Bodhisattva sein ist vor allem eine Lebenshaltung. Wie das Kind, das sich von früh an vornimmt, Flugkapitän zu werden, später als Jugendlicher alle Bücher über das Fliegen verschlingt, schließlich versucht, sich über Berufsausbildung und Studium dem TRAUMBERUF zu nähern. Vielleicht Rückschläge hinnehmen muss. Dann, früher oder später, es geschafft hat und Flugkapitän wird.
Bodhisattva-Ideal: Wolken in den Garten holen? Bild: Ko-Sen
Was genau ist ein Bodhisattva? Die ungefähre Definition klingt recht abgehoben: Eine Seele, die gelobt, auf die „ewige Seeligkeit“ von Nirvana und Erleuchtung zu verzichten, die sich stattdessen freiwillig inkarniert, um im Einklang mit dem Karma-Gesetz den fühlenden Wesen zu helfen, die noch hoffungs- und ahnungslos, an das Rad der Wiedergeburt gekettet sind. Uff… Was heißt HELFEN? Und wer ist schon NICHT ans Rad der Wiedergeburt gekettet?
Wo einen das „Schicksal“ hinstellt
HELFEN bedeutet vor allem, das Buddha-Dharma bei sich selbst anzuwenden; da wo einen das „Schicksal“ – also Karma – hinstellt. Konkret geht es dabei um die Akzeptanz der VIER EDLEN WAHRHEITEN , den ernsthaften Versuch, den ACHTFACHEN PFAD anzuwenden und sich dabei möglichst auf dem MITTLEREN WEG zu halten. Um zu verhindern, dass solche „Exerzitien“ zum Egotrip mutieren oder jemanden zum bigotten intoleranten Missionar machen, sollte das Naturgesetz-Doppel Karma und Reinkarnation ernsthaft als These angenommen werden. Das hilft sich klar zu machen, dass der Weg des Bodhisattva KEINE Persönlichkeitspflege ist, es auch nicht darum geht, ein toller Hecht im Esoterik-Karpfenteich zu werden oder gar das ICH irgendwie in die Ewigkeit zu retten. Der Pfad des Bodhisattva ist das Ende alles Persönlichen und die völlige Selbstübergabe an – je nach regionaler Denkweise – das Dharma, das SELBST oder GOTT (*). Befreiung halt.
Die Absicht, ein mehr oder weniger redliches Leben in der Tradition des Bodhisattva-Ideals führen zu wollen, wird den Sucher fast zwangsläufig in Situationen bringen, in denen er sein Gelübde praktisch umsetzen kann. Typische Tätigkeiten sind Lehren, Heilen, Organisieren, Leiten, Forschen…
Das Rad der Wiedergeburt
Wer von uns ist NICHT an das Rad der Wiedergeburt gebunden, also in seiner Entscheidung frei? Sehr wahrscheinlich keiner. Ist ein solches Gelübde dann nicht eitler Wahn oder spirituelle Koketterie? Die Antwort führt auf das Kind im Sandkasten zurück, das keiner eitel und kokett nennen würde, weil es sich mit Hingabe seinem Traumberuf zuwendet. Schon gar nicht später, wenn es sich als Erwachsener den Beschwernissen der Pilotenausbildung unterzieht – und dann seinen Kindheitstraum auch praktiziert.
Begrenzungen überwinden – alles eine Frage des WILLENS; nicht nur beim Fliegen. Bild: Ko-Sen
Jedes „Menschenkind“ – ganz gleich wo es auf dem Pfad steht – kann sich dem Altruismus des Bodhisattva-Ideals verschreiben. In den Weisheitslehren heißt es dazu, dass dadurch dem Seelenfunken eine neue Richtung der Entfaltung gegeben wird. Das Sterben und Geborenwerden bleibt zunächst weiterhin ein Prozess, auf den man kaum oder keinen bewussten Einfluss hat. Der neue Magnetismus des Seelenfunkens führt jedoch in Lebensumstände mit entsprechender Seelenverwandtschaft und anderen Bedingungen. Wie das konkret ablaufen kann, ist im Kapitel Kosmische Impfung des Romans DER ROTE LÖWE von Maria Szepes anschaulich beschrieben.
Bodhisattva-Gelübde: Keine Frage des Glaubens, sondern des Wollens
Für Materialisten und Gläubige, die einem anthropomorphen Gott anhängen, muss das Bodhisattva-Gelübde ungefähr wie der Schwur eines Irren wirken, der sich vornimmt, die Wolken oder den Vollmond in den Garten hinterm Haus holen zu wollen. Erstere betrachten Leben lediglich als evolutionär bedingten Zufall, also weitgehend sinnfrei. Für Letztere ist Leben die Grille eines offenbar cholerischen, sich in zahllosen Details als NICHT allwissend erweisenden Schöpfergottes. Beiden Konzepten ist daher eine seelische Entwicklung und die Notwendigkeit, sich dafür eigenverantwortliches zu engagieren, fremd. Liebstes Argument oder besser Gegenargument dabei: DARAN MUSS MAN GLAUBEN. Doch im Buddhismus gibt es weder GLAUBEN noch den Zwang dazu. Es gibt nur ein WOLLEN. [wird fortgesetzt]
(*) GOTT hier als göttliches Prinzip; allgegenwärtig, alles durchdringend, mit den Sinnen und dem Denken der Persönlichkeit bestenfalls INDIREKT wahrnehmbar. Nicht gemeint ist die volkstümliche Vorstellung eines exoterischen persönlichen Gottes, was ja direkt der Definition des GÖTTLICHEN zuwiderläuft.
Du bist Bodhisattva! – Teil 2: Historischer Kontext des Bodhisattva-Ideals, Bodhisattvas undercover, kleine Ordination im Zen-Buddhismus, Bodhisattva-Gelübde heute, intuitive Bodhisattvas, was Bodhisattvas NICHT sind…
Zuletzt aktualisiert: 05.10.2013 von Heinz Knotek