesetz vereinbare. Denn danach wird er bei anhaltender Feindseligkeit gegen ein anderes Volk selbst einmal Opfer derselben Feindseligkeit. Und er müsse doch wissen, dass die SEELE weder Geschlecht noch Nationalität kennt.
Doch auch das wies er ab. TYPISCH, dass es bei alle dem NICHT um Selbst-Erkenntnis geht. Nicht um Überwindung, sondern um erdgerichtetes magisches Tun GEGEN jemanden oder etwas.
Wahre Esoterik kennt nur ein Ziel: Mensch, erkenne dich selbst.
Da ist weder Zeit noch Raum für magische Spielereien mit Regenwolken.